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Seachange

On Fire, With Love

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Mit Superlativen ist das immer so eine Sache, aber als Seachange aus Nottingham vor zwei Jahren mit ihrem Debütalbum „Lay Of The Land“ hereinkrachten, war das schon so etwas wie ein gefühltes Erdbeben. Mit einer ordentlichen Portion Krach zelebrierten da sechs Personen Indierock, der sich mit düsteren Geschichten und Tonnen voller Gefühl in die Herzen der Hörer grub. Eine Geige erzeugte ein bedrohliches Gefühl und die Texte, die mehr erzählt als gesungen wurden zogen einen weiter hinein in die Tiefen des englischen Walds, wo das Album seinen Ursprung gehabt haben könnte. Tatsächlich entstanden die meisten Ideen im Proberaum, Studio und Rückzugsraum „First Love“ und hier schließt sich auch der Kreis mit Album Nummer zwei, denn letztendlich wurde der Großteil der Songs von „On Fire, With Love“ dort aufgenommen. War man zunächst in den Süden Englands ausgezogen, um mit Produzent Tony Doogan (Mogwai, Belle & Sebastian u.a.) den mutigen und bewusst größenwahnsinnigen Schritt in Form eines Doppelalbums zu machen, musste man sich relativ früh eingestehen, dass dafür schlichtweg zu wenig Zeit und Songideen vorhanden waren. Der Ansatz eines lärmenden Albums und einem voller Popsongs war genauso gut, wie zu diesem Zeitpunkt utopisch. Lediglich der Albumtitel zeugt wohl von den damaligen Gedankengängen der Band, die in der Folgezeit mit einem weiteren Produzenten an neuen Songs arbeitete und kurz darauf auch noch den Weggang von Geigerin Johanna verkraften musste. Ersatz wurde gefunden und weitere Stücke wurden eingespielt, doch nach diesem bewegten Arbeitsprozess war eigentlich nicht mehr mit einem flüssigen, überzeugenden Album zu rechnen. Doch Seachange überraschen uns ein weiteres Mal: Zwar wirkt „On Fire, With Love“ tatsächlich nicht so zusammenhängend wie der Vorgänger und dass man „Lay Of The Land“ aus dem Stand toppen könnte, war ebenfalls nicht zu erwarten, dennoch liefern Seachange ein mehr als überzeugendes Album ab, was vor großartiger Einfälle nur so überquillt. Vor allem die ruhigeren Stücke, die bei „On Fire, With Love“ die Oberhand über die lärmenden Momente gewonnen haben, bleiben sofort haften und überzeugen auf ganzer Linie. Der Pop hatte schließlich schon gegen Ende der letzten Deutschlandtour Einzug gehalten und diese Entwicklung hat sich zur Freude aller fortgesetzt. Die Akustikballade „Anti-Story“, das herzergreifende „Shooting Arrows“ oder das abschließende Melancholie-Meisterwerk „In“ sind die besten Beispiele dafür. Dennoch gibt es immer noch genügend Augenblicke, in denen die Gitarren ordentlich Alarm machen. Der Opener „Annie, Tacoma“ erinnert noch am ehesten an die alten Stücke und wie bei „The Key“ plötzlich losgerockt wird, ist ebenfalls fantastisch. Das völlig überladene „Christmas Letters“ hätte sogar ein paar Elemente weniger vertragen, dafür entschädigt das bereits seit Längerem bekannte „No Backward Glances“ für die ganz kleinen Schwachstellen des Albums. Der Gesamtbewertung wird eigentlich nur deshalb etwas niedriger angesetzt, weil man weiß, was schon möglich war und was noch kommen könnte. Für das nächste Album wünscht man Seachange wieder mehr Ruhe, denn dann ist sicherlich ein weiterer Meilenstein drin.

Bewertung: 8 von 10 Sternen / 40:46 / Noise-Pop

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