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Veils, The

Nux Vomica

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Finn Andrews hat wohl in der letzten Zeit viel Dreck gefressen, Blut gespuckt - und die obligatorische Erleuchtung gleich hinterher geschmissen bekommen. "Nux Vomica" klingt jedenfalls ebenso nach Lebensbeichte wie nach Lebenshilfe.
Und das von einem so jungen Menschen (23!). Da bekommt man es schonmal mit einem kalten Schauer zu tun. Anfang zwanzig und schon so fertig mit der Welt. "I love my little velvet bed / i don't want to leave it anymore" heisst es da im Opener "Not Yet". Dazu eine Stimme, man möchte fast sagen "gottgegeben". Gleich zu Anfang macht Andrews klar, wohin es gehen soll. Ganz nach unten, durch die Niederungen menschlicher Gefühle. Und dann wieder ganz nach oben, zu "Calliope!", mit klimperndem Klavierreigen und ein paar Trompeten zur Aufmunterung. In "Calliope" macht Andrews auch klar, bei welchen beiden großen Vorbildern er gelernt hat: Tom Waits und Nick Cave schwingen in seinem Vibrato mit, als wäre er ihr unehelicher Sohn. Allerdings macht er es sich auch nicht zu leicht. Andrews verzichtet nicht auf eine angemessene Instrumentierung, er verlässt sich nicht auf seine Stimme. Im Gegenteil: "Nux Vomica" klingt, wie guter Wein riechen muss. Gediegen, erfahren - aber nicht muffig. Handclaps in "Advice for Young Mothers to Be" sind ebenso logisch und legal wie die rotzige Blues-Ballade "Jesus for the Jugular". Zwei Jahre nach "The Runaway Found", dem vielgelobten Debüt, reicht Andrews ein Meisterwerk nach, das von Anfang bis Ende in Perfektion schwelgt, ohne dass man es unmittelbar merkt. Das Schlagzeug, neben Andrews Stimme die treibende Kraft, poltert dumpf auf und ab. Und sorgt so für ein dreckige, dunkles Vehikel, das durch die menschlichen Emotionen rast wie eine Achterbahn. "A Birthday Present" und "Under the Folding Branches" sind dann die Stationen, an denen Andrews halt macht und seine gesammelte Wut und Hysterie ablädt und in musikalisches Gold verwandelt. "A Birthday Present" eine Hymne, ziemlich nah drann an Cave's "And No More Shall We Part". Und tja, was man zu "Under the Folding Branches" sagen kann? So ziemlich der traurigste Song seit Urzeiten, jetzt schon ein Klassiker, und unter gar keinen Umständen Menschen zu empfehlen, die an der Heilung eines gebrochenen Herzens arbeiten. "Go, Spin me around / under the folding Branches / Now, is not too late / heaven can wait / another year or so"
"Nux Vomica" ist ein Meisterwerk, ein Klassiker, und - um allen gebührenden journalistischen Abstand über Bord zu werfen - das wohl einzig große Songwriter-Alben in diesem Jahr. Fast 10 Punkte!

Bewertung: 9 von 10 Sternen / 49:14 / Kammer-Rock

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