Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

Mutter

Das Ganze Spektrum Des Nichts (Best Of) 2-CD

mutter-dasganzespektrum.jpg

Das Berliner Quartett Mutter, dessen völlig eigene Musik zwischen Noiserock, Punk und - ähem - Diskurspop ohnehin eine genauere Betrachtung dringend verdient hätte, feiert sich nun mit einer Filmdokumentation sowie zeitgleich erscheinender Compilation selbst. Letztere klotzt gleich mit einer Doppel-CD: "Das Ganze Spektrum Des Nichts" macht das Schaffen von Mutter von ihrer Geburtsstunde 1989 bis heute mit einem Streifzug durch den musikalischen Werdegang samt vier neuer Stücke sowie kuriosen Linernotes nachvollziehbar. Sofern dieses Adjektiv angesichts der ungewöhnlichen Musik überhaupt sinnvoll ist. Verzerrte Gitarren, ein treibender Bass sowie minimalistisches Schlagzeug gipfeln nämlich nicht selten in abstrakten, übersteuerten Sounddesastern ("Ich bin er"). Der Gesang von Max Müller, ehemaliger Frontmann der Punkband Campingsex und auch für die Illustrationen im 16-seitigen Booklet zuständig, ist ebenfalls beileibe nicht immer harmonisch. Daran versucht er sich zwar in ein paar akustischen Stücken (meist von dem ungewöhnlichen '94er Album "Hauptsache Musik"), sonst werden diese beiden Stunden eher von Sprechgesang oder manischem Schreien dominiert. Doch Mutter setzen beileibe nicht immer auf dieselbe Rezeptur, ihre außergewöhnliche Diskographie glänzt mit allerlei Kuriositäten. Gleich auf dem Opener "Das Glas ist noch halb voll" beispielsweise spielt Blumfelds Jochen Distelmeyer, seit Jahren übrigens bekennender Anhänger der schwer verdaulichen Musik von Mutter, Trompete. Eine stilvolle Einstimmung auf das, was noch folgt: Anarchisch, avantgardistisch und, ja, humorvoll wollen sich Mutter hier denjenigen präsentieren, denen ihre Existenz bisher sträflicherweise entgangen ist. Das 1989 erschienene Debüt lautete " Ich schäme mich Gedanken zu haben, die andere Menschen in ihrer Würde verletzen", unter den 23 hier vertretenen Songs sind legendäre Titel wie "Alt und schwul" oder das unerträgliche "Es juckt". Vielleicht liegt das kaum greifbare ihrer Musik darin begründet, dass alle vier Mitglieder von Mutter außerhalb der Band noch anderweitig kreativ bzw. produktiv sind (u.a. in der Filmbranche). Müssen sie wohl auch, denn ihr Ausnahmestatus wird durch chronische Erfolglosigkeit untermauert: Eine Titelstory in der Spex sollte der Zeitschrift angeblich die schlechtverkaufteste Ausgabe aller Zeiten beschert haben. Ob sich diese Tatsache mit "Das Ganze Spektrum Des Nichts" ändern wird, bleibt zu bezweifeln. Um ein historisches, unentbehrliches Zeitdokument handelt es sich nichtsdestotrotz. Übrigens: Als Bonus gibt es auf dem Album einen Trailer zur ebenfalls erlebenswerten Mutter-Dokumentation "Wir waren niemals hier" von Antonia Ganz.

 -- / Spielzeit: 60:09/51:38 / Avantgarde-Rock

Michael Streitberger


ERROR!