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ClickClickDecker Interview

Wenns schockt, dann schockts!

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ClickClickdecker aka Kevin Hamann macht Halt im hässlichen Löwensaal, gelegen im schönen Nürnberg. Als Support von Tomte. Click ist jetzt Band. Vier Mann sorgen auf der Bühne für die musikalische Umsetzung des neuen Albums „Nichts für ungut". Veröffentlicht wieder auf Audiolith Records, dem Label von Lars Lewerenz. Der spielt wiederum in Clicks Band Bass. Und ist beim Interview mit von der Partie.


Kevin Hamann wirkt genauso so sympathisch, wie man sich das vorstellt. Die Band ClickClickDecker und alles was mit ihr zu tun hat, funktioniert so gut, weil hier Freunde gemeinsame Sache machen. Klingt abgedroschen. Wird aber immer wieder deutlich. ClickClickDecker ist Kevins Baby. Sehr persönlich, ohne in selbsttherapeutisches Songwritergeheule abzudriften. Draußen regnet es leicht. Dunkel ist es auch schon. Sommer war gestern. Wir stellen uns unter das Vordach eines schäbigen Hotels. Und fragen:

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Bist du ein Kontrollmensch, Kevin?
Kevin Hamann: Ähmm, ja. (lacht) Auf jeden Fall. Oder Lars? Was sagst du dazu?
Lars Lewerenz: „Ist Kevin ein Kontrollmensch?" Mmmh, das ist eine gute Frage.
Hamann: Also ja bin ich! Wird mir manchmal auch zum Verhängnis.

Ist das als Labelchef nicht schwierig?
Lewerenz: Also das ist schon schwierig manchmal. Aber genauso ist es auch gut. Man muss ja auch ein wenig über die Sachen streiten. Sonst gibt's keinen Progress. Und Stagnation ist nicht angesagt. Das muss nach vorne gehen. Wenn man die Sachen nicht auf den Tisch packt, dann kommt man nicht weiter.

Bis jetzt warst du ja meistens alleine auf Tour, nun mit kompletter Band. Gibt man da nicht ein wenig Freiheit auf?
Hamann: Nö. Also, was heißt „Freiheit aufgeben". Ganz im Gegenteil. Ich bin jetzt freier denn je. Wir sind zu viert in der Band. Da ist der Fokus nicht mehr nur noch auf mich gerichtet.

Ist deine Band eine Sache, die nur funktioniert, weil ihr Freunde seid, weil das natürlich passiert ist? Wie kam es dazu?
Hamann: Also angeheuert hab ich sie nicht wirklich! (lacht) Simon (Rass, GHvC) war ja schon letztes Jahr auf der Tour mit Kettcar dabei. Da sind wir von Marcus Wiebusch verkuppelt worden. Und Lars hatte schon immer gesagt: Wennste mal Bock auf nen Bassisten hast, dann frag mich. Lars war ja sowieso immer dabei. Und na ja, wieso eigentlich nicht Lars? Weiß ich nicht. Das hat sich einfach so ergeben. Und er macht seinen Job super. Ich kann mich nicht beschweren. Und Olli, also Oliver Stangl an der zweiten Gitarre, der hatte auch Bock. Hat immer wieder gesagt, dass er will, er will, er will. Dann hab ich gesagt: Ok, dann komm vorbei. Zum Proben.
Lewerenz: Nee, ernsthaft. Das war ein knallhartes Casting. Wir mussten erstmal zeigen, wie viel wir saufen können. (lacht)
Hamann: Das weiß ich ja schon von dir.
Lewerenz: Das ist eben einfach natürlich passiert. Das war ja nicht so, dass Kevin losgerannt ist und derbe die Leute ausgewählt hat. Das passierte einfach vor Ort. Hat sich gut zusammengefügt. Und für das Album war das jetzt perfekt. Dass wir das auch präsentieren können. Das macht Spaß. Jeder hat seinen Part. Wir kommen ja aus ganz verschiedenen Ecken. Wir sehen verschieden aus. Wir haben verschiedene Schnauzen. Deswegen macht das auch so Spaß.

Wenn deine Bandmitglieder jetzt mal keine Zeit haben, können dann andere Leute die Posten übernehmen? Oder geht das nur mit deinen Jungs?
Hamann: Nö, das hab ich nicht vor, dass da andere Leute ihren Part übernehmen. Wenn sie keine Zeit haben, dann mach ich das solo. Das ist jetzt auch nicht so, dass ich ab jetzt nur noch mit Band auf Tour bin. Wir spielen jetzt erst unser sechstes Konzert heute. Wir haben ja noch ein paar vor uns. Dann planen wir im Frühjahr noch mal mit Band auf Tour zu gehen. Und alles was sich ergibt, ergibt sich dann. Ohne Stress. Ein großer Plan steckt da nicht dahinter. Wir machen es einfach. Aber andere Leute, neee. Da könnte ich ja genauso gut wieder mit meinen Maschinen arbeiten.

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Weg von der Bühne. Hin zum Album. Wenn du deine Songs schreibst, schreibst du die erstmal auf der Akustikgitarre und schaust dann, wo noch Elektronik dazu muss, oder was besser mit Schlagzeug kommt?
Hamann: Das ist ganz unterschiedlich. Ich tüftle meistens zuhause rum. Oft fang ich auch am Computer an. Mit irgendeinem Beat. Spiel auf der Gitarre was dazu. Wenn mir was gefällt, dann muss ich halt noch einen Text dazu schreiben. So klassisch Singer/Songwriter ist es eigentlich eher weniger geworden.

Brauchst du für die Texte dann verhältnismäßig viel Zeit?
Hamann: Ja, dafür brauch ich am längsten. Die kann ich nicht aus dem Stegreif schreiben. Da benötige ich immer eine Initialzündung. Einen Satz, einen Ausdruck, ein Ereignis, irgendein Erlebnis. Sowas passiert nicht jeden Tag. Und wenn es passiert, dann bau ich irgendwelche Sachen drumrum. Das kann manchmal auch lange dauern. Bis ich dann damit zufrieden bin. Ich bin sehr selbstkritisch.

Die Texte wirken manchmal sehr direkt, dann wieder abstrakt. Ist das ein bewusster Gegensatz, oder kommt das einfach so zustande?
Hamann: Ich mag das ganz gerne mit dem Gegensatz zu spielen, um eine bestimmte Wirkung zu erzeugen.

Die Visions hat ja geschrieben, dass du Angebote von Labels und vom GHVC abgelehnt hättest…
Hamann: Hab ich mitgekriegt ja! Also eigentlich stimmt nur, dass ich die Zusammenarbeit mit Grönland (Label von Herbert Grönemeyer) abgelehnt habe. Labels hatten Interesse bekundet, aber darüber haben wir dann auch gar nicht weiter gesprochen. Weil wir uns vorher schon entschieden hatten, das wieder selbst zu machen. Auf jeden Fall. Gar keine Frage. Und das mit dem Grand Hotel. Das hab ich gelesen, ja. Und sofort von der Homepage runternehmen lassen. Nee, das hat einfach nie stattgefunden.

Ist Audiolith mehr als nur ein Label für dich?
Hamann: (zeigt auf Lars) Kuckn dir doch an, die Flasche! (lacht) Also, ich kann mittlerweile sogar auf sein Schnarchen ab. Sicher, das ist mir jetzt doch ein bisschen unangenehm, wo du (spricht zu Lars) dabei bist, und ihr so ne Frage stellt. Aber nee, klar. Ist definitiv mehr. Das ist viel wichtiger. Lars ist nicht nur der Typ, der meine Platten rausbringt, Lars ist der Typ, den ich jeden Tag anrufe und ihn damit nerve, wenn ich irgendwelche Probleme hab, oder einfach nur irgendwas erzählen will. Lars ist der, der mich von Ort zu Ort fährt und immer dabei ist. Mir immer Bier bringt. Also es ist einfach viel viel mehr. Das ist für mich viel wichtiger, als ein größeres Label, bei dem alle zwei Monate der Praktikant wechselt mit dem ich zu tun habe. Das wäre für mich überhaupt nichts.

Letztes Jahr mit Kettcar unterwegs, dieses Jahr mit Tomte. Fühlt sich das komisch an, vor so vielen Leuten zu spielen?
Hamann: Sag du doch, Lars. Wie findest du das?
Lewerenz: Also wie gesagt: Das ist jetzt das sechste Konzert, das wir als Band zusammen spielen. Das erste Konzert war in Hannover. Da waren 130 Leute. Ich selbst hab jahrelang nicht mehr auf der Bühne gestanden. Ich hab mal vor zwei, drei Jahren so ne kleine Elektronikband gehabt. Da haben wir hier und da ein bisschen gegiggt. Es ist schon abstrakt, als Band die nächsten paar Shows gleich vor so vielen Leuten zu spielen. Aber es fühlt sich nicht komisch an. Man steht da, hat seinen Spaß. Wir sind eben als Band am Start, ziehen das zusammen durch. Das ist kein Bruch. Das beißt sich nicht. Die Leute sollen das Zeug hören. Wir kriechen niemanden in den Arsch. So dass wir irgendwo einen Support kriegen. Das passiert einfach so. Vieles läuft einfach auch über Freundschaften. Man kennt sich gegenseitig. Man hilft sich gegenseitig aus. Das ist einfach der Deal.
Hamann: Vor so vielen Leuten zu spielen. Oder eben auf der Bühne, die großen Hallen. Ich find das nicht so toll. Das ist genau, als ob man im Proberaum spielt. Vom Publikum kriegt man eh nicht viel mit. Ich finde es wirklich viel viel anstrengender, aber deshalb auch schöner, in einem kleinen Laden zu spielen, in dem das Publikum in meinem Verstärker liegen kann. Da bist du viel näher an der Crowd. Die Leute kucken dir direkt in die Augen. Das ist viel wichtiger. Das finde ich auch viel geiler als so auf einer hohen Bühne mit Graben dazwischen. Da sieht man dann sowieso nichts, weil die Scheinwerfer einen so blenden.

Wie war das mit Reaktionen auf der Kettcar- und der bisherigen Tomte-Tour?
Hamann: Also das Publikum der GrandHotelVanCleef-Bands ist super aufnahmebereit. Ich glaube die finden das gut. Sie klatschen und jubeln und kaufen danach auch CDs. Das ist ja eigentlich immer ein gutes Zeichen. Solange keine Flaschen fliegen. Und das ist noch nicht passiert.

Wie siehts mit Bratze aus? Ihr seit ja eh jetzt zusammen auf Tour, kann man da schon was erwarten?
Hamann: Nee, nee. Also der Tante Renate ist mit als Support. Bratze dauert noch ein bisschen. Wir müssen ja auch noch planen, wie es denn weitergehen soll. Bratze ist für nächstes Jahr vorgesehen. Wahrscheinlich im Herbst. Wir versuchen eine LP zu machen und dann auf Tour zu fahren. Ich bin jetzt selbst mit der „Nichts für Ungut"-Platte beschäftigt. Tante arbeitet an seiner neuen. Die höchstwahrscheinlich im Frühjahr rauskommen soll. Und Bratze dann, wenn alles gut läuft, im Herbst.

Macht Plemo dann auch bald wieder was neues?
Lewerenz: Also für Audiolith ist die Planung wie folgt: „Nichts für Ungut“ ist ja jetzt rausgekommen. Im November gibt's eine Miki Mikron Radio-Single. Eine Saalschutz-Vinyl, die CD kommt bei Zick/Zack. Im Frühling sollen dann Plemo-Album, Renate-Album und Dance Inc.-Album kommen. Und im Herbst dann Bratze und mal kuckn was bis dahin noch ansteht. The Show must go on.

Du hast ja auf deiner Homepage die myspace-seite von myfirsttrumpet verlinkt. Was hat es damit auf sich?
Hamann: Ich hab auf meinem Rechner total viele Lieder, die ich so angesammelt hab. Ich tüftel eigentlich in jeder freien Minute am Computer und spiele irgendwas ein. Nicht alles landet eben bei ClickClickDecker. Das wenigste Zeug eigentlich. Da hab ich einfach mal ein paar Lieder davon bei Myspace hochgestellt. Das ist myfirstrumpet. Könnte ich auch gut mal wieder wechseln, die Lieder. Sind schon ein bisschen länger drauf.

Hast du ein bisschen Angst, bei der zu erwartenenden Steigerung des Bekanntheitsgrads so Tocotronic-like nur als Meister des Sloganeerings wahrgenommen zu werden?
Hamann: Was ist das denn?

Naja, du kannst doch treffende Textzeilen formulieren, die die Jugend gern mal mit Edding an die Wände schmiert…
Hamann: Find ich geil, wenn jemand das mit nem Edding an die Wand schmiert. Wie heißt das noch mal, Sloganeering? Ob ich davor Angst habe? Nöö, das finde ich geil. Also wenn irgendjemand meint, das ist ein guter Satz, den muss er an die Wand schmieren, sich aufn Arsch tätowieren oder rausbrüllen. Das ist doch super. Find ich gut. Hab ich keine Angst vor.

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Du hast grade erst die Liveplatte im Eigenvertrieb, und vorher die Split mit Lattekohlertor rausgebracht. Hast du auch in Zukunft noch vor so fernab des normalen „Plattenveröffentlichungsrythmuses" was zu veröffentlichen?
Hamann: Weiß ich nicht. Das ist noch ein bisschen früh. Noch sind wir ja beschäftigt. Kann kommen, muss aber auch nicht. Das mach ich spontan.
Lewerenz: Ist auf jeden Fall nicht so, dass man sagt: Das war jetzt das Album und danach kommt das nächste Album. Wir haben alle tausende Ideen. Es gibt Sachen, die kann man einfach nicht realisieren, manch andere schon. Allgemein, einfach so am Start zu sein und den Leuten was zu geben, da gibt's ja tausend Möglichkeiten. Sei es online was zu machen, oder ein Video oder irgendn Scheiß. Da gibt's genug Hirngespinste. Wir sind offen für alles.
Hamann: Und jetzt grade sind wir halt einfach auf Tour. Und machen uns da erstmal noch keine Gedanken.

Bei der Vinyl ist ein exklusive Single mit dabei. Wieso kann man die nicht extra kaufen?
Hamann: Das war ja ne Radiosingle. Die war eigentlich nur fürs Radio geplant. Vinyl läuft immer scheiße. Bei jeder Plattenfirma. Bei allen. Da dachten wir, wir tun einfach noch ne CD da mit rein. Pressen einfach 500 mehr. Vielleicht ist das ein Kaufanreiz. Das war der Grund. Kostet halt nicht sehr viel, noch 500 mehr zu machen. Kann man ja einfach mal so sagen. 500 Stück kosten wohl so 600 und 1000 Stück dann 700. Macht den Hund auch nicht mehr … lecker.
Lewerenz: FETT.
Hamann: Ja, auf so Dinger kann ich nicht.

Mal was anderes noch: Es wirkt ja alles sehr vernetzt bei euch. Mit eurer Liveband, dem Tomte-Support, andererseits kommt es auch oft so rüber, dass du außerhalb der Indieszene stehst. Von den Texten, oder auch wenn man den Infotext liest, kommt das so durch, als ob du mit dem ganzen nichts anfangen könntest.
Hamann: Kann ich auch nicht. Find ich zu oberflächlich.

Was macht so eine Szene aus, gibt's das überhaupt?
Hamann: Kann ich dir nicht sagen, hast du doch grade gesagt. (alle lachen)

Verdammt! Haha.
Hamann: Jetzt haste dir selber ins Bein geschossen. Oh Mann. Wenn du willst, ich hab hier so n Pflaster. (lacht) Ich weiß nicht. Ich finde so eine Szenezugehörigkeit, oder einfach die Benennung schon zu abstoßend. Ich finde jeder macht sein eigenes Ding. Da braucht man keine Kategorien. Ich versuch mich auch nicht von irgendwas fernzuhalten. Aber es passiert einfach nicht. Ich interessier mich nicht für jeden Kram. Und wenn du sagst, das ist so vernetzt bei uns. Ja klar ist das so. Das sind meine Freunde. Das ist mein Leben. Und Szene, oder Indie-Zugehörigkeit. Oder Zugehörigkeit zu irgendeiner Szene interessiert mich nicht.

Was das in früheren Hardcore-Zeiten auch nicht anders?
Hamann: Nöö, war es auch nicht. Da war es dann eher so, dass ich damit angeeckt bin. Weil früher, so die 90er Jahre-Hardcore-Szene war ja schon sehr pc und vegan und wasweißichalles. Das war schon manchmal problematisch. Dennis Becker und Olli Koch kenn ich ja auch noch von damals, als sie u.a. bei Loxiran spielten…
Lewerenz: Um noch mal aus Labelsicht was dazu zu sagen: Ich hab angefangen die Scheiben rauszubringen, weil es einfach ein guter Sound war. Das waren Freunde von mir. Und es ging nicht darum, etwas für irgendeine Szene zu machen. Das war einfach cooler Kram. Den konnte man rausbringen. Das kann auch vom Gothic Girl bis zum Technohead jedem gefallen. Das ist eine Freiheit, die einfach super ist. Dass man so viele Leute erreichen kann. Es geht ja nicht darum, für die eine spezielle Person einen Song zu schreiben oder eine Platte zu machen, sondern: Wer Bock hat das zu hören, der kann das hören. Das ist jetzt auf dem Markt. Und es ist nicht limitiert.
Hamann: Lars hat ja auf Audiolith auch viele Techno-Acts. Das spielt einfach gar keine Rolle. Wenn uns das interessiert, oder wir es einfach geil finden, weil da ne Story ist, weil da ein Typ ist, weil da ein Leben ist, weil da was dahinter ist, dann beschäftigt sich man damit. Und dann macht man das einfach so. Wenns geil ist, isses geil. Egal ob das Indie oder Hardcore ist. Ob der jetzt vegan oder Vegetarier ist, ob er raucht oder nicht, ob er trinkt, Alkoholiker ist, oder nicht. Was weiß ich. Wenns schockt, dann schockts.

Interview: Sebastian Zapf und Sebastian Gloser
Text: Sebastian Zapf
Fotos: Torben Iversen (1 und 2), Sebastian Gloser (3 bis 12)




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