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At The Close Of Every Day

Silja Symphony

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Der erste Eindruck täuscht: so morbide die Idee eines Konzeptalbums über das Fährunglück der "Estonia" 1994 auch klingen mag, das Album selbst funktioniert. In Holland geht man an Konzeptalben eben etwas anders heran als in Deutschland ...
Das Unglück der finnischen Fähre hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt und gehört, neben den brennenden Ölfeldern des zweiten Golfkrieges, zu den ersten medialen Eindrücken, die Anfang der 90er Jahre auf mich einstürmten. Es sind vor allem Bilder der Dunkelheit und die der geborgenen Schiffklappe, die noch heute einen Schauer über meinen Rücken jagen. Ähnlich muss es auch den Holländern "At The Close Of Every Day" gegangen sein. So intensiv anscheinend, dass man daraus ein Album zimmern wollte. Nach über zehn Jahren. Eine Idee, die in der ersten Sekunde Sinn macht, dann sich ins Gegenteil verkehrt und einen schließlich verwirrt dastehen lässt. Muss soetwas wirklich sein? Ist da überhaupt etwas anderes zu finden als Traurigkeit und Morbidität? Minco Eggersmann und Axel Kabboord lösen das geschickt, indem sie nie explizit auf das Unglück eingehen. Abgesehen von der Booklettgestaltung vielleicht. In erster Linie handelt das Album von Einzelschicksalen, die so allgemeingültig sind, dass sie gut und gerne auch in ein Konzeptalbum über das Tsunami-Unglück gepasst hätten. Die Musik selbst schwankt zwischen dunklen Indie-rock-Eskapaden vom Schlage etwa der großartigen Pedro the Lion oder, in den heiseren, noch dunkleren Momenten: Nick Drake. Immer wieder, ganz häufig sogar, schleppen sich "At The Close Of Every Day" in Broken Social Scene' artige Gefilde. Höchste Höhen, wie in "4 Seasons", in denen sich Melancholie und Euphorie die Hand reichen. Zu oft leider verlieren sich wunderschöne Melodien in der Leere, enden zerfasert und unentschlossen. Auch Eggersmann's Stimme wirkt ein ums andere mal reichlich unmotiviert. Wunderschön allerdings versilbert die Gitarre das traurige Bildnis, nimmt einen an der Hand und führt einen durch das rauhe Gewässer. Oder, um den Pressetext zu bemühen: "the silja symphony ... bringt Trost zu all den Menschen, die über Bord gegangen sind." Die Silja Symphony selbst war übrigens das erste Schiff, das 1994 an der Unglückstelle eintraf. Wer sein Album danach benennt, gehört grundsätzlich schon mal ins Herz geschlossen ...

Bewertung: 6 von 10 Sternen / 40:24 / Indie-Rock

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