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Tomte

Buchstaben über der Stadt

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4 Ohren - 1 Meinung


plus Sebastian Zapf gibt
Bewertung: 10 von 10 Sternen

plus Sebastian Gloser gibt
Bewertung: 9 von 10 Sternen

plus Tomte sind wieder da. So da wie nie zuvor. Mit Titelstory im Musikexpress. Thees in Libertines-Pose auf dem Visions-Titelbild. 4 Wochen Tour am Stück. Man geht über die volle Distanz. Selten habe ich mich so auf ein Album gefreut und wurde dabei nicht enttäuscht. Tomte im Jahr 2006: Das ist eine Band, die so gut funktioniert, wie es sich wohl keiner je träumen hätte lassen. Thees singt aus vollem Halse, wie er es noch nie getan hat. Tomte sind selbstbewusster geworden, glücklicher geworden. Und so klingt die neue Platte auch. Wer „Eine sonnige Nacht“ und „Hinter all diesen Fenstern“ in sein Herz geschlossen hat, für den dürfte diese Platte wie Geburtstag und Weihnachten zusammen sein. Von der ersten Sekunde an packt sie dich. Und lässt dich nicht mehr los. Tomte haben 10 Songs geschrieben. 10 Songs über Freundschaft, Liebe und Vertrauen. Das ist so weit weg vom doppelten Boden anderer Bands. Keine Ironie, kein Zynismus. Dafür etliche Querverweise, textlich und musikalisch. Meine Güte, die letzten 2 Jahre dachte ich, dass Tomte auf irgendeine Art und Weise während der Sonnigen Nacht-Tour auf ihrem Zenith waren. Aber was sie mit „Buchstaben über der Stadt“ geschaffen haben, das sprengt jede Jahresliste. Wenn Thees Uhlmann uns im 12 Meter großen „New York“ seine Liebe offenbart, dann ist das so wunderschön, dass es schon fast weh tut. Dennis Becker und Max Schröder spielen die Melodien, von denen man nicht zu träumen wagte. Tomte betreten zwar kein richtiges textliches Neuland, wählen aber durchaus neue Ansätze. Ohne dass die Qualität darunter leidet. Nicht 1:1, aber auch nicht verklausuliert wie neuere Tocotronic. Tomte eben. Da transportiert selbst so ein Satz wie „Ich war betrunken vor eurem Kamin …“ soviel wunderbare Erlebnisse. Dafür kann man Tomte lieben oder hassen. Ich entscheide mich für ersteres. Buchstaben über der Stadt versprüht so eine überbordende Glückseligkeit, die keine andere Band dieses Landes zu geben imstande ist. Geschichten, die aus anderen Mündern lächerlich klingen könnten. Geschichten, die instrumentiert von dieser Band ein Licht aufgehen lassen. Die Platte des Jahres. Jetzt schon.

plus Wir schreiben 2006 und Tomte sind entgültig im Pop angekommen. „Eine sonnige Nacht“ liegt weit zurück und „Du weißt, was ich meine“ verschwindet gerade entgültig am Horizont. Mit „Buchstaben über der Stadt“ perfektionieren Tomte das, was auf „Hinter all diesen Fenstern“ so großartig aufgenommen wurde. Die Indieschrammelgitarre wurde entgültig zum Teufel gejagt, dafür über die Jahre Max Schröder als festes fünftes Bandmitglied integriert. Das macht Sinn und macht den Anschein, dass Tomte auch hier am Ziel angekommen sind. Überhaupt: Ankommen. Ein großes Thema auf dem neuen Album. Thees Uhlmann ist vollends glücklich, das wird er im Moment nicht müde zu betonen und das hört man fast aus jedem der zehn Songs. Natürlich ist da immer noch diese große Portion Nachdenklichkeit und Melancholie, die man an dieser Band so liebt, aber inzwischen ist da ein Lächeln in den Gesichtern und gerade live versprüht die Band so gute Laune, dass man fast schon neidisch ist. „Man fühlt sich als habe man die Liebe erfunden“, singt Thees Uhlmann im Übersong „New York“ und das trifft es auf den Punkt, denn er hat es geschafft gute Songs über ein wunderschönes Thema zu schreiben, das es einem beim Texten einfach macht ins Peinliche abzurutschen. Nur genau das passiert eben nicht, auch nicht bei „Walter & Gail“ oder beim krönenden Abschluss „Geigen bei Wonderful World“. Ein Song, den keine andere Band in dieser Form spielen könnte, ohne dass es weh tut. „Buchstaben über der Stadt“ ist runder und ausgeglichener als der Vorgänger, lediglich „Norden der Welt“ und „Warum ich hier stehe“ sind nicht ganz auf Augenhöhe der restlichen Songs, dafür bringen sie Schwung und tolle Refrains. Eine sich ebenfalls weiter fortsetzende Entwicklung ist, dass sich die Songs noch schneller erschließen. Das ist ein bisschen schade, hätte man doch gerne die Texte noch etwas länger seziert, dennoch gibt es schon wieder genügend Lieblingszeilen, die ganz groß an Hauswänden stehen sollten oder noch besser als leuchtende Buchstaben über den Städten stehen sollten. Ob es nun die traurigen Lieder der kanadischen Band sind oder das Reservoir mit dem gleißenden Licht. Das sind große Momente, wenn sich Sven Regener von Element of Crime mit der Trompete verewigt oder beim Ausklang von „So soll es sein“ die Oasis-Gitarren durchbrechen. Das sind die Lieder, die man Tomte schon immer gewünscht hat. Es passt einfach alles zusammen. „Sie lachen zurecht und wir lachen auch“ ist der perfekte Song für die Tanzfläche zwischen The Smiths und Modest Mouse und „Geigen bei Wonderful World“ lässt Tomte heller leuchten als alles andere. Und wieder mal stellt sich die Frage: Was soll jetzt noch kommen?

Spielzeit: 43:42 / Gitarrenpop

wer das neue Tomte-Album bequem in den Briefkasten bekommen möchte...


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