Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

Two Gallants Interview

Dicke Freunde

01_lg.jpg

Der Ort der Begegnung ist ungewöhnlich, in mehrfacher Hinsicht. Für uns ist Brüssel ein neues Pflaster, das La Botanique ein mehr als außergewöhnlicher Veranstaltungsort (ein zum Konzertsaal umgebautes Kinos). Ungewöhnlich ist auch die Band, auf die wir treffen: Two Gallants. Zwei Mitzwanziger, die von außen etwas abgewetzt und müde aussehen, und im Inneren wohl etwas gereizt. Jedenfalls knallt Drummer Tyson Vogel zur Begrüßung wütend den Stuhl auf den Boden, eine Geste, die uns zusammenzucken lässt.

„Are you Okay?“, fragt Sänger und Gitarrist Adam Stephens. Mürrisch knurrt Tyson vor sich hin. Die beiden sind es also, die Band Two Gallants. Viel hat man auf dieser Seite des Atlantiks noch nicht von ihnen gehört. In San Francisco, woher die beiden stammen und wohin sie von ihren langen Reisen auch immer wieder zurückkehren, sieht das vielleicht ein klein wenig anders aus. Dort fing alles an, mit Straßenkonzerte vor einer S-Bahn-Station, mitten im hispanischen Viertel. „Las Cruces jail“, ein Song auf dem Mitte Februar erscheinenden Album „What the toll tells“, ist Zeugnis dieser Zeit.

Lange hat man sich allerdings nicht auf den Straßen herumgetrieben. Nach einem ersten Album auf einem amerikanischem Minilabel, ist man jetzt, wie sollte es anders sein, bei Saddle-Creek gelandet. Da passen die zwei auch wunderbar hin. Etwas verschroben, kauzig, maulfaul und durch und durch mit Musik vollgesogen wie ein nasser Schwamm. Ihre Mischung auf Folk-, Punk- und Country ist ungewöhnlich, vor allem in dieser Zwei-Mann-Besetzung. Und ganz großartig! Mit Saddle-Creek, hofft man, kann sich das ganze auch zur genüge entfalten.

Wie kam es zu diesem Saddle-Creek Kontakt? Wie seit ihr da gelandet?

TysonVogel: Wir sind anderthalb Jahre mehr so rumgetingelt. Die erste Show mit einer Saddle-Creek Band war mit Beep-Beep. So haben wir auch Robb Nansel kennen gelernt, der mehr oder weniger das Label Saddle-Creek führt. Ein sehr netter Mensch, er ist auf all unseren Shows gewesen.

War es für euch ein Label wie jedes andere auch?

Adam Stephens: Wir kannten eigentlich kaum Bands von Saddle-Creek. Im Grunde war es wie jedes andere Indie-Label auch. Mit dem Unterschied, dass wirklich alle Beteiligten dort durch die Bank unglaublich nette Menschen sind. Und als es dann schließlich daran ging, einen Vertrag zu unterzeichnen, lief alles ganz reibungslos und einfach ab. Und man hat uns immer wieder klar gemacht, dass die Entscheidungen bei uns liegen werden, über jede künstlerische oder sonstige Belange, die mit Two Gallants zu tun haben.

Ihr wohnt nicht in Omaha?
Stephens: Wir leben in San Francisco. Das Unterscheidet sich von Omaha natürlich gewaltig.

Wie ist das Album entstanden?
Stephens: Wir haben das Album bei uns zuhause in San Francisco aufgenommen. Man hatte uns zwar angeboten, nach Omaha zu gehen und es dort aufzunehmen, aber das haben wir abgelehnt. Einen wirklichen Produzenten hatten wir nicht, aber uns geholfen hat Scott Solter im Tiny Telephone Studio in San Francisco.

Die Musikpresse liebt es, Bands zu kategorisieren. Bevor das andere tun: was ist eure Selbsteinschätzung?
Stephens: Wir glauben nicht an Promotion, jedenfalls nicht daran, dass wir uns selbst vermarkten könnten. Das heisst: nicht, dass wir nicht dran glauben. Aber wir wissen einfach nicht, wie man so etwas macht. Wir hoffen ganz einfach, dass das Album den Leuten gefällt. Es hat nicht gerade „Top of the Pops“ Affinitäten. Mit drei fast Neunminütigen Songs ist das eh schwierig. Aber wenn Leute die Geduld aufbringen, sich einen so langen Song bis zum Ende anzuhören, dann gefällt denen wahrscheinlich auch unsere Musik. (lacht)

Spürt ihr euch einer gewissen Musikrichtung verpflichtet?

Vogel: Das sind Sachen, über die wir uns keine Gedanken machen. Das diktieren die Songs, wenn sie entstehen. Wichtig ist nur, dass sie für uns auch wirklich eine Bedeutung haben. Wenn dem so ist, kann am Ende auch ein Punksong oder ein Countrysong entstehen, das ist egal. So lange es sich für uns echt genug anfühlt.

Was war bei „What the toll tells“ im Vergleich zum ersten Album anders?

Stephens: Das schwierige am Entstehungsprozess dieses Albums war, dass wir sehr viel Zeit hatten. Und wenn man lange zeit hat, macht man sich auch viele Gedanken. Man fällt Entscheidungen. Beim ersten Album haben wir einfach drauflos gespielt und meistens auch gleich die ersten Takes genommen und aufs Album gepackt. Diesmal war alles viel intensiver. Es hat sich über drei Wochen hingezogen. Das war für uns eine lange Zeit.

War oder ist es für euch jemals denkbar, die Besetzung von zwei Musikern zu erweitern?
Vogel: Am Anfang haben wir darüber sehr viel nachgedacht. Aber das hat sich schnell gelegt, weil wir gemerkt haben, wie entspannt es für uns war, auf diese Art und Weise Musik zu machen. Und da wurde uns dann auch klar, dass es gar keinen Sinn machen würde, das noch durch weitere Musiker zu ergänzen. Das soll nicht bedeuten, dass wir nie mit anderen Musiker zusammenspielen. Bei „What the toll tells“ waren einige unserer Freunde beteiligt. Aber gerade weil wir beide uns schon so lange kennen, würde es für jemanden von außerhalb schwierig sein, sich in die Band einzufügen.

Ist es auf Tour einfacher oder schwieriger nur zu zweit zu sein?

Stephens: Es macht viele Sachen einfacher, nur zu zweit zu sein. Entscheidungen lassen sich wesentlich einfacher fällen. Als echtes Problem hat es sich immer nur dann herausgestellt, wenn wir zwischen den Veranstaltungsorten manchmal tagelang unterwegs waren. Da wird man zu zweit schnell verrückt.

Der Bandname Two Gallants ist von einer James Joyce Geschichte, richtig?
Stephens: Ja. Wir sind aber nicht besessen von James Joyce oder so etwas. Schreibt das bloß nicht! Wir mögen halt nur die Geschichte „Two Gallants“ so gerne. William Faulkner finde ich eigentlich sogar weit aus besser als James Joyce ...!

Interview: Robert Heldner + Sebastian Gloser
Text: Robert Heldner


ERROR!