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Rock en Seine 2006

 

Rock en Seine (25./26.08.2006)

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Ein erstklassiges Line-Up und ein mit knapp 70 Euronen doch recht günstiger Preis ergaben ein attraktives Paket und somit machte ich in diesem Jahr im Prä-Urlaub Zwischenstopp in Paris.
Zunächst einmal war ich sehr überrascht wie gesittet sich die Leute dort, selbst auf einem Festival dieser Größenordnung, benahmen. Im Gegensatz zu Events dieser Art im heimischen Germanien ähnelte die Veranstaltung nämlich nicht einem riesigen Massenbesäufnis - mir ist tatsächlich nicht ein Volltrunkener negativ aufgefallen. Pluspunkt, allerdings wurde mir später erst bewusst warum hier zumindest einige doch sehr entspannt waren.


Vendredi, 25 Aout 2006


Während ich zunächst mehr das allgemeine Treiben beobachtete, konnte ich dabei den Klängen von Calexico lauschen. Haben mich nicht wirklich mitgerissen, allerdings kannte ich von den Texanern bis dato auch nur ungefähr…äh..nichts!
Es gibt Bands, für die ich mir gerne das Gesicht von der Nachmittagssonne verbrennen lasse, und eine davon ist Nada Surf - also raus aus dem schattigen Unterschlupf und ab in den Pulk. Die französischen Ansagen habe ich zwar nicht verstanden, aber den Reaktionen nach zu urteilen waren sie sehr unterhaltend, so auch die Musik. Wie ich schon in Nürnberg feststellen konnte befindet sich die Band gerade in der Form ihres Lebens. Schön anzusehen, dass diese Sympathikusse endlich den verdienten Erfolg bekommen. Beim finalen Song kamen dann auch noch Calexico-Bläser auf die Bühne!
Dann schnell rüber zur „Scène de la Cascade“, um Clap Your Hands Say Yeah (aufgrund von Überfüllung trotzdem nur noch auf der Leinwand und für wenige Songs) zu begutachten. Nun ja, zum Auftritt wie zur Musik der New Yorker kann ich nur sagen: Ganz nett, mehr nicht.
Also schnell zurück zur großen Bühne, um mit den vor Spielfreude nur so sprudelnden Dirty Pretty Things zu rocken. Barat&Co hatten sichtlich Spaß auf der Bühne und der erstklassige Gitarrensound tat sein übriges. Und neben den Songs vom Debüt-Album gab es auch noch den Libertines-Gassenhauer „Up the bracket“ und spätestens ab diesem Zeitpunkt in der Audience kein Halten mehr.
Positiv überrascht wurde ich dann von Kasabian: Den Sonnenbrillen und dem Bühnengehabe nach zu urteilen, waren die Typen zwar breit bis in sämtliche Haarspitzen, dafür gab es dann aber auch eine sehr amüsante und kurzweilige Show zu sehen. Sehr viel versprechend hörte sich auch die neue Single an.
Indes wurde mir nach und nach bewusst warum alle um mich herum so relaxt waren – unglaublich, wie viele Tüten da ihre Kreise gezogen haben!
Der Space-Rock´n´Roll von TV On The Radio war für manche THC-selige Nase dann genau das Richtige und wurde folglich vom Publikum sehr wohlwollend aufgenommen. Mich hingegen konnte das Ganze nicht so richtig begeistern. Den Raconteurs für zwei Songs gelauscht, meine bescheidene Meinung: Belanglos!
Dann doch lieber rechtzeitig vor der Hauptbühne einfinden um König Morrissey zu sehen, zu hören, zu riechen und zu berühren. Die zwei letzten Vorsätze konnten nicht umgesetzt weil um mich herum nur volltrunkene Engländer (jeglichen Alters und Promillegehaltes) Alkoholgeruch verbreiteten und Morrissey leider unerreicht bleiben sollte. Wie schon bei RIP „Panic“ als veritabler Kickstart - weitere Smiths-Hits und überwiegend Songs der letzten zwei Solo-Alben folgten. Erleuchtet ging der Schreiberling zeitig in sein Hostel, schließlich sollte Gott, nachfolgend mit „Radiohead“ bezeichnet, am nächsten Tagen aufspielen.


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Samedi, 26. Aout 2006


Am zweiten Tag ging es mit Broken Social Scene los, die sich in absoluter Spiellaune präsentierten. Sehr amüsant auch immer wieder die Ansagen: „The next song is dedicated to Zinedine Zidane, we really understand his motives, it´s called: “Fire eyed boy””.
Leider nicht ganz so begeisternd wie beim Immergut - zu hell für diese Band und der Auftritt zu kurz, aber das kann man ihr ja nicht vorwerfen. Und wo zum Teufel war Amy Milan? (Mein Herz es brach in Stücke links und rechts!)
Von Taking Back Sunday habe ich noch die letzten drei Songs mitbekommen, und diese waren, um es deutlich zu sagen, unglaublich schlecht. Peinliche Ansagen und 08/15-Kinderpunk-Gitarren, nicht meine Emo-Welt, das.
Phoenix haben mich dagegen diesmal vollends überzeugt mit ihren luftigen Hüftwackelpop, vielleicht lag es am Heimspiel dass die Jungs diesmal endlich auch ein wenig Regung auf der Bühne zeigten.
Tanzen lies es sich dann auch sehr gut zu The Dead 60´s, allerdings sind diese Ska-Elemente not my cup of tea. Danach dann direkt den Weg vor die Bühne angetreten um Thom Yorke, und dem Rest der besten britischen Band der Welt möglichst nah zu sein.
Von Beck habe ich auch aufgrund der Scientology-Geschichte eher weniger erwartet, die dann kommende Bühnenshow war aber ehrlich gesagt die beste des gesamten Festivals.
Marionetten-Puppen(!) im Look der Musiker mitsamt deren Instrumentarium stimmten in „Looser“ ein, während das Songs kam dann die Band und das Band wechselte in den Original-Sound über. Amtlicher Auftritt mit super Sound und Hits aus sämtlichen Schaffensphasen. Zwischendurch waren die Musiker plötzlich verschwunden und es wurde ein Video gezeigt, in dem besagte Puppen am Eiffelturm und an der Seine zu sehen sind wie sie Dosenbier trinken und Passanten anpöbeln. Beim Versuch, in den Radiohead-Proberaum zu gelangen, werden sie dann von derartigen Gitarrenwänden umgeblasen, dass man sie nur noch torkelnd und „Karma Police“-singend abziehen sieht. Großartig, nicht nur der hier Schreibende hat sich gebogen vor Lachen.
Die Briten und ich, das ist so eine Sache. Diesmal durfte ich mich über so einen Inselaffen ärgern der neben meinem Hosenbein in seine Dose gepinkelt hat, ich befürchte leider nicht immer sehr treffsicher.
Gefühlte Reihe 30 für 2 ½ Stunden Wartezeit, ist das jetzt gut oder schlecht? Mir hat es jedenfalls hin und wieder die Sicht genommen was dann doch sehr ärgerlich war. Und dann nach einer gefühlten Ewigkeit kam die Band die mir einige der Konzerte meines Lebens verschaffte (remember 11. September 2001 in Berlin): Radiohead. Geschätzte 40000 Zuschauer und somit die größte Crowd, der ich bis dato beigewohnt habe. Unglaublich diese neue Lichtshow, unglaublich die neuen Songs, unglaublich die alten Songs - Ich kann auch diesmal nicht in Worte fassen was selbst erlebt und gesehen werden muss. Es war leider viel zu kurz (um halb zwölf musste Ruhe sein, die Polizei wollte wohl schlafen) und somit fehlten auch sooooo viele Lieder, die eigentlich gespielt werden müssen. Nach einem sterbensschönen „Karma Police“ gingen dann schon die Lichter wieder an und aus die Maus.
Da ich atmosphärisch wohl bisher kein schöneres Festival erlebt habe, ist es gar nicht so unwahrscheinlich dass ich mich (bei entsprechendem Aufgebot) auch nächstes Jahr wieder in Paris einfinden werde.

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Fotos: Dominik Waßerloos / Logo: Pressefreigabe


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