Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

FFF - Reloaded in Berlin: I

They Came Back / Ab-Normal Beauty / The Devil’s Rejects / Body Confusion

theycameback.jpg

ja wohin laufen sie denn...

Zu Beginn steht eine Rathaussitzung, in der erläutert wird, dass alle Toten der letzten zehn Jahre wieder auferstanden sind und wie nun mit der Situation verfahren werden soll. Es werden Notlager zum Übernachten gebildet, die Toten nach und nach wieder in Gesellschaft und Arbeit integriert und schlussendlich zu ihren Familien zurückgeführt. Dies alles geschieht for real - keine Satire, kein Thriller. In der ersten Stunde ist They Came Back eher eine Reflexion, ein Drama, eine Parabel und nur ganz subtil werden erste Brüche sichtbar bis nach und nach sich ein Thriller anbahnt, der aber doch wieder nicht auf ein zu erwartendes Ende zusteuert, sondern den Schluss ebenso rätselhaft erscheinen lässt, wie den Beginn, die Ursache. I can see clearly now. Not. Die Kunst der Andeutung, ein subtil einfließendes Misstrauen, der Bruch in der Familie - im Prinzip weiß man nicht, WAS man gerade gesehen hat, aber es hat erstaunlich gut gefallen und beweist den Mut, ein Film für niemanden zu sein: wer Familiendramen will, wird sich bei dieser Ausgangsstory nicht dafür interessieren, wem die Ausgangsstory gefällt, der erwartet entweder gorehoundigen Horror, Satire & Parodie wie Shaun Of The Dead oder eben: Trash. They Came Back ist nichts, rein gar nichts von obigem. Und trotzdem - oder gerade deshalb: eine angenehme, erstaunliche Überraschung.

abnormal004.jpg

Urlaubsfotos? Landschaftsaufnahmen? Nein!

„Mal wieder ein typisches Pang-Picture!“ beißt man frustriert in die Popcorntüte und verlässt das Kino. Die Gebrüder Pang, die mit Bangkok Dangerous vor fünf Jahren ihren Durchbruch erlebten, haben zweifellos ein Talent, Bilder zu finden, scheitern aber doch Mal um Mal daran, adäquate Geschichten zu erzählen. Sie haben die Bilder, aber nicht die Sprache. Besonders augenfälllig wird das in Ab-Normal Beauty, dessen Hauptfigur eine junge Meisterfotografin ist, die anfangs durch Zufall, nach und nach aber immer obsessiver, Fotos vom Moment des Todes schießt. In der hervorragenden ersten halben Stunde entwickelt Ab-Normal Beauty auch einen Fluss, einen Sog: man begleitet Jiney auf Motivsuche, sieht durch ihre Augen die Schönheit im Hässlichen und kann selbst ihre Faszination in Bildern des Todes noch nachvollziehen. Aber mit jeder weiteren halben Stunde Film verliert Oxide Pang mehr das Gefühl für den richtigen Ton, den er anfangs doch so hervorragend getroffen hatte, bis zusätzlich noch eine gänzlich überflüssige, von weitem absehbare Snuff-Schlusssequenz hallo sagt. Gerade von der Fallhöhe der wunderschönen ersten 30 Minuten ausgesehen ist Ab-Normal Beauty eine einzige Enttäuschung, weil letztendlich nicht mehr als schnöder Durchschnitt.

devils04_300dpi.jpg

Marilyn Manson damals in Braveheart - oder doch nicht?

The Devil’s Rejects - wie man sich täuschen kann oder in einem Wort: wow! Diese „Das Haus der 1000 Leichen“ - Fortsetzung ist einsamer Höhepunkt des Fantasy Film Fests und hätte vollauf die Centerpiece-Stelle verdient gehabt. Die Story ist einfach: die Firefly-Familie wird aus ihrem Haus (der tausend Leichen) vertrieben, schafft aber die Flucht und zieht mordend durch die Straßen des heißen, südlichen Amerikas. Rob Zombie hat einen Film geliefert, der in keiner Sekunde Trash ist und es trotz Story und Figuren(über)zeichnung, die selbstredend immer mit einem Hackebeilchen auf der Parodie/Satire -Seite steht, meisterhaft verstanden, seine Figuren ernst zu nehmen, ja in gewisser Weise tatsächlich bis zum Bonnie & Clyde - Showdown Empathie für diese Monster der Brutalität zu schaffen. Dass Zombie ein Fan der 70er Jahre, der großen Zeit des Horrorfilms ist, atmet Devil’s Rejects aus jeder Pore – gerade die flirrende Hitze, die staubtrockene Atmosphäre, der dirty grip on reality, den Texas Chainsaw Massacre damals so unvermutet in die Horrorlandschaft schleuderte, wird von Devil’s Rejects aufgenommen und verfeinert. Dabei sind zwei Dinge elementar: die herausragend guten Schauspieler schaffen die Balance zwischen der durch die Figuren bedingten Absurdität und der grobkörnig realistischen Filmweise sowie Zombies Einsatz eines 70er Jahre American Rock / Americana Soundtracks, der sich wohltuend von dem üblichen Nu-Metal/ Gothic/ Industrial-Gestampfe und – Geschreie absetzt. Ironisch, dass ausgerechnet Rob Zombie kommen musste, um das dem amerikanischen Horrorfilm zu zeigen. The Devils’s Rejects: one helluva film.

body011.jpg

Sind die von der Versicherung? Wohl eher nicht.

Body Confusion ist ein spanischer Vertreter des Film-im-Film-Genres, aber the other way round: wo normalerweise bei Film-im-Film-Movies Schauspieler Schauspieler spielen, die gerade in einem Film spielen, komplettiert Body Confusion die Verwirrung, in dem seine Hauptrolle eine Filmfigur ist, die ins real life übertritt und dort seinen eigenen Darsteller spielt, der die Filmfigur spielt. In einigen hübschen Szenen mit netten Ideen wird mit der Begrenztheit des Kinos geflirtet, in dem die Filmfigur, die vor Klischees strotzt (korrupter und bankrotter Cop, der Drogen nimmt und kurz vor der Scheidung steht), sich im wirklichen Leben nicht von den ihm auf den leibgeschriebenen Marotten lösen kann. Doch außer einigen satirischen Seitenhieben auf die Filmindustrie bietet Body Confusion zu wenig, um zu unterhalten: das ist kein Drama, schon gar kein Thriller und die Komödie lodert nur auf kleiner Flamme.

Christian Ihle


ERROR!