Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

Jahresrückblick 2007, Teil III:

SXSW-Festival in Austin (Texas) vom 14.-17. März 2007

 

sxsw.jpg

Vielleicht hat sich ja der eine oder andere in diesem Jahr auf zum zweiten Reeperbahnfestival gemacht, denn als Vorbild für dieses fungiert das SXSW (=South By Southwest) – Festival, welches seit nunmehr 20 Jahren in Austin (Texas) stattfindet. Natürlich ist die Dimension eine etwas andere, denn in vier Tagen spielen ca. 1.500 Bands und so ist der Touri-Spruch „Everything is bigger in Texas“ doch recht zutreffend.
Bevor ich mit dem kleinen Rückblick anfange, sei noch erwähnt, dass es neben dem eigentlichen Musikfestival, das ab mittags in ca. 40 Clubs stattfindet, noch eine Musikmesse im Convention Center sowie die Postermesse „Flatstock“ gibt. Wem vier Tage konditionell noch nicht genug sind, hat außerdem die Möglichkeit, Teil des kurz vorher stattfindenden Film- und/oder Interactive-Festivals zu sein.

NICOLE ATKINS, die in einem tollen Outdoor-Club namens Mohawk spielte, zählte zum ersten Teil meiner Entdeckungsreise und legte den Anspruch in zweierlei Hinsicht schon mal hoch, denn zum einen hat sie eine atemberaubende Stimme und zum anderen sieht sie dazu noch wunderschön aus. Neben ihren eigenen Songs kredenzte sie noch das Nirvana-Cover 'My Girl' - hier natürlich in einer 'My Boy'-Version, aber wir sind hier ja nicht in Seattle, Jörg.
Wenn wir schon fast von Seattle sprechen, so darf SAY HI (To Your Mom) nicht unerwähnt bleiben, der ja gerade von New York dorthin gezogen ist und seine warmen Songs wie schon im letzten Jahr unter das Volk brachte. Mittlerweile gibt es das aktuelle Album „Impeccable Blahs“, in dem es primär um Vampire geht, ja auch bei uns.
Nun sollte neben den bekannten Austin-Bands wie Trail Of Dead oder Okkervil River natürlich auch eine völlig neue entdeckt werden und diese heißen CRASH GALLERY, die ich mir dann aufgrund ihrer Großartigkeit 3 (!) Mal anschaute. Ein Album haben sie zwar noch nicht, aber jede Menge Energie und gute Songs, wobei sich der völlig durchgeknallte Sänger auch mal an die Decke hängt. Musikalisch würde ich sagen The Killers auf Punkrock!
Als nächstes standen die New Yorker THE WALKMEN auf meinem Zettel und auf der Bühne. Die etwas arrogante Art des Sängers war mir gleich sympathisch, es war mal wieder richtig voll und sie haben etwas sehr eigenständiges, wonach sich andere Bands die Finger lecken würden. Darum ist es mir doch sehr unverständlich, dass sie es noch nie bis nach Europa geschafft haben. Immerhin haben sie gerade ihr drittes Album veröffentlicht.

Hatte ich schon erwähnt, dass es in Austin mit Waterloo Records einen großartigen Plattenladen gibt? Nach meinem Favoriten Sonic Boom in Seattle zählt dieser zu den besten mir bekannten Läden und ist auf jeden Fall um Klassen besser als die kalten, sterilen und schlecht sortierten Läden in unserem Lande. ALBERT HAMMOND JR., der Strokes-Gitarrist, fand sich zu einem Instore-Gig ein, der einmal mehr bewies, dass die Songs seines Solo-Albums wirklich gut sind. Ich kenne viele Frauen, die es den Strokes-Alben sogar vorziehen…
Kennt jemand eigentlich die großartigen CLOUD CULT? Sie haben gerade ihr viertes Album „The Meaning Of 8“ veröffentlicht und sind eine sehr eigene Mischung, was nicht nur an den beiden Malern auf der Bühne liegt, die während der Show ihr reiches Talent unter Beweis stellen, sondern vielmehr an ihrer kruden Kombination elektronischer Sounds, Trompeten-Schnipsel und den tollen Songs. Diese Band macht es einem sicher nicht leicht, zeigt aber, dass sich Bands auch mal etwas einfallen lassen dürfen.
Im Ritz spielten dann noch die New Yorker ROBBERS ON HIGH STREET. Ihr Gespür für Melodien erinnert hier und da an die Beatles, aber sie schaffen eine mehr als eigene Note und verwähren sich jeglicher Trend-Anbiederei. Gleich nebenan spielten AQUEDUCT, die auf dem tollen Barsuk-Label sind, und von einem großartigen Stand-Up-Comedian, dessen Name mir aber leider entfallen ist, angesagt wurden. Sie legten dann gleich mal mit einem Cover von "I'm So Excited" der Pointer Sisters los, bevor sie Songs ihrer beiden Alben spielten. AQUEDUCT zählten ohne Zweifel zu den Entdeckungen des diesjährigen SXSW: Sie machen Spaß, haben tolle Songs und eine ebensolche Ausstrahlung.

Meine Punkrock-Zeiten sind zwar schon etwas länger her, aber was viele heute darunter verstehen, kapier ich eh nicht. THE COPS aus Seattle (!) sind dagegen richtig gut und erinnern doch am ehesten an das, was Punkrock der End-70er Schule auszeichnet.
LITTLE BRAZIL folgten auf dem Fuße und machten zumindest energiemässig da weiter, wo die COPS aufgehört hatten. Bühnenpräsenz und -Performance hat in den USA eh einen ganz anderen Stellenwert. LITTLE BRAZIL spielten ziemlich viele neue Songs ihres zweiten Albums. Die Band stammt aus Omaha, Nebraska und ist tatsächlich nicht auf Saddle Creek, was um so mehr verwundert, da sie zum einen Cursive auf jung nicht unähnlich sind und der Sänger zum anderen mal in einer Band mit Conor Oberst war.

Die Höhepunkte des letzten Abends sollten dann aber erst noch folgen, denn es standen die PRESIDENTS OF THE UNITED STATES OF AMERICA sowie CURSIVE an. Beide Bands waren super und die PRESIDENTS waren natürlich die Gewinner des gesammten SXSW. SPIELFREUDE gepaart mit HUMOR wird groß geschrieben und die Fans tickten völlig aus. Hatte ich schon gedacht, dass ich einigermaßen textsicher bin, so musste ich mich eines Besseren belehren lassen und als Tölpel des Abends durchgehen. Klar wurden alle Hits wie 'Numb', 'Peaches', 'Volcano', 'Video Killed The Radio Star' gespielt und es ist mehr als schade, dass die PRESIDENTS so selten auf Tour gehen, vor allem in Europa natürlich. Zuletzt haben sie in ihrer Heimatstadt Seattle 3 x die Showbox ausverkauft, wo Bright Eyes dies immerhin nur 1 x schafften.
CURSIVE beschlossen dann den Abend in der Beauty Bar Patio und auch wenn die Musik sehr anders ist, so konnte sich Tim Kasher nicht über mangelnde Stimmung beklagen. Während des Gigs rannte er einfach mal raus, um auch kurz die vor der Zelttür Wartenden einzubeziehen. GROSS und die beste Show, die ich bisher von ihnen gesehen habe.

Also, wer schon immer mal einen kleinen Urlaub in den USA machen wollte, sollte das SXSW-Festival unbedingt in die Planung integrieren, um großartige neue Bands zu entdecken. Mein Flug ist natürlich auch schon wieder gebucht.


Author: Jörg Tresp

Jörg ist Betreiber des Hamburger Labels Devil Duck Records (u.a. Karamel, Friska Viljor, Mr. Brown, Murder, Siva) sowie der gleichnamigen Promotion Agentur.
Desweiteren veranstaltet er im Rahmen der Samplerreihe "About Songs" (deren bislang zwei Teile ebenfalls über Devil Duck Records erschienen sind) Konzerte in Hamburg.


verwandte Artikel bei sellfish.de:


ERROR!