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Sugarplum Fairy Interview

Durchschnittsborlänger mit Talent

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Man hat es fast satt: die unzähligen Artikel, die damit beginnen, dass sich der Autor verwundert die Augen reibt, was denn da alles Großartiges aus Schweden kommt. Gerade so, als sei Schweden von Geburt an musiktechnisch unterentwickelt und es müsse von daher als Wunder gelten, dass das Kind überhaupt laufen könne. Dem ist Mitnichten so. Was Schweden von anderen Ländern abhebt, sind vor allem zwei Dinge: die staatlich fast schon übersubventionierte Nachwuchsförderung und die Natur. Sugarplum fairy haben von beidem jedoch eher weniger genossen. „Borlänge ist eine kleine Industriestadt in der Mitte Schwedens. Ziemlich langweilig.“, sagt Victor Norén, Sänger und Gitarrist der Band.

Und weil Langeweile eben auch Kreativität hervorbringen kann, hat man sich Ende der Neunziger flugs zusammen getan, ohne große Kenntnisse von Instrumenten eine Band gegründet, unzählige male Oasis Songs gecovert und schließlich eigene Songs geschrieben. Womit sich auch gleich ein Major-Plattenvertrag an Land ziehen ließ. Wer da nicht größenwahnsinnig wird, hat wahrscheinlich zu wenig Rock’n Roll in seinen Adern. „Für jemanden in unserem Alter, anfang zwanzig, ist das ein einziger Traum, klar. Welcher Junge träumt da nicht von?“ Vielleicht die Borlänger? „Nein. Eigentlich wollen alle Einwohner dieser Stadt berühmt werden, aber kaum einer hat den Mut, das auch laut zu sagen!“

Victor Norén jedenfalls hat kein Problem damit laut auszusprechen, was er denkt. Dafür ist er viel zu sehr mit dem Rock’n Roll Virus infiziert. Außerdem scheint es in der Familie zu liegen, denn Victor und Carl Norén spielen bei Sugarplum fairy, Bruder Gustaf bei Mando Diao, Schwedens derzeit erfolgreichstem Rock’n Roll-Export. Inwieweit es sich verträgt, wenn sich innerhalb der Familie jeder einzelne Bruder selbst als Rock’n Roll Inkarnation sieht und den Geschwistern damit die Show zu stehlen versucht, das kann mir Victor nicht erklären. Um ehrlich zu sein: ich habe ihn auch nicht gefragt. Ähnlich wie bei den Gallagher Brüdern hätte ich wahrscheinlich eine patzige Antwort bekommen. Denn wenn die Herren Norén eins nicht leiden können, dann sind das die ewigen Vergleiche untereinander. „Gustaf hilft uns wo er kann, aber letzten endes machen wir hier unser eigenes Ding.“, sagt Victor. Und beläßt es dabei.

Dabei muss er sich keineswegs hinter seinem Bruder verstecken. Denn wo Mando Diao noch ein Album brauchten, um sich warm zu laufen, da steigen Sugarplum Fairy voll ein. Dauerrotationen im Musikfernsehen, Radio, Promotiontermine (an diesem Tag mindestens vier Interviews). Für die Jungs aber kein Streß, wie Victor mir glauben macht. „Wenn man ein Album veröffentlicht, dann geht man eben auf Tour, das ist ganz natürlich. Man schläft im Tourbus, kommt am Veranstaltungsort an und fährt dann weiter. Eigentlich ziemlich einfach das ganze. Es wäre stressiger, die ganze Zeit nur zuhause zu sitzen. Man muss einfach etwas machen, man kann nicht nur zuhause rumsitzen. Und das ist eben eine wunderbare Form der Arbeit.“

Ein Arbeit, die Früchte trägt. Und üble Nebenerscheinungen erzeugt. Sämtliche Teenie-Magazine, allen voran die BRAVO, schreiben bereits fleißig über die fünf Borlänger. Da kann der Pop-Appeal, den die Jungs mit sich herumtragen, schnell mal zum Damoklesschwert werden. „Natürlich ist das etwas unangenehm.“, nickt Victor, „gerade weil die heutige Definition von Pop-Musik eine ganz andere ist als unsere. Wir haben immer ursprüngliche, originale Popmusik gehört. Wie die Beatles, Four Tops, Pop-Musik aus den Sechzigern eben. Heutzutage bedeutet Pop-Musik Britney Spears, leider.“

So schnell wird man sich allerdings wohl nicht von dieser Stilrichtung verabschieden. Zu lukrativ ist sie wohl im Moment. Auch in kreativer Hinsicht. Denn was Zukunftspläne angeht, da hat Victor ganz genaue Vorstellungen im Kopf: „Wir werden ein neues Album Anfang nächsten Jahres veröffentlichen. Wir nehmen gerade hier und da Demos auf. Außerdem werden wir Festivals spielen. Wir wollen zumindest die ersten drei Alben so schnell hintereinander veröffentlichen wie möglich. Dann kann man erstmal Pause machen. Heutzutage nehmen sich Bands am Anfang fast drei jahre Auszeit, was ich überhaupt nicht verstehen kann. Man muss doch die Musik am Leben erhalten. Wenn man dann so eine lange Pause macht, stirbt die Magie dieser Musik irgendwie. Wir veröffentlichen lieber zwanzig Alben als sechs.“

Diese Rechnung dürfte nicht nur aufgehen, sie dürfte auch der Plattenfirma und allen voran den Fans gefallen.

Interview+Text: Robert Heldner


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