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Calexico

Garden Ruin

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Aus der Überzeugung heraus, dass Alben oft dann erst richtig wirken, wenn man alle Hintergründe und den Gesamtkontext kennt, müsste man an dieser Stelle eigentlich alle Informationen aufführen, die dem Rezensenten zur neuen Calexico-Platte vorliegen. Das fängt an bei der Entstehungsgeschichte von „Garden Ruin“ in einem Kaff namens Brisbee und endet bei dem Punkt, wie es dazu gekommen ist, dass Calexico ihren Stil enorm verändert haben. Klangen sie zuletzt mit „Feast Of Wire“ noch wie eine umfassende Sammlung aus den verschiedensten Folklore-Stilen aus aller Welt, kommen Calexico inzwischen deutlich reduzierter daher und zelebrieren uns fast schon Indiepop in bester nordamerikanischer Tradition. Die Zusammenarbeit mit Iron & Wine und das Touren mit Wilco haben Spuren hinterlassen. Die sonnigen Trompeten sind fast völlig verschwunden; alles klingt düsterer und persönlicher, oft auch politisch, ohne jemals zu konkret zu werden. Dass Mastermind Joey Burns über christlichen Fundamentalismus und Umweltverschmutzung singt, ist aller Ehren wert, wird aber erst auf den zweiten Blick klar. Dann allerdings wird nach und nach offensichtlich, wie hier jemand das aktuelle Geschehen in den USA reflektiert und das jemand sauer ist. Im Ergebnis sind das - mit großartigen Textzeilen gespickte - Songs wie der starke Opener „Cruel“, das rockige „Letter To Bowie Knife“, das fantastische „Deep Down“ und die abschließende sechsminütige Krönung namens „All Systems Red“. Letzteres soll besondere Erwähnung finden, denn es darf an dieser Stelle gerne mal als eines der besten und ergreifendsten Stücke der letzten Jahre bezeichnet werden. Für diesen Song hätte Chris Martin bei den Aufnahmen zum letzten Coldplay-Album vielleicht einen Finger gegeben. Unabhängig ob es um den Verlust eines Menschen oder vielleicht den Tod einer Gesellschaft geht, das hier ist ein emotionales, wie musikalisches Meisterwerk. Wären alle elf Titel auf „Garden Ruin“ so stark, wie die genannten Vier, man könnte dieses Album bedenkenlos in den Himmel heben und als beste Protestplatte seit vielen Jahren bezeichnen. Aber da sind eben noch diese anderen sieben Songs, die zweifelsfrei ihre Stärken und interessante Elemente besitzen, aber entweder nicht so ganz in den Kontext passen wollen oder schlichtweg neben der eigenen Konkurrenz verblassen. Das ist schade, denn man hätte dieses Werk gerne so bedingungslos geliebt, wie eben jenes „All Systems Red“, doch so werden Ausflüge in spanische („Roka“) und französische („Nom De Plume“) Gefilde oder überwiegend akustische Momente („Yours And Mine“) nur zu Nebenschauplätzen. Calexico werden mit diesem Wandel Teile ihres Publikums verlieren, dafür andere hinzugewinnen und viele Fans werden sie weiter lieben, nur eben auf eine andere, neue Art und Weise.

Bewertung: 7 von 10 Sternen / Spielzeit: 40:35 / Pop

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Einmal emotionales Heimkino bitte!


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