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MISC - sellfish.de Beifang 02/06 | 02

Miscellaneaus: Genrekram*EP*Vinyl*MCD*Sampler*Demos*Soundtrack

Eine neue Heimat bei sellfish.de: Für Sachen, die normalerweise unterzugehen drohen. Oft verdient und von manchen verachtet lassen sich in dieser Rubrik immer wieder auch echte kleine Perlen entdecken...

Abandoned - Thrash Notes CD

Dockyard 1 / Soulfood

Mit einem ganzen Kanon an Vorschußlorbeeren starteten Abandoned ihre Karriere. Noch bevor das erste Album auf den Markt war, kassierten die Hessen diverse Newcomerpreise und spielten auf größeren Metal-Open Airs. Nun steht also das Albumdebüt in den Läden. Und "Trash Notes" ist das erwartete Retro-Manifest geworden. Abandoned baden förmlich in den Klischees des 80er Jahre Bay Area Sounds: Die Vocals kommen kraftvoll aber gleichförmig, die Drums holzen ebenso straight wie roh produziert aus den Boxen und die beiden Gitarren feuern eine Riffsalve nach der anderen ab. Old School Fans dürften sich während der elf Songs über eine Atmosphäre freuen, wie sie selten so authentisch und qualitativ überzeugend eingefangen wurde. Wer das Metalgeschehen allerdings erst in den späten Neunzigern aktiv mitbekommen hat, der wird mit den wenig variablen Songs so seine Probleme haben. Sei's drum: Wenn eine Band ihre Internetseite "gebolze.de" betitelt, kann sie nicht verkehrt sein. Zumal die Vier einerseits mit ordentlich Humor zu Werke gehen, andererseits aber musikalisch durchaus ernst zu nehmen sind. Und so mein Appell: Wer den Sprung von Testament in die Gegenwart nie wirklich überzeugend fand, wer Kreator gerne ohne fette Andy Sneap-Produktion hören würde und wer bei seinem alten Metallica-Vinyl schon quasi alle Rillen weggeschrubbelt hat: Hier ist die Scheibe, die euch Erleichterung verschafft!
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 48:50 / Thrashmetal / dockyard1.com
Michael Streitberger

Biderben - Out Of The Lies CD

Black Lotus Records

Da haben wir wieder so einen klassischen Fall: Eine hobbymäßige Punkrock-Cover-Band wagt den Sprung zur ernsthaft-kreativen songschreibenden Zunft. Biderben aus Italien geht einen Weg, wie ihn schon so viele Bands vor ihnen beschritten haben - wo dieser Weg enden wird? Nun, „Out Of The Lies“ ist ein ambitioniertes Stück an Debütsongs irgendwo im Bermuda-Dreieck zwischen Punkrock, Ska und Nu-Metal. Vorzuwerfen ist den vier Jungens aus Italien nur die mangelnde Eigenständigkeit bzw. das Fehlen eines charakteristischen Alleinstellungsmerkmals: Das Debüt bietet Punkrock im Stile der amerikanischen Band-Flut, Nu-Metal-Elemente mit Gitarrensoli, Screamo-Einlagen für das Hardcore-Feeling und dazu Ska-Instrumentierung. Ein Kessel Buntes, welcher sich auf ein Dutzend Songs ergießt und dabei sämtliche Homogenität ertränkt. Eher ein Sammelsurium an experimentellen Stilistik-Versuchsreihen auf dem Weg zur eigenen Charakterfindung als ein echtes Band-Produkt. Zu dem verwirrenden Stilmix gesellt sich noch die sprachliche Sprunghaftigkeit hin zur Muttersprache, welche aber zumindest bei den Ska-Stücken eine gewisse kurzweilige Dynamik verspricht. Auf der anderen Seite geht so leider das letzte Identifikationspotential für die Hörer diesseits des Brenners flöten - glücklicherweise funktioniert aber gerade die Ska-Schiene auch multilingual. Trotz aller Makel ist „Out Of The Lies“ ein gutes Debüt, da das Potential des italienischen Quartetts deutlich wird: Neben der einwandfreien Produktion genügt dieses Debüt auch in Instrumentierung und Gesang höheren Ansprüchen. So bleibt Biderben für den weiteren Weg nur etwas mehr Eigenständigkeit zu wünschen, denn nur durch eine intensivierte Beschäftigung mit der eigenen Identität gibt es eine Zukunft - dann auch jenseits des Cover-Band-Daseins. Im Moment covern Biderben zwar keine Songs, dafür aber Genres und deren Tauglichkeit.
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 36:32 / Punkrock /Ska / biderben.com
Bastian Streitberger

Disgroove – Three CD

N-Gage / Twilight

Jawoll! Es gibt sie also doch noch! Neue Alben, die, sobald in den Player gelegt und auf „play“ gedrückt, sofort zum mitwippen, kopfschütteln, mit den Fingern tippen und zu was weiß ich noch was animieren. Wunder ist es ehrlich gesagt keines, denn hinter der Band Disgroove stehen erfahrene Jungs, die auf der großen Bühne des Rock bereits als Band namens Gurd erfolgreich waren. Wer erinnert sich noch an die Schweizer? Richtig! Und wer Gurd mochte, der wird Disgroove lieben! Der Sound ist geradlinig und druckvoll und bleibt vom ersten Durchhören an gleich im Gehörgang kleben. Gewürzt mit einer Prise Alice in Chains präsentiert sich der Zweitling der Schweizer wirklich rockig und eingängig, wie zum Beispiel die Singleauskopplung „Come down“, oder das grandiose „p.o.a.d.“ beweisen. Da sag noch einer die Eidgenossen seien langsam! Der Grunge mag zwar ausgestorben sein, aber dies hier ist coole Musik, die sich zwar, wie gewohnt, auf recht wenige Akkorde beschränkt, aber dennoch abwechslungsreichen und frischen Sound liefert. Weiterer Pluspunkt: Der Sänger hat zum Glück nicht dieses amerikanisch – kehlige eines Eddie Vedder von Pearl Jam in der Stimme, wie so viele seiner Kollegen in diesem Genre…
Bewertung: 8 von 10 Sternen / 53:00 / Rock / disgroove.com
Uwe Wollein

Expretus – Borderline red CD

Brachialpop / Roughtrade

Dreieinhalb Jahre hat es gedauert, aber nun folgt das bereits vierte Studioalbum der Band aus Dresden, wovon sich die Herren zwei Jahre für Produktion und Auswahl der Songs Zeit gelassen haben. Und nicht zu Unrecht. Klingt doch „Borderline red“ vom ersten Eindruck her gleichermaßen viel versprechend wie abwechslungsreich. Die Elektrosounds stehen zwar nach wie vor im Vordergrund, werden aber mal melancholisch im Tempo heruntergefahren („Worn out cases“), mal mit kraftvollen Gitarren und stampfenden Bässen gepaart („Drown“). Der Gesang von Mastermind Andre Alabaster fügt sich passend in das Gesamtbild ein, klingt er doch in den heftigeren Nummern vielleicht ein wenig an Marilyn Manson erinnernd, in den ruhigeren Stücken in Richtung Eric Clayton von Savior Machine. Ja, „Borderline red“ präsentiert sich wirklich vielschichtig und schafft es sich mit seinen teils harten, teils experimentellen Soundcollagen stets interessant und abwechslungsreich anzuhören und sich zudem in keine musikalische Nische zwingen zu lassen. Irgendwie fallen mir trotzdem kleine Parallelen zu den (unaussprechlichen) Inchtabokatables auf, wenn es erlaubt ist.
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 48:51 / Electro / expretus.com
Uwe Wollein

Phenomena – Psycho Fantasy CD

Escape / Aorheaven

Was wäre der Hardrock ohne das Thema der Liebe? Was wären Beziehungen ohne den Hardrock? Wie viele Klassiker haben uns und unsere Liebschaften durch die Jahre begleitet? Man denke nur an „I was made for lovin´ you“ von Kiss. Auch im vorliegenden Album dreht es sich vornehmlich um „lovin´“, beleuchtet in all seinen schönen, aber auch abgründigen Facetten. Es stellt zudem ein Konzeptalbum dar, obligatorisch wenn man in der Geschichte des Projekts Phenomena nachliest. Schon die Vorgängertrilogie waren durchwegs Konzeptalben und alle kamen neben den Brüdern Galley im Zentrum der Band mit Gastmusikern aus, unter anderem John Wetton – Asia, oder Michael Sturgis – A-HA. Im aktuell nachgelegten „Psycho Fantasy“ versteht es sich von selbst, dass wieder Gastmusiker mit an Bord sind, so zum Beispiel Deep Purple´s Glenn Hughes oder Mama´s Boys´ Keith Murrell, kurz wieder einmal Vertreter der oberen 10.000 der britischen Hardrockszene. Und da sind wir auch schon am springenden Punkt: „Psycho Fantasy“ ist ein gefälliges, hochkarätig besetztes Hardrockalbum aus der sogenannten – um mit Iron Maiden zu sprechen – New Wave of British Heavy Metal (NWOBHM). Für Fans sicherlich ansprechend, mit durchaus guten Stücken, wobei beispielsweise „Killing for the thrill“ oder „60 seconds“ aus der breiten Masse herausstechen. Für den Rest, der vom Hardrock endlich mal wieder den unglaublichen Schritt nach vorne erwartet, erscheint „Psycho Fantasy“ jedoch nicht unbedingt als der sprichwörtliche Messias, den mancher Kollege in seinen Rezensionen (…es sei das Album, welches Deep Purple sich wünschen würden veröffentlicht zu haben…) bereits zu erkennen geglaubt hat. Also ich finde Deep Purple schon besser.
Bewertung: 4 von 10 Sternen / 47:06 / Hardrock / aorheaven.com
Uwe Wollein

Saw II O.S.T.

Trisol / Soulfood

Heidebimbam, wie die Schwaben sagen würden: was hier brachial rumgebrüllt wird passt auf keine Kuhhaut. Aber was will man auch anderes von einem Saw II Soundtrack erwarten? Richtig. Deshalb gibt es hier ordentlich auf die Mütze, das nicht zu kurz und nicht zu knapp. Zum erstenmal mit einem richtig großen Budget ausgestattet, konnten die Filmemacher von Saw II sich nun auch einen ordentlichen Soundtrack leisten. Da sind Marilyn Manson vertreten, The Used, Mudvayne, Sevendust und ja, sogar Papa Roach. Und wieder wird gebrüllt und gekreischt, dass man irgendwann an den Punkt gelangt sich zu fragen, wo das eigentlich hinführen soll. Wenn der Film genauso zusammengeschustert ist wie der Soundtrack, dann erwartet den Zuschauer nicht viel mehr als rohe Gewalt und nervtötende Brachialität. Aber bitte: zumindest konsequent war man hier. Und man hat ja auch nicht wenige Genregrößen zusammenkratzen können. Die Queens of The Stone Age zum Beispiel, die hier mit einem UNKLE-Remix vertreten sind und zumindest zwischenzeitlich für eine fast schon komödiantische Einlage sorgen. Nein nein, liebe Samplermacher, furchteinflößend ist hier gar nichts. Aber das ist eben das Genreproblem: Gewalt verkauft sich, Subtilität hingegen nicht. Und deswegen werden die größten Horrorklassiker immer die bleiben, die nicht alles zeigen, und die besten Sountrack immer die, denen ein Konzept zugrunde liegt. Hier hingegen ist das schnelle Geld das Konzept. Und sowas muss in die Hose gehen.
-- / Spielzeit: 55:06 / Nu-Metal / www.saw-derfilm.de
Robert Heldner

Sucht999 - Dying Light EP

Eigenvertrieb

Betrachtet man das - mit Verlaub - extrem hässliche Artwork der EP von Sucht999, könnte man meinen es geht hier um finnischen Deathmetal. Tatsächlich ist Sucht999 aber das Solo-Projekt von Anton Janzen, der seine Vorliebe zu Bands Marke Nine Inch Nails auslebt und dabei keine Gefangenen macht. Kritische deutsche Texte mit englischen Titeln nisten sich bei kranker Elektronik ein, welche sich mit Gitarre, Schlagzeug, Bass vereinigt, um Paranoia und das Bild einer dekadenten Gesellschaft auf Tonträger zu bannen. Auf dieser EP versammeln sich nun acht Stücke, die einen Eindruck über die Bandbreite dieses Künstlers geben sollen. Die Texte werden dabei aggressiv gesprochen, Gänsehaut nur selten erzeugt, niemals allerdings vergessen, dass die Songs möglichst krank rüberkommen, was zuweilen auch gelingt. Das klingt interessanter als es das Artwork vermuten lässt und zieht den Hörer in eine Welt, in die man wahrscheinlich nur ungern eintauchen möchte. Belanglos ist das nicht und sicher auch schon weitergedacht als diverse andere Projekte, die einfach nur kaputt erscheinen wollen, doch ob es ausreicht entscheidend Leute anzuziehen und an diese Musik zu fesseln? Vielleicht taugt es ja für so manch düsteren Typen, der gerade so gar nichts mit Britpop anfangen kann und sich lieber in seine ganz eigene Welt zurückziehen möchte.
Bewertung: 5 von 10 Sternen / Spielzeit: 25:58 / Industrial / www.sucht999.de
Sebastian Gloser

Torture Killer - Swarm! CD

Metal Blade / Spv

Himmel, wenn bei diesem Namen mal nicht klar ist, dass es sich um eine Deathmetal-Band handelt... Um genauer zu sein: Torture Killer sind die kleinen Brüder von Six Feet Under. Und zwar in vielerlei Hinsicht. Nicht nur, dass man als Coverband von S.F.U. seine ersten Sporen verdiente. Nicht nur, dass sich der tiefergestimmte, groovige Sound verdammt ähnlich den Glanzzeiten derer anhört. Nein, Chris Barnes höchstpersönlich steuerte im Nachhinein seine Growls zu den Aufnahmen bei. Im Nachhinein? Ja, nämlich nachdem Torture Killer in Ermangelung eines Sängers ihr Material rein instrumental eingespielt hatten. Denn während das hierzulande unbeachtete Debüt noch ohne prominente Unterstützung aufgenommen wurde, konnte man mit dem Songwriting zum Zweitwerk einen echten Experten für sich gewinnen. Was umso beachtlicher ist, als Barnes kürzlich seinen festen Einstieg in die Band erklärte, deren Musiker ihrem Namen entsprechend aus Finnland zu stammen scheinen. Unabhängig davon die Folge: "Swarm" klingt exakt wie das Vorbild. Viel mehr ist eigentlich nicht zu sagen. Die Kaufentscheidung, ob dem Interessenten ein - allerdings sehr fähiger - Abklatsch der Originals 15 Euro wert ist, muss jeder selbst entscheiden.
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 34:43 / Deathmetal / metalblade.de
Michael Streitberger


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