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Pipedown - Live

Möhre / Achern

Einmal Möhre und zurück

22.01.2005

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Pipedown, Möhre/Achern

Da war sie also endlich: “Die Möhre”. Nach einer grenzwertig-amüsanten Irrfahrt durchs Badische sind wir endlich in Achern, einem verschlafenem Nestchen im Schwarzwald irgendwo zwischen Baden-Baden und Straßbourg, gelandet.
Inmitten dieser scheinbaren Idylle lud am Mittwoch, den 13.10.2004 ´a-f records´ mit seinem österreichischen Neuzugang (und damit einzigen europäischen Signing) RED LIGHTS FLASH und den Hardcore-Rookies PIPE-DOWN zum Sturm auf die Bastille. Dem verheißungsvollen Ruf nach Achern ins Badenser Land - zugegeben nicht gerade dem Nabel der deutschen Konzertwelt - waren aber scheinbar nur die treusten Anhänger gefolgt, was weder die klasse Bands noch die gemütlich-schick eingerichtete „Möhre“ wirklich verdient hatten.
So starteten RED LIGHTS FLASH zu fortgeschrittener Stunde vor einem ausgewählten, aber dafür unterhaltungsdurstigem Publikum ihre Demonstration in Sachen Bühnenenergie und „How to rock 4 m²“. Ihren Ruf als gnadenloser Live-Act mit ordentlich Power im Hintern wurden die Vier vom ersten Akkord an gerecht und probten erfolgreich den Aufstand auf der - dem „Möhre“-Leitmotiv entsprechend - hübsch eingefriedeten Bühnenparzelle. Neben einigen alten Stücken stand aber ganz klar das neue Kraftfutter des erst kürzlich erschienenen neuen Albums „Free...“ im Vordergrund. Die explosive Mischung aus Punk- und Polit-Rock der Sorte GOOD RIDDANCE, STRIKE ANYW-HERE oder etwa der Hausmarke ANTI-FLAG gewann in der Umsetzung auf der Bühne noch einmal an Überzeugungs- und Durchschlagskraft. Und spätestens bei den in breitem steiermärkischem Dialekt gehaltenen sympathischen Ansagen zwischen den Songs, wird man sich der Tatsache bewusst, dass unsere österreichischen Nachbarn vielleicht nicht Fußball spielen können, aber in Sachen Polit-Rock die Hosen anhaben. Ob nun Ohrkriecher wie „Past Souls“ oder „Politics Of Hate“, das einem sudanischem Flüchtling und Freund der Band gewidmet ist - RED LIGHTS FLASH eroberten die Herzen der „Möhre“ im Sturm und lassen somit in Zukunft weiter Großes erhoffen.

Nach einer kurzen biergeschwängerten Pause enterten dann die von mir heiß ersehnten PIPEDOWN die Bühne und versprühten trotz zunächst zurückhaltender Zuhörerschaft pure Energie mit hohem Abgehfaktor.
Ähnlich wie bei RED LIGHTS FLASH sorgte der erst kürzlich zurückliegende Veröffentlichungstermin der jeweils neuen Alben für zurückhaltende  Anziehungskraft gerade bei neueren Stücken - umso erleichtert war ich, dass PIPEDOWN die Sache professionell mit unverhohlener Spiellaune übergingen und die „Möhre“ mit ihren Melodycore-Krachern mächtig zum Wackeln brachte.
Die latent-aggressive Gitarrenarbeit erinnert bei den Vieren an Größen wie BOYSETSFIRE oder AFI, während sie mit kurzen Leads und Screamo-Attacken in feinsten Hardcore-Gefilden wildern. Dazu sorgte Sänger Ean Elliot - passend gekleidet im „It Kills, It Kills“-Motto-Dress - mit seiner grandiosen Bühnenpräsenz für den entsprechenden Unterhaltungswert. Im Normalfall würden großartige Songs wie „Losing The Sum“ oder „The Overworld“ vom überaus zu emp-fehlenden aktuellen Album „Mental Weaponry“ schon reichen, um alles in eine schweißig-brodelnde Masse zu verwandeln - was fehlte war einzig die Anonymität einer großen Location.
Verdient hätten sie sich diese allemal. Da half es auch nicht, dass die Band anscheinend gute Kontakte zur Hausbar hatte und nicht nur das Konzert den Bardamen widmete - nein, es sprang dabei auch noch eine spürbare Gebührensenkung der lokalen alkoholischen Spezialitäten heraus. Ob es diese Maßnahme war, die danach für ein entkrampfteres Publikum sorgte weiß ich nicht. Definitiv konnte Frontman Ean Elliot allerdings bei seinen gelegentlichen Ausflügen ins Publikum mit dem einen oder anderen Erfolgserlebnis in Form eines mitgegröhlten Refrains zurückkehren. Herz, was willst du mehr...
Insgesamt also ein überaus gelungenes Konzert, dem es lediglich an Zuspruch aber keinesfalls an musikalischer Qualität mangelte. Wie viele der Anwesenden dann noch der Einladung von PIPEDOWN folgten, sich nach der Show mit ihnen noch entspannt zu betrinken, blieb mir leider verborgen - wir mussten schließlich noch aus Achern rausfinden, auf die Autobahn, in die Zivilisation...

Bastian Streitberger

Foto: Simon Speidel


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