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Die Kassierer

"Das ist ja auch tagesformabhängig" (Wolfi zum Thema: Schönheit von Hodensäcken)

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Überall ist es zu lesen: DIE KASSIERER sind 18 geworden. Volljährig also, und das zieht bekanntermaßen Konsequenzen nach sich. Klar, dass sich die Band auch dieser Herausforderung erfolgreich stellt. So ist der neue Longplayer "Männer, Bomben, Satelliten" (Tennage Rebel Records) auf seltsame Art und Weise tatsächlich das bisher ausgereifteste Stück Musik ihrer Karriere.

Grund genug, Sänger Wolfi 'mal auf den Zahn zu fühlen, der unseren Gesprächstermin standesgemäß verpeilt hatte...


Die Dame von WIR SIND HELDEN meinte, ihr habt einen richtig guten Jazzgitarristen in der Band?

Ja, der spielt aber Schlagzeug. Also, manchmal spielt er schon Gitarre, aber überwiegend ist er halt der Schlagzeuger.

Habt ihr denn mit WIR SIND HELDEN irgendetwas zu tun?

Ähm, nein. Ich habe den Namen zwar schon ´mal gehört, aber nicht einmal die geringste musikalische Vorstellung, was sich dahinter verbirgt.

Ach so. Ich dachte, die hätten vielleicht schon mal mit Euch gespielt oder so.

Nein. Ist mir nichts aufgefallen.

Was macht ihr im richtigen Leben?

Wenn ich nicht singe, sitze ich depressiv zu Hause und gucke an die Wand.

Macht das der Rest der Band genauso?

Den sehe ich ja sonst nicht. Ich meine, wir treffen uns bei den Konzerten - aber was die darüber hinaus machen, habe ich keine Ahnung. (Denkpause) Das gute dabei ist, dass wir uns nie streiten. Weil wir uns nie sehen.

Dann probt ihr sozusagen auch nicht?

Selten. Einmal im Jahr oder so.

Was sagen euere Freundinnen und Frauen über die Texte, speziell die der älterer Scheiben?

Die singen teilweise mit. Also von den liierten Frauen gibt es glaube ich keine, die nicht schon mal in irgendeiner Funktion auf Platte zu hören war.

Wer von Euch hat denn den schönsten Hodensack?

(Denkpause) Hmm... wir vergleichen manchmal... und überlegen. Und aus dieser Überlegung heraus ist dann auch das gleichnamige Stück entstanden.

Ihr seid aber noch nicht zu einem definitiven Ergebnis gekommen?

Nee, nee. Das ist ja auch tagesformabhängig.

Fühlt ihr Euch denn irgendwie alleine gelassen in der deutschen Musikszene?

Na ja, es gibt sicherlich Bands, mit denen man befreundet ist oder mit denen man gerne zusammenspielt. Zum Beispiel SONDERSCHULE aus Oberhausen. Oder EMSCHERKURVE 77 und FBI aus Kottbus.

Das rekrutiert sich dann also meist aus der Punkszene.

Ja, schon. Wir haben in den Achtzigern mal mit einer Folkband namens HENLEY STRINGS (oder so ähnlich) gespielt... aber die waren da irgendwie nicht so glücklich darüber.

DIE ÄRZTE sind ja nach ein paar indizierten und "schweinischen" Sachen zu den riesigen Stadionrockern geworden. Könntest Du Dir vorstellen, dass das bei Euch auch noch so läuft?

Unsere Platten werden ja nicht indiziert. Das ganze war ja auch zeitabhängig. Verglichen mit dem, was heute im Kinderprogramm läuft, waren die Indizierungen damals ja ziemlich absurd. Es stellt sich für uns auch die Frage, ob wir überhaupt vor einem großen Publikum spielen wollen. Abgesehen davon sind wir ja auch viel zu alte Säcke, um von unserer jetzigen Situation aus noch abzuheben.

Aber ihr seid schon glücklich mit euerer aktuellen Situation?

Nein. Ich würde viel lieber Ersatzsänger rekrutieren und nur noch Geld aus den Lizenzgebühren kassieren. Irgendwelche Leute, die so ähnlich aussehen wie ich und unsere Konzerte spielen. Dann hätte ich zu hause meine Ruhe, könnte depressiv dasitzen und müsste nicht mehr so weit fahren.

Das heißt, die Konzerte machen euch eigentlich gar keinen Spaß?

Doch, riesigen Spaß! Das ist sozusagen die Grundantinomie eines jeden Musikerlebens.

Insgesamt gibt es aber beim neuen Album eine leichte Tendenz weg vom arg schmuddeligen...

... wir waren nie schmuddelig. Bestenfalls schmutzig. Ich finde außerdem, dass jede Platte ein wohlproportioniertes Verhältnis zwischen Trinken, Sex und Gewalt offeriert.

Der Song "Partylöwe" hat mich ziemlich an Helge Schneider erinnert.

Ja, der macht uns nach. Von rechtlichen Schritten haben wir aber abgesehen. Der ist aus Mühlheim und die Leute aus der unmittelbaren Umgebung lässt man in Ruhe. Außerdem macht er seine Sache ja gut. Auch wenn er auf der Bühne weniger tut als er kann. Der verausgabt sich ja nicht.

Spielt ihr denn im Ausland?

Ich glaube da gibt es gewisse Verständnisschwierigkeiten, die aus unseren recht diffizilen Texten resultieren. Meine Versuche, auf zwei CDs englisch zu singen, sind auch einfach nicht verstanden worden. Der erhoffte Effekt, dass es einfach lustig klingt, wenn einer englisch singt der es offensichtlich nicht kann, ist jedenfalls ausgeblieben. Jetzt spielen wir höchstens im deutschsprachigen Umland.

Was haltet ihr davon, wenn 12-jährige Ministranten von St. Josef in Nürnberg auf Ausflügen Euere Lieder grölen, bis ihnen der Kaplan die Kassette weg nimmt?

Das ist eine äußerst lustige Vorstellung.

Und es ist sogar die Wahrheit.

Das ist wohl die Folge, weil sie in Nürnberg das Komm zugemacht haben. Sonst wären die Leute keine Ministranten, sondern würden da abhängen.

Okay, das waren auch schon unsere Fragen. Gibt es noch ein Schlusswort?

Bochum ist die beschissenste Stadt auf dieser Welt.


Im weiteren Verlauf des Gespräches erklärte uns Wolfi, dass er gerade dabei ist, eine Demonstration dagegen vorzubreiten, dass Bochum sich als Kulturhauptstadt Europas 2010 bewirbt: "Gegen die widerliche Unverfrorenheit, Bochum zur Kulturhauptstadt Europas machen zu wollen". Jede Menge weitere Texte findet ihr auf Wolfis privater Seite spielzeugabteilung.de


Christian Reihe
Michael Streitberger


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