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Reeperbahnfestival 2007

++ der Nachbericht +++ der Nachbericht +++ der Nachbericht +++ der

 

In Hamburg ging Ende September das Reeperbahn-Festival in die zweite Runde. Wir waren auch in diesem Jahr wieder zwischen Spielbudenplatz und Feldstraße unterwegs und haben dabei versucht, die Qualen der Wahlen möglichst gering zu halten. Denn auch wenn die Anzahl an auftretenden Bands diesmal im Vergleich zum Vorjahr auf 131 verschlankt wurde, gab es doch wieder reichlich Zwickmühlen zu bewältigen, so musste zum Beispiel schweren Herzens auf Acts wie Ash, Friska Viljor oder Schrottgrenze verzichtet werden.

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Im Molotov boten zunächst Lichter aus Köln ihren angenehmen, immer etwas vertrackten Indie-Pop souverän aber unaufdringlich dar, der sehr wohlwollend vom Publikum aufgenommen wurde. Danach wurde schnell der Gang in das 100 Meter entfernte Docks angetreten, wo Karpatenhund, ebenfalls aus Köln, schon auf der Bühne standen. Bestehend aus Teilen von Locas in Love und der Schauspielerin Claire Oelkers gaben sie eine grundsolide Rockshow inklusive Handclappings und Konfetti-Regen zum Besten. Das war der Lokalität auch durchaus angemessen und ergab zusammen mit den flotten Popsongs ein gelungenen Auftritt.

Auf dem Weg zurück ins Molotov kamen mir aus dem Kukuun so schöne Gitarrenklänge entgegen, dass ich kurzerhand einen Blick hineinwarf. Drinnen stand Salim Nourallah mit einer Akustik-Gitarre in den Händen auf einer winzig-kleinen Bühne. Beeindruckend, wie sich der Mann aus Dallas darauf verstand, eine intime Atmosphäre zwischen sich und geschätzten zehn Zuschauern aufzubauen. Die bekamen verzückt von den zarten Songs auch die richtigen Ratschläge mit auf den Weg: „You gotta love this life!“.

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Da die Cribs einen Fernsehauftritt in der Heimat bevorzugten, mussten The Audience aus Hersbruck als Ersatz anrücken – und bewältigten ihre Aufgabe durchweg sehr gut. Soulgetränkte Rock`n`Roll-Songs wie „Boma Ye“ oder „JFK“ animierten die Tanzbeine mit zunehmender Spieldauer. Leider fanden sich die Zuschauer nur sehr spärlich ein, was sich mit dem folgenden Auftritt der Pigeon Detectives aber schlagartig ändern sollte. Das gefühlte halbe Publikum bestand aus Briten, die zusammen mit ihren Helden eine riesige Party feierten und das Molotov in eine Sauna verwandelten. Dazu lieferte die Band die passende Partymusik, die Songs blieben dabei allerdings so austauschbar und irrelevant wie die Bühnenshow.

Die heimlichen Helden des Festivals hießen diesmal The Kissaway Trail. Mit drei Gitarren zauberten die jungen Dänen einen beeindruckenden Sound in den Grünen Jäger. Es dürfte noch nicht vielen Bands gelungen sein, dort eine solche Atmosphäre zu entfachen - da brauchen sie sich vor klangverwandten Bands wie Death Cab for Cutie nicht verstecken.

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Die Energie, die von The International Noise Conspiracy wiederum ausgeht, ist kaum in Worte zu fassen. Während des gut 80-minütigen Auftritts verringerte sich der Bewegungsdrang der Schweden praktisch nicht. Am agilsten auf der Bühne war wie immer Fronthüpfer Dennis Lyxzén. Die zahlreichen Songs vom kommenden Album (mit markigen Titeln wie „Hiroshima, Mon Amour“) fügten sich dabei nahtlos ins Set ein, doch kamen die älteren Kracher der Marke „Smash It Up“ oder „Capitalism Stole My Virginity“ erwartungsgemäß am Besten an.

Während zeitweilig 2000 Kehlen noch von der Revolution sangen, machte sich in mir langsam Vorfreude auf die Stars breit. Leider wird mir das mittlerweile achte Konzert der Kanadier auch als ihr schlechtestes in Erinnerung bleiben - was zu einem großen Teil dem unterirdischen Sound zu verdanken war. Bei so einer klangfrohen Band ist es eben fatal, wenn Torquill Campbells Stimme oder ganze Instrumente nicht zu hören sind. Glücklicherweise besserte sich das mit zunehmender Spieldauer noch, so dass sich zeigte, dass auch die opulenten Songs vom aktuellen Album „In Our Bedroom After The War“ live sehr hörenswert sind.

Der Samstag sollte dann ganz im Zeichen des Knust stehen. Dort machten die Figurines aus Dänemark zu Beginn eine etwas hölzerne Figur. Look und Sound extrem retro, schien ihnen der nötige Elan an diesem Tag leider ein wenig gefehlt zu haben. Nicht weniger retro, aber umso besser gelaunt betraten dann The Cu.., Verzeihung, die Shout Out Louds das Rampenlicht. Überragender Sound und fröhliche Stimmung vor und auf der Bühne - das nennt man wohl einen perfekten Auftritt. Auch wenn sie mit ihren Songs die Geschichte der Popmusik nicht umschreiben werden, die Schweden haben vom grandiosen Opener „Time Left For Love“, bis zum finalen und buchstäblichen „Very Loud“ vor allem ein untrügliches Gespür für eines: Hits, Hits, Hits!

Leider lichteten sich die Reihen bei den nachfolgenden Zimmermännern dann schlagartig – zu unrecht. Die legendäre Hamburger Band um Detlef Diederichsen und Timo Blunck gefiel mit tollen Songs, humorvollen Ansagen und dem beeindruckenden Dauertanz von „Zimmerfrau“ Britta Blunck. Da darf man dann auch mal leicht größenwahnsinnig „Jesus war ein Zimmermann“ verkünden!

Text: Dominik Waßerloos
Fotos: Jan Pyko und Nina G. Zimmermann


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