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Interview mit Against Me!

Reinventing The Shortness

 

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Es ist Mitte Juni, wir sitzen im gemütlichen Biergarten des K4 in Nürnberg und uns gegenüber drei von vier Mitgliedern der etwas anderen Punkband AGAINST ME!. Bassist Andrew, Schlagzeuger Warren und Sänger/Gitarrist Tom schauen gut gelaunt, munter und aufgeweckt aus der Wäsche, obwohl man mal wieder mitten in einer do-it-yourself-Tour fern der Heimat Florida steckt.
"Wir sind zwar inzwischen bei Fat Wreck und es gibt diese berühmten Packagetouren bei denen mehrere Bands vom Label spielen, aber deswegen kümmert sich Fat Wreck noch lange nicht um deine Touren, das müssen wir immer noch alles selber machen; diesmal werden wir von einem netten Herren aus Hamburg unterstützt, der auch unser Fahrer ist." Apropos Fat Wreck, Papa Schlumpf Fat Mike initiiert nun seit einiger Zeit eine großangelegte Anti-Bush-Kampagne mit dem finalen Ziel George W. Bush bei den nächsten Wahlen aus dem Amt zu kriegen. Gekrönt ist die ganze Aktion mit einer kleinen Serie von Samplern, auf dem sich das who is who der Punkszene versammelt, AGAINST ME! haben dazu auch ihren Beitrag geliefert. "Wir wurden gefragt, ob unser Titel „sink, Florida, sink!“ für den Sampler verwendet werden darf und das fanden wir natürlich total in Ordnung. Dieser Sampler kann vielleicht wirklich etwas bewegen, es ist eine DVD beigelegt, die Ungerechtigkeiten der Bush-Regierung aufzeigt und das ganze ist sehr preiswert; wir hoffen schon, dass er es seinen Beitrag zur Abwahl von Bush beiträgt."
Eine Gegenbewegung, die etwas unverständlich erscheint, gibt es dazu seit einiger Zeit auch und schimpft sich conservativepunk.com; ins Leben gerufen von Mitgliedern unter anderem der MISFITS; um Ironie scheint es sich dabei auch nicht zu handeln. "Nein, die meinen das schon völlig ernst. Die bekommen zwar auch eine Menge Aufmerksamkeit, aber eigentlich nur negative, jeder macht sich lustig über sie, das ist echt völliger Stuss."

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Warum es sich bei AGAINST ME! eben um eine etwas andere Punkband handelt, lässt sich gerade bei dem „Rock against Bush“-Sampler gut erkennen. Der musikalische Ansatz ist ein anderer, als bei den meisten Kollegen, zwar sind auch ihre Songs sehr gradlinig und auf den Punkt gebracht, doch knüppeln die Jungs aus Florida nicht einfach darauf los, sondern mixen sich ihr ganz eigenes Süppchen. „Country-Blues-Punk“ nennen das manche und so daneben ist diese Bezeichnung auch gar nicht, obwohl dieses Thema an der Band komplett vorbeigeht. "Keine Ahnung, wie man unseren Stil nennen soll, das ist uns egal, die Leute können uns bezeichnen und auf die Plakate schreiben wie und was sie wollen." Vor allem auf dem ersten Album „reinventing Axl Rose“ hört man viele Halb-Akustik-Songs, die vor sich hinpoltern und auch der Schlagzeugsound ist ein ganz anderer, als bei typischen Punkbands und so unwichtig ist das ganze auch nicht, denn irgendwas muss diesen speziellen Reiz dieser Band ja ausmachen. Dazu kommt eine szene-untypische textliche Tiefe, denn während es gerade bei Punk oft darauf ankommt, die Strukturen einfach zu halten und klare Aussagen zu formulieren, werden bei AGAINST ME! immer wieder kleine Geschichten erzählt und politische Parolen in poetischer Form verpackt, allerdings ohne dass dabei die Grundgedanken verloren gehen.

Mehr Airplay durch ihren etwas gemäßigteren Punksound bekommen sie deswegen aber noch lange nicht: "Nein, es ist schon schwer; solche Musik wird nicht viel gespielt. Klar auf einigen College-Radiosendern laufen wir mal und bei Regionalsendern werden wir in bestimmten Sendungen gespielt, aber ansonsten geht das immer über die Konzerte, es ist wie bei euch, es läuft meistens der ganze Popschrott." Andrew weiß bescheid und besinnt sich auf seine bisherigen Erfahrungen vom deutschen Musikfernsehen. "Da läuft immer diese eine furchtbare Band, Moment wie war das gleich... und während seine Augen aus dem Gesicht treten, brüllt er in ein imaginäres Megaphon ...SCOOTER." Zustimmendes Kopfnicken und Lachen unsererseits und weil wir gerade beim Musikbusiness sind, legt Andrew gleich noch einen nach: "Die Majorlabels brauchen sich nicht wundern und beschweren, dass gerade so viel den Bach runter geht, die Zahlen fuckin’ Lenny Kravitz zehn Millionen Dollar für ein Album, klar dass der Rest auf der Strecke bleibt!" Auf unseren Einwand, dass es inzwischen aber auch vielen kleineren Labels schlecht geht, hat Tom einen nicht ganz unberechtigten Einwand: "Wenn du dir die ganzen Punkkids und Indieleute anschaust, die brennen zwar auch viele CDs, das tun auch wir, aber sie kaufen auch eine ganze Menge an Platten, habt ihr nicht auch eine große Plattensammlung?" Haben wir. "Seht ihr, so schlecht kann es doch dann eigentlich gar nicht laufen."
Ob sie sich noch an ihren letzten Auftritt im K4 erinnern können, fragen wir noch, denn damals war das Konzert ausverkauft und man hat danach jede Menge Lob gehört: "Ja auf jeden Fall, das war unglaublich, bis auf die Straße hinaus standen so viele Leute, aber wir glauben die waren nicht wegen uns da, sondern ausschließlich wegen den DÖDEL HAIEN." Sagt Frontmann Tom und lächelt bescheiden vor sich hin.

Nach dem letztendlich doch sehr kurzen Interview kann man feststellen, dass die Vorabinformationen nicht falsch waren: Tom ist tatsächlich ein sehr zurückhaltender, oft scheuer Zeitgenosse. Stets höflich und freundlich gibt er nur wenig Preis von sich, seiner Art Musik zu machen und auch seiner Meinung. Manche Fragen werden lächelnd unkommentiert gelassen, andere knapp in einem Satz beantwortet und manchmal entfährt ihm auch nur ein schlichtes Achselzucken. So kurz und spärlich die Antworten der Band oft sind, so erscheinen auch ihre Alben, die gerade mal eine Laufzeit von einer halben Stunde oder weniger erreichen und auch die meisten Songs sehen oft die zwei-Minuten-Marke nicht.
Überraschend dann einen Song wie „turn those clapping hands into angry balled fists“ auf dem aktuellen Album „as the eternal cowboy“ zu finden; ein vierminütiger Hit, der in einem kleinen Noise-Chaos endet und bei uns absolute Glücksgefühle auslöst. Darauf angesprochen gibt sich Tom, wie immer bescheiden: "Oh danke, es ist auch mein Lieblingssong. Es steckt aber kein bestimmtes Konzept dahinter, ein ganz normaler Entstehungsprozess, ich hatte diese Idee, kam in den Proberaum und hab’s den anderen vorgespielt und es hat ihnen auch gefallen." Er lässt eben lieber die Musik und seine Texte für sich sprechen. Nach einer abschließenden mehr oder weniger fachmännischen Diskussion über Aufnahme- und Diktiergeräte tun wir es der Band gleich und geben uns dem Bier hin.
Der später folgende Auftritt lässt dann wiederum keine Fragen mehr offen. Schluss mit Country und Akustikgitarren, höchstens der Blues hält noch Einzug in das krachende Konzert von AGAINST ME!, die Albumversionen der Lieder werden schön beiseite gelassen und die vier Amerikaner rocken sich mit einem unglaublichen Tempo durch ihre Songs; Tom kreischt was das Zeug hält, das Publikum tanzt und es entsteht noch mehr Intensität als auf den Platten eh schon vorhanden ist. „sink, Florida, sink!” ist der Opener einer grandiosen Show und Hymnen wie “reinventing Axl Rose“ oder „scream it until you’re coughing up blood“ steigern die Stimmung immer noch ein Stückchen mehr. Als Zugabe gibt es unter anderem „baby, I’m an anarchist“ und so mancher reißt noch einmal mit letzter Kraft seine Faust nach oben. Keine 40 Minuten dann ist das Spektakel vorbei. In der Kürze liegt die Würze, möchte man meinen.

Interview: Michael Streitberger und Sebastian Gloser
Text: Sebastian Gloser


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