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Björk

Drawing Restraint 9

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Björks neues Werk, nur wenige Monate nach „Medulla“ erschienen, ist in erster Linie ein Soundtrack. Und auch als solcher zu betrachten. Zwar fällt es schwer, den Wert von „Drawing Restraint 9“ zu schätzen, wenn man das monumentale Hauptwerk Matthew Barney’s, Björks Ehemann und künstlerischer Gegenpart, noch nicht gesehen hat. Aber Musik muss schließlich auch ohne einen zweieinhalb Stunden langen Film über das Walfangen auskommen. Und das tut sie. Wenn auch so sperrig wie es nur eben geht. Im Mittelpunkt der Instrumentierung steht ein japanisches Instrument namens Sheng. Es ist ein sogenanntes Zungendurchschlaginstrument, eines der ältesten japanischen Instrumente, und klingt in etwa wie eine Taschenorgel. Also ziemlich absurd. Entrückt. Björk, die auf diesem Album selten singt, vielmehr produziert und arrangiert hat, ist sichtlich bemüht, die japanische Tradition und Kultur in den Mittelpunkt zu rücken. Das allein ist ihr hoch anzurechnen. Dass sie es aber tatsächlich schafft, diese für uns Europäer mehr als fremdartige Kultur auch ein wenig greifbarer zu machen, ist der größte Verdienst. Björk zeichnet Bilder, die man höchstens in seinen Träumen mal vor Augen hatte. Und die dennoch auf surreale Weise in die Realität transportiert wurden. Man kann es fast sehen: wie bei „Storm“ ein ebendieser über einen großen Walfängers peitscht und das Wasser über das Deck spült. Über allem: Björks energischer, ganz und gar nicht elfengleicher Gesang, der den Horizont malt, vor dem sich diese ganze tragische Szenerie abspielt. Spätestens hier vermisst man den dazugehörigen halb Dokumentar-, halb Experimentalfilm.
Bei „Holographic Entrypoint“, einem ausschließlich auf japanisch vorgetragenen Gesang (die englische Übersetzung befindet sich im Booklet!), tritt dann das zutage, was Björk wohl ebenso beabsichtigt wie befürchtet hat. Spätestens hier nämlich dürfte sich der ungeduldige Mitteleuropäer von diesem Album verabschieden. Die Ruhe hat man wohl einfach nicht, sich einem neunminütigen, auf eine Stimme reduzierten, japanischen Gedicht zu widmen.
Dabei ist Björks ganzes Album mehr als Musik: es ist ein Handschlag zwischen den Kulturen, ein tiefes Verständnis von Natur und Kultur. Schon deshalb ist es für die meisten Menschen nicht zu greifen. Weil ihnen dieses Verständnis schlicht fehlt. Mir auch! Trotzdem 9 Punkte ...


/ Spielzeit: 52:06 / Experimental

Robert Heldner


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