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Melt!

Gräfenhainichen

Like Ice In The Sunshine – I´m MELT!ing Away...

15.-17.07.2005

Um 6 Uhr morgens wird sich aus dem Bett gequält, doch von morgendlicher mieser Laune keine Spur. Denn: Madamme fährt heute aufs Melt!-Festival und die Vorfreude lässt sich kaum zügeln! Immerhin ist das Melt! ein in Deutschland wahrhaftig einmaliges Ereignis, bei dem Indie und elektronische Musik nebeneinander präsentiert werden. Laut dem Melt!-Info-Heftchen ist die Idee hierbei, dass jeder „über seinen eigenen Tellerrand blicken, Vertrautes feiern, Anderes entdecken und neue Freunde mit unterschiedlichen Interessen kennen lernen“ kann. Na dann mal los und der geistigen Beschränktheit entfliehen! Noch dazu schwärmen alle, die schon im letzten Jahr dort waren, vom schönen Festivalgelände, der Ferropolis bei Dessau.

Nach zehnstündiger Anreise (eine Reifenpanne und den darauf erfolgenden Besuch von den gelben Engel eingeschlossen) Ankunft beim Melt!-Festival. Mir wurde nicht zu viel versprochen! Kaum habe ich mit dem frisch am Handgelenk befestigten Festivalbändchen die üblichen Eingangskontrollen absolviert, weht mir diese großartige Atmosphäre entgegen: Das Festivalgelände befindet sich auf der Halbinsel eines großen Baggersees. Vier riesige Bagger-Ungeheuer sorgen, auch jetzt im Hellen und noch unangestrahlt, für einen sehr skurrilen Anblick. Säulen, die keine Decken tragen, stehen wie verirrt in der Gegend herum und mittendrin dreht sich eine Diskokugel. Der Besuch der Toilette übertrifft alle bislang gehegten Erwartungen (keine Dixies!!!) und kaum verlasse ich das Gebäude, stoße ich bereits auf die ersten Festivalbekanntschaften vergangener Festivals.

Eigentlich sollen Maximo Park, Englands neuster Hype, zum Auftakt des Festivals spielen, doch pünktlich zum Beginn um 18:20 ertönt fürchterliches Donnern und der Regen strömt aus dicken Wolken nieder auf die Festivalbesucher. Diese retten sich entweder ins Raucherkino, unter das Dach der Zeltbühne „Gemini Stage“ oder in den Samsung-Werbe-Turm. Maximo Park müssen also warten, da die „Medusa Main Stage“ (=Hauptbühne) aufgrund des sintflutartigen Wolkenbruchs schnell unter Wasser steht. Somit eröffnen Chikinki aus England auf der Gemini Stage und begeistern durch ihre große Spielfreude und Indie-Hymnen wie „Ether Radio“ oder „Like It Or Leave It“, sodass zumindest ich mir Maximo Park gar nicht mehr ansehen möchte! Yeah! Mir wird berichtet, dass Maximo Park nur einen Song - „Graffiti“ - unplugged zum Besten geben und dann wegen eines Fernsehinterviews leider wieder zurück nach England verschwinden. Schade, aber nunja, es gibt hier wahrlich genug zu entdecken! Und die Wolken ziehen davon und überlassen der Sonne für die verbleibende Festivalzeit die Herrschaft. Während der Umbauphase auf der Gemini Stage werden The Cribs kurz unter Augenschein genommen, jedoch für untauglich empfunden. Hier zeigt sich der große Vorteil des Melt! gegenüber anderer Festivals wie z.B. dem Southside-Festival: neben zwei Bühnen gibt es auch noch zwei Floors, auf denen DJs wie Dominik Eulberg, das Krause Duo Nr. 2 oder Akufen die Plattenteller rotieren lassen. Auf dem Big Wheel Floor lädt gerade Mathias Kaden mit seinem DJ-Set zum Tanz. Da ich noch nicht in rechter Stimmung für elektronische Tanzmusik bin und mich auch die Bolzplatz Heroes nicht interessieren, nehme ich die Gelegenheit wahr, mir das Treiben und die Menschen sitzend von den Treppen aus anzusehen. Es soll das letzte Mal bis morgens um zehn sein, dass ich sitze. Denn dann kommen The Robocop Kraus und die rocken wie erwartet, und zwar so richtig! Völlig nassgeschwitzt und glücklich taumle ich aus dem Zelt, direkt in die Arme von Tocotronic. Schön! Danach betreten Bloc Party die Bühne mit dem Opener „Like Eating Glass“ und fegen alles weg. Ich muss mich leider früher verabschieden, da nun auch ein bisschen Zeit für elektronische Musik ist. Auf dem Big Wheel Floor legen Metope und Ada vom Areal-Label auf und die Tanzfläche ist brechend voll von begeisterten Festivalbesuchern. Mittlerweile ist es auch schon dunkel geworden, weswegen sich die Kohle-Bagger in wechselnden Farben zeigen, das Stroboskop-Licht aus ihren Fenstern herausflackert und die Diskokugeln wie Sterne auf die Menschen auf der Tanzfläche strahlen. Ich kann nicht anders als in den Jubel mit einfallen! Wie großartig ist das denn, bitte?! Während des Wir Sind Helden-Konzerts verlasse ich das Gelände und gehe an den Zeltplatz, um meinen Pullover zu holen. Bei dieser Gelegenheit stelle ich leider fest, dass das Überzelt während des Gewitters weggeflogen sein muss und nun das ganze Zelt unter Wasser steht. Auch mein Schlafsack ist total durchgeweicht. Egal, dann wird eben gar nicht geschlafen! Ich nehme noch die letzten Klänge von Wir Sind Helden mit, dann beginnt die Bühnenshow von Roisin Murphy. Die ehemalige Sängerin von Moloko ist sowohl eine großartige Musikerin als auch unglaublich sexy. Nach ihrer Show weiß ich erstmal nicht so recht, was tun. Gus Gus erfreuen mich nicht so sehr, auch das DJ-Set von Steve Bug hat auf mich nicht die gewünschte Wirkung. Um etwa drei Uhr begeistern dann Fischerspooner, fast zeitgleich mit Moonbootica und mit Justus Köhnke. Ich laufe allerdings nur im Kreis und bin überfordert und hundemüde. Um halb fünf beginnt Michael Mayer auf der Gemini Stage aufzulegen und die Beats packen mich. Die nächsten zwei Stunden bin ich nicht in der Lage, das Zelt zu verlassen und tanze tanze tanze! Direkt von Michael Mayer stolpere ich auf den Big Wheel Floor, wo selbst morgens um sieben noch eine große Anzahl Menschen wild am abrocken sind, nun zu den Wighnomy Brothers und das ist gut. Das ist sehr gut! Eigentlich sollen sie ja nur bis um sieben auflegen, aber um acht sind sie noch immer munter dabei und nach Ende des Sets werden auch noch zwei Zugaben durch großen Beifall erzwungen. Die Tanzwut ist nicht mehr aufzuhalten! Ich bin wohl die einzige Übriggebliebene, die sich keine Amphetamine eingeworfen hat, was mich aber nicht daran hindert noch zu den Gebrüder Teichmann abzurocken, die auf dem Red Bull Sleepless Floor auflegen. Yeah! Yeah! Yeah! Obwohl auf dem Sleepless Floor noch bis fünfzehn Uhr etwas geboten ist, kehre ich um zehn Uhr auf den Zeltplatz zurück, als die anderen gerade aufstehen. Ich werfe mich auf die Wiese, ein durchnässtes Handtuch auf dem Kopf, und schlafe zwei drei Stündchen in der knallenden Sonne.

Der zweite Tag des Melt!-Festivals wird eröffnet von Jens Friebe, gefolgt von Andreas Dorau, der mir doch eine Spur zu trashig ist, um ihn wirklich toll zu finden, wenn er von „40 Frauen mit langen schwarzen Haaren“ singt. Mkay. Erinnert mich irgendwie an „10 nackte Frisösen“. Danach ein Wahnsinnsauftritt von 13 & God, dem Projekt von The Notwist zusammen mit Themselves. Anschließend wird erstmal in der Bibop-Lounge auf Ledercouches bei elektronischer Musik gechillt, dann geht es weiter mit The Faint vs Bright Eyes. Wer eines ihrer Tourkonzerte kürzlich gesehen hat, dem muss ich hier gar nicht von der unglaublichen Live-Energie von The Faint und den unglaublich bewegenden Bright Eyes-Songs vorschwärmen... Dann beginnt der Live Act von Underworld, die es leider nicht fertig bringen, mich vollständig mitzureißen, aber das kann auch an der Kälte liegen. Das Ende von Deichkind, die zeitgleich spielen, bekomme ich auch noch mit und das ist großartig wie immer. Yeah, wer ist die Band, die die Party rockt?! Schade, dass ich mir Le Hammond Inferno, Chloé und Sid Le Rock entgehen lassen muss, aber auch wenn ich multi-tasking fähig bin, schaffe ich es leider noch immer nicht, an zwei Orten gleichzeitig körperlich anwesend zu sein. Da ich friere und unglaublich müde bin, beschließe ich, dass Mouse On Mars meine letzte Band sein sollen. Immerhin muss ich morgen Auto fahren, und zwar die ganze Strecke. Neben Jens Friebe stehend erfreue ich mich an den ersten Stücken von Mouse On Mars, doch ich kann es nicht verhindern im Stehen einzuschlafen. Zum Glück wache ich auf, während ich das Gleichgewicht verliere! Damit ist mein Melt! 2005 also vorbei. Ab ins Zelt, schlafen! Aber das ist ja auch okay, es ist bereits Sonntag drei Uhr in der Frühe. Mein Mitfahrer wird wieder erst um zehn vom Sleepless Floor zurück kehren. Doch bevor ich mich ins Zelt verabschiede, stehen ein Freund und ich vor den funkelnden, leuchtenden, blitzenden Kohle-Baggern, hören die Mouse On Mars-Klänge und sind uns einig: Das Melt!-Festival ist ein Muss! Ab sofort jedes Jahr!

Fazit: Das Melt!-Festival ist der perfekte Cocktail aus 1 cl umwerfender Festivallocation, einer Prise Wahnsinnsatmosphäre, 250 ml musikalischer Qualität und 250 ml musikalischer Vielfalt. Getrunken werden sollte er von jedem, der sowohl ein Faible für Stromgitarren als auch für elektronische Musik besitzt oder der tolerant genug ist, den jeweils unbekannten Bereich auszutesten. Suchtpotential: 100% !!!

Ninette Stürzl

nächstes Jahr dann auch bei unseren Festivals zu finden...


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