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Agoria

The Green Armchair

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In Lyon geht die elektronische Post ab: in heißen Clubnächten tanzt die französische Boheme neben Creme Brulee und teuren Weinen gern mal zu kalten Beats und flackernden Synthies. Sebastian Devaud alias Agoria ist da sowas wie ein Szene-Held.
Bekannt wurde der ambitionierte Musiker vor allem während der Neunziger als DJ. Der House-Wahnsinn griff um sich, ein für mich bis heute noch unbegreifliches Phänomen. Devaud jedenfalls liebt die synthetischen Klänge und war die ersten Jahre vor allem damit bemüht, die Beats anderer zu mischen und unter das gierige Tanzvolk zu bringen. Erst im neuen Jahrtausend, im House 2.0 sozusagen, wagt er den Schritt aus der kreativen Anonymität. Erst mit dem Debütalbum "Blossom" 2002, das mit einer Tricky-Kooperation glänzen konnte. Und nun, 2006, mit einem Zweitwerk, das sich einfach nicht entscheiden mag, ob es nun verqueres House-Geballer, Pop-Affin oder gar vertracktes Electro-Meisterwerk sein möchte. Und gerade weil es sich nicht entscheiden will, bleibt es spannend und gleichzeitig furchtbar zerfahren. Der technoide Stumpfsinn in "Europa" klingt bisweilen wie eine Werbepräsentation für den neuen Ford Focus. Das fünfminuten lange "Cecile" plärrt sich als schizophrene Air Version durch die Boxen und "Your Inner Kiss" hat eine Menge Tricky geatmet. Allein "Baboul Hair Cuttin" und "Les Violons Ivres" künden vom kreativen Potenzial des Franzosen. Letzteres ist nämlich eine ziemlich geradelinige aber ungemein spannende Mischung aus sonnigen Beats und melancholischen Geigen. Quasi eine orchestrierte Clubnacht. Man fühlt sich nicht so allein unter all den kalten und scharfkantigen Beats. Allerdings sind diese Lichtblicke rar gesät. Es dominiert der 4/4-Takt, das Geplenkel, das Stumpfe. Keine unbedingt neue Erkenntnis, was House-Musik angeht. In diesem Fall schmerzt sie aber, weil Devaud beweist, dass er es besser kann. Aber es nicht besser machen will.

Bewertung: 6 von 10 Sternen / 49:14 / Electro/House

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