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MISC - sellfish.de Beifang 01/06 | 02

Miscellaneaus: Genrekram*EP*Vinyl*MCD*Sampler*Demos*Soundtrack

Eine neue Heimat bei sellfish.de: Für Sachen, die normalerweise unterzugehen drohen. Oft verdient und von manchen verachtet lassen sich in dieser Rubrik immer wieder auch echte kleine Perlen entdecken...

Bjornstad, Ketil - Floating CD

Emarcy / Universal

Jazz-Pianist Ketil Bjornstad hatte erst jüngst mehrere Alben im Alleingang veröffentlicht. Nun wird der Norweger auch für mich endgültig relevant. "Floating" nämlich entstand in der Besetzung, in welcher mir solche Musik am besten gefällt: Eingespielt wurde im klassischen Trio-Format. Drums, Double-Bass und Piano kreieren in 16 Tracks einen fließenden Sound, der gleichermaßen durch Dynamik und Dramatik gekennzeichnet ist. Für Bjornstad ist diese Konstellation übrigens eine Premiere. Eine gelungene, um das gleich hinzuzufügen. Denn der Hauptprotagonist verliert sich nicht in Improviationswut, nimmt sich im richtigen Moment zurück und spielt seinen neuerworbenen Steinway-Flügel stets songdienlich. Akzente werden an anderer Stelle gesetzt: Marilyn Mazur an Schlagzeug und Percussion kommt so nämlich eine weitaus tragendere Rolle zu als sonst üblich. Passend dazu ihr ureigener Ansatz, nicht mit Jazzbesen zu arbeiten, sondern ihr umfassendes Set (welches u.a. über ein reichhaltiges Repertoire aus Glocken verfügt) mit Stöcken zu bearbeiten. Bassist Palle Danielsson ergänzt die Klanglandschaft durch Farbtupfer seines eleganten Kontrabassspiels. Während des binnen nur zwei Tagen entstandenen Werkes huscht immer wieder eine Spur von Pop durch die Songs, weshalb sich auch genrefremde Ohren an dem wohltuend harmonischen Materials erfreuen werden.
Bewertung: 7 von 10 Sternen / 68:50 / Jazz / jazzecho.de
Michael Streitberger

Croce, AJ – Early On CD

Cargo Records

Ein ganz ein großes Schlitzohr mit sympathischem Schwiegermutterlächeln inklusive charmanten Grübchen. Die Stimme aber durchaus whiskyzugeneigt und rauchig, sehr variationsfähig und nuanciert; ein Profi seines Metiers allenthalben, mit fein ausgearbeitetem, sorgfältig hergestelltem , doch zumindest wohlgepflegtem Image. Ganz wie in den Fünfzigern und Sechzigern die Stars präsentiert wurden, allumfassend, halb Hysterie verursachend. Der Geschichtenerzähler, wie es scheint aus der guten alten Zeit, beweist Sinn für lyrische Höhen und Tiefen. So zu bestaunen in diesem Best of der letzten drei Alben 93-98. “Thats me in the bar” charakterisiert ihn vom Titel her möglicherweise recht treffend. Zum Abwechslungsreichtum: “Maybe i am to blame” ist ein unglücklicher Dick Tracy am Morgen nach der großen Blonden im roten Satinkleid, Kater und Weltschmerz inbegriffen.“Which way Steinway” dem Titel nach bereits unschwer zu erraten dagegen ein klassischer Jazz/Piano/Barblues, eben “american-roadhouse-music” mit ganz großem Augenzwinkern. Nett die Anmerkung unter seiner ebenso schlitzohrigen man-muss-ihn-einfach-lieben-Biographie im Netz, nach der Beschreibung einer sich doch bitte vorzustellenden Szene mit ihm in einem Club: “You would buy him a beer.”
Bewertung: 5 von 10 Sternen/ 55:70 / Jazz-Barblues / ajcroce.com
Verena Bäumler

Delirious – Made for the violent Age CD

Armageddon Music

Die Hammer... Hammener?... sagen wir: Nordrheinwestfalener Delirious sind seit Anfang der Neunziger einer der Trash-Metal-Höhepunkte Deutschlands. Nach einem Egoshooter-ähnlichen Intro legen sie auf dieser dem Gewalt-Zeitalter gewidmeten Publikation treibend los und hören auch nicht mehr auf, mit jeder Menge Power um sich zu werfen. Durchgehend gleichbleibende Qualität garantiert hier den Fans deutschen Trashmetals, keinen Fehlkauf getätigt zu haben. “Beinharte Vorgehensweise und kompositorische Cleverness” - da bleibt kaum noch etwas hinzuzufügen. Höhepunkt der Scheibe ist in jedem Fall das Cover von “In a Gadda da Vida” - warum nicht mehr solche Experimente in der Zukunft? Steht Delirious bestens.
Bewertung: 5 von 10 Sternen/ 48:80 / Trash Metal / armaggeddonmusic.de
Verena Bäumler

Genuine Rust / Urban Rejects - Split CD

Sunny Bastards

Auf die Strasse, fertig, Oi! Absolut mitgröltauglicher Streetpunk aus Aachen und einfach Spaßmucke, bei der zwischendrin sogar die Strassenschlacht live mit eingespielt wird. Es werden die wenigsten Probleme haben, Urban Rejects einzuordnen, was aber trotzdem keine Langeweile aufkommen lassen muss. Die dissonante Mischung fasziniert mich an der Stelle am meisten: aggressive und sozialkritische Songs, die gleichzeitig Spaß machen..? Es scheint aber zu funktionieren. Very british. Faust in die Luft! Genuine Rust sind mehr vom Psychobilly geküßt worden, mehr aus New Hampshire und außerdem einen Tick melodischer und stimmlich sympathischer (möglicherweise weil diese einfach vordergründiger ist). Die Texte sind nicht nur kritisch, sondern fast schon ein Schrei bar jeder Hoffnung, dass die Welt irgendwann einmal “gleicher” werden möge. Jeder Satz eine kleine Weisheit, ohne Ausrufezeichen, Punkt und Komma aneinandergereiht, Punk-a-billy. Genau hinhören macht nachdenklich, nicht genau hinhören wäre schade. Aber man würde immer noch rocken, mindestens. Lokomotiven en masse im Booklet. Industrialisierungsgefühle, genauer gesagt aber auf verschiedenste Art und Weise tatsächlich “gescheiterte” Lokomotiven. Ein erstaunlich großer und teilweise echt skurriler Fundus im Übrigen...“what a fine display of how a locomotive finds a way to rattle when the train tracks gone”.
Bewertung: 5 von 10 Sternen/ 36:70 / Oi-Streetpunk
Verena Bäumler

Khymera - A New Promise CD

Frontiers / Soulfood

Klappe, die zweite... Exit: Steve Walsh, enter: faustdicke Überraschung! Am Mikro steht nun (und das so ganz nebenbei auch noch erstmalig in seiner Karriere) Pink Cream 69-Tieftöner Dennis Ward. Mit seinem angerauhten, sehr an Shakra-Frontmann Mark Fox erinnernden Organ bringt der gute tatsächlich beste Voraussetzungen für eine Zweitkarriere als Rock-Shouter mit, was in dieser Form ganz sicher nicht zu erwarten war. Musikalisch führt man den auf dem Debut eingeschlagenen Weg konsequent fort und ist damit natürlich auch recht nah am Sound von Ward's Hauptband. Wem also schon die Pinkies gut reinlaufen, der sollte unbdedingt mal das mit sehr hoher Hitdichte ausstaffierte neue Versprechen (naja, die wörtliche Übersetzung halt...) von Khymera unter die Lupe nehmen. 'Alone', 'Let It Burn' oder auch 'After the way' heissen hier die Hits, die wohl nicht nur mich auf Anhieb überzeugen können. Ohne künstlich auf oberhart getrimmt zu werden sind die im Team mit Daniele Liverani entstandenen Nummern aber auch eenso weit entfernt von jeglichem Luschensound. Nicht ganz unbeteiligt daran dürften auch die Herren Jeff Scott Soto und Don Barnes gewesen sein, deren Mitwirkung sich ganz sicher positiv ausgewirkt hat. Und obwohl das Album auch in der zweiten Hälfte in keinster Weise schwächelt, bleibt dennoch eine Frage unbeantwortet: warum schickt man die Chose unter dem in Genrekreisen etabliertem Khymera-Banner ins Rennen? Die Besitzer des Debuts werden den für eine Fabelgestalt stehenden Bandnamen automatisch mit ex-Stimme Steve Walsh verbinden, der aufgrund seiner Kansas- und Solobeschäftigungen offenbar künftig nicht mehr mit an Bord sein wird. Hier wäre es wohl sinnvoller gewesen, mit einem neuen Bandnamen anzutreten!
Bewertung: 9 von 10 Sternen / 49:56 / Melodic Rock / frontiers.it
Stefan Löffler

Matula - Gute Sache aber ohne mich 7inch

Burner Onefield Records

Matula stammen aus dem nordischen Neumünster. In Text und Sound sehr emotional gehalten spielen die Jungs Punk wie man ihn aus diesen Breitengraden erwarten darf. Moderat rockende Gitarren und gelegentliche Screamo-Einwürfe machen Matulas Sound aus, musikalisch in der Nähe von Turbostaat und Kleinlaut einzuordnen. Der Opener "Zielgerade" geht dabei noch am ehesten nach vorne los. Die Gestaltung (erinnert ein wenig an Jet Black) der 7inch ist in bester DIY-Manier gehalten. Da die vorliegende Platte schon etwas länger zurückliegt, darf man hoffen, dass der gute Höreindruck demnächst durch Nachschub aufrecht erhalten wird.
/ Punk / matula.tk
Dominik Waßerloos


Speedy Gonzales - Electric Stalker CD

Metal Heaven/Soulfood

Sieh mal einer an: was wie eine neu zusammengewürfelte Allstar-Truppe aussieht, ist tatsächlich 'ne Truppe von annodunnemal. Das Ding war so 'ne Art Spielwiese für die etwas härteren Töne für alle Beteiligten, allen voran den omnipräsenten Tommy Denander. Der Gesang dringt bisweilen in ungeahnte - und eigentlich längst verbotene - Höhen vor und lässt die ansonsten recht ordentlichen Nummern etwas überkarikiert erscheinen. Die Screams auf 'Desires of the flesh' gehen dann wohl nicht nur mir durch Mark und Bein und klingen in etwa so, als wollten J.B.O. Rob Halford parodieren. Überhaupt: Judas Priest! Gutes Stichwort, denn die sägenden Klampfen und eben die Stimme erinnern mehrmals an eine -zugegebenermassen etwas gediegenere- Variante von Painkiller. Ebenso die Songtitel: 'Electric Stalker' oder auch 'Dominator' hätten von der Namensgebung her ebenso auch den Gehirnwindungen des Gespanns Tipton / Downes entsprungen sein können. Gottlob schimmern trotz aller Härte immer wieder die musikalischen Wurzeln speziell Tommy Denanders durch, was sich u.a. in der akzentuierten Gitarrenarbeit und den TOTO-Trademarks bei 'Do you know where the kids go' bemerkbar macht. Der Junge hat einfach zu viel auf dem Kasten, um sein musikalisches Schaffen einzig dem prolligen 'Schneller, härter, lauter'-Prinzip unterzuordnen. Gleiches gilt selbstredend auch für den mittlerweile kahlgeschorenen Basser Marcel Jacob; neben Jeff Scott Soto jahrelang treibende Kraft bei Talisman und einer der besten seines Fachs überhaupt. Als absoluten Anspieltipps für Radioactive-Anhänger möchte ich noch gerne 'Spit in the hands that feeds you' anführen, das neben der Ballade 'Men with medals' einen der Höhepunkte des Albums markiert. Nicht minder schwach auch das beide Lager (Poser- und Headbangertum) vereinende, mit einer trickreichen Wall of sound aufwartende 'Trial by fire'. Wem also das Organ eines Rob Halford nicht zu peinlich ist und vielmehr dessen Mucke glorifiziert, der darf sich guten Gewissens an dieses Langeisen wagen
Bewertung: 7 von 10 Sternen/ 48:20 / Heavyrock / germusica.com
Stefan Löffler

Traktor - Lights CD

My Favourite Toy

Traktor fährt irgendwo zwischen melodischem Rock mit stimmlichen BlackMetal-Anleihen und punkigen Gefilden umher. Dynamischste Unruhe, mal noisig, mal verspielt, aber nie simpel, monoton oder penetrant. Hat klassischer Rock heute moderne Einflüsse, beziehungsweise läßt er diese überhaupt auf sich einwirken, müsste er ungefähr klingen wie diese schwedische Kombo. Trotzdem bleibt Traktor für mich ein Dreiklang, nämlich aus Rock, Metal und Punk. Wirkt es auch so, als wollten sich die vier nicht festlegen, sie kochen schon ein ausgefeiltes, wohlgewürztes Süppchen (-chen, wohlgemerkt), bei der keine Zutat einfach nur Zufall ist; oder Herumexperimentieren im großen Radius. Zum großen Aber: dass der Radius immer noch suchend abgegrast wird und das Gründungsjahr 2002 ist, hört man schlichtweg. Die Richtung ist schon angezeigt, die Kompassnadel bewegt sich aber noch. Ein bisschen mehr Hardcore vielleicht? Mehr Bumms hinter die Vocals, mehr Gefühl, mehr Einspielen aufeinander? Es wird werden.
Bewertung: 4 von 10 Sternen / 36:50 / Hardcore / myfavoritetoy.de
Verena Bäumler

Warfare – Fierce Intentions 2-CD

Sunny Bastards / Broken Silence

Diese “guten Onkelz” sind wütend. Inklusive einer Prise Bad Religion trifft es das als erster Versuch der Kategorisierung nicht so schlecht. Punk, Hardcore und ein noch ganz junger Psychobilly versuchen sich gegenseitig anzupogen. Teils englisch, teils deutsch eingesungen, ganz klar jedenfalls die Attitüde, die hier nicht extra ausdekliniert werden muss. Es gibt für Interessenten ein fettes Paket zu holen, nämlich eine Doppel CD (die Bonus CD ist auf deutsch). Ein Aufkleber ist auch mit von der Partie. Besagte Bonus-CD klingt authentischer und kurzweiliger als “Fierce Intentions“ selbst. Nur bekommt man es hier deutlich mit den ziemlich platten Aggro-Texten zu tun, was mich doch ein wenig abschreckt, denn rein musikalisch stellen Warfare nicht gerade ein absolutes Novum dar. Die Begeisterung für die Sache nimmt den Zuhörer dennoch mit - das macht auf der anderen Seite auch klar, dass Warfare für einen bestimmten Kreis von Genrefans eine geile Scheibe produziert haben. Über Mitwippen komm ich aber an der Stelle nicht hinaus. Einen ganz dicken fetten Minuspunkt gibt es übrigens für das – selbst wenn es ironisch gemeint wäre! Ja, auch dann! – mieseste Cover, dass ich seit langer langer Zeit zu Gesicht bekommen hab (Der Rekord wird aber sicherlichst nicht lange gehalten!). Grausligste Augenbeleidigung. Sehet selbst auf der ansonsten dennoch ganz nett gemachten Homepage.
Bewertung: 4 von 10 Sternen / 53:70 / Streetcore / sunnybastards.de
Verena Bäumler

Watchmaker - Erased From The Memory Of A Man CD

Earache / Spv

Ohne jegliches Begleitmaterial landete das neue Album von Bostons Watchmaker in der sellfish-Redaktion. Aber das derbe Coverartwork von "Erased From The Memory Of A Man" lassen schon auf eine bestimmte Richtung schließen. Der Verdacht erhärtet sich, als ich erfahre, dass das Vorgängerwerk auf den Namen "Kill. Fucking. Everyone" hörte. Und tatsächlich: Serviert wird eine blutige Grindcore-Schlachtplatte, die von Anfang bis Ende auf die Zwölf geht und in ihren (seltenen) besten Momenten an Disrupt oder frühe Napalm Death erinnert. 16 Songs in knapp einer halben Stunde sind zwar kein Rekord in Sachen Track-Kürze, lassen dafür aber bei aller Noise-Affinität zumindest eingeschränkt Raum für Strukturen und ein Fünkchen Wiedererkennungswert. Damit hat es sich aber schon... und wer sich nicht pausenlos an neuen, brutalen Scheiber erfreuen kann, für den sind Watchmaker trotz einiger guter Ansätze wohl einfach irrelevant.
Bewertung: 3 von 10 Sternen / 26:27 / Grindcore / earache.com
Michael Streitberger

ZSK - Riot Radio (Re-Release) CD

Bitzcore / Indigo

Wer die nach Berlin emigrierten Göttinger Skatepunks von ZSK erst mit ihrem feinen aktuellen Longplayer "From Protest To Resistance" kennengelernt hat, der bekommt mit "Riot Radio" eine kurzweilige Geschichtsstunde verpasst. Denn schon das seinerzeit via Wolverine Records erschienene Debüt offenbarte melodischen, superflotten Melodycore vom feinsten - Der nun via Bitzcore zu neuerlichen Ehren kommt. Die Qualität des Materials steht dem vor eineinhalb Jahren erschienenen Nachfolger in nichts nach: Poppige Melodien, treibende Gitarren und jede Menge Message auf Deutsch oder Englisch machen "Riot Radio" auch heute noch zu einer zwingenden Angelegenheit. Das 2002 erschienene Werk kommt nun im schicken Digipak mit 24-seitigem Booklet, in welchem es neben den Lyrics und Linernotes auch jede Menge Infos gibt. Denn spätestens nach Konfrontation mit den Parolen (aber eben auch Aktivitäten!) der Band versteht man, warum ZSK hier wie da als die kleinen deutschen Brüder von Anti Flag gehandelt werden. Die 13 druckvoll produzierten Songs wurden zu guter letzt mit einem Bonustrack (die Akustikversion von "Was uns noch übrig bleibt") ausgestattet und auch der Videoclip zur Tour mit Bad Religion ist neu... Mehr denn je einen lohnende Sache!
-- / 34:36 / Punkrock / bitzcore.de
Michael Streitberger


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