Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

|| Dominik Waßerloos ||

schreibt über...

Electric_President.jpgJanka.jpgThe_Thermals.jpgTomte.jpgJohn_Vanderslice.jpg


Am Anfang waren Electric President. Seit Beginn des Jahres hat mich das selbstbetitelte Debüt der zwei Nerds aus Jacksonville Beach nun schon in der Umarmung, und ein Loslassen ist vorerst nicht in Sicht. Einfach fantastisch was Alex Cane und Ben Cooper mit Hilfe von Laptop und schlichtem Instrumentarium im Schlafzimmer und einer Scheune zusammengezimmert haben. Gemeinhin betitelt man solch eine Musik wohl als Indietronic, aber da steckt mehr drin. Stellt euch vor Postal Service würden ihre Musik unter Wasser einspielen. Organisch, weitläufig und einschmeichelnd - der Sound eine einzige Traumlandschaft. Doch hinter der Wohligkeit lauert der Lyrik-Wolf im Melodienpelz. Texte so durchdacht wie pessimistisch, so intelligent wie fortschrittskritisch. Die Art der Menschen ihr Leben zu gestalten und deren Umgang mit modernen Technologien wird vernichtend durch den Reißwolf gejagt: “We'll do our jobs till we break down and fall” oder “there are no saviors in technology: just quick fixes” heißt es und vorbei ist es mit der Gemütlichkeit. Was aber nichts an der Qualität des Albums ändert. Kein einziger Ausfall, und mit viel Liebe zum Detail offenbart sich hier großes Songwriting-Können im elektronischen Gewand. Electric President sind mit soviel Talent gesegnet, dass der Hörer auch auf kommende Werke äußerst gespannt sein darf. Jetzt noch das Alter (21 bzw. 23) der Jungs in Betracht gezogen, und schon sieht die Zukunft wieder rosiger aus.

Es begann eigentlich schon vor zwei Jahren. Da hatte ich eine Band lieb gewonnen, die sich traurigerweise damals bereits aufgelöst hatte: Blobkanal. Dafür stand mit Janka schon der „Nachfolger“ in den Startlöchern. Die sechs Songs der „Unter Palmen“-EP sollten sich als liebevolle Indiepop-Skizzen mit großer Langzeitwirkung entpuppen. Nach zwei Jahren kam dann in diesem Herbst mit „In die Arme von...“ endlich das Album und so klischeehaft sich das anhören mag: das ist wahrlich Herbstmusik! „Stadt ohne Namen“ ist vielleicht der schaurig-schönste Song, der in diesem Jahr seinen Weg in meine Ohrmuscheln gefunden hat. Musik von vergangenen und kommenden Beziehungen, von der Kraft sich selbst treu zu bleiben und vor allem vom Leben im Hier und Jetzt mit all seinen Widrigkeiten. Diese Platte atmet Veränderung und Stadtluft, und dabei sind die Texte eine wahre Fundgrube fürs Poesiebüchlein. Zwischen Hamburg und Paris entstanden, zeigen Janka wie man melancholische Popmusik schreiben kann, ohne dabei aufgesetzt oder gar identitätsstiftend zu wirken.

Ich war anfangs noch zu sehr geblendet von diesem Rumpelpunk-Monster namens "Fuckin’ A“, doch mittlerweile hat sich auch "The Body, The Blood, The Machine" in die Gehörgänge gebrannt. Das aktuelle Werk stellt vielleicht ein wenig das "Abbey Road" der Thermals dar. Das Grundgerüst bilden weiterhin diese knackigen Riffattacken, doch die Musik des Trios aus Portland ist vielschichtiger und variabler geworden. Das Album ist zwar ein äußerst cleveres Konzeptalbum über eine fiktive Herrschaft faschistoider Christen, aber trotzdem fühlt man sich immer auch irgendwie persönlich angesprochen. Sei es im zuckersüßen „Test Pattern“ oder dem treibenden „A Pillar of Salt”. Ob das jetzt Punk oder Rock´n´Roll ist, so simpel und effektiv gleichzeitig können das nur die Thermals: „You can call the success pattern!“

Tomte sind gewachsen. Sowohl musikalisch, als auch den Bekanntheitsgrad betreffend. Das konnte ich zu Beginn des Jahres in Hamburg nachvollziehen, als kurz vor Veröffentlichung der Platte der ganze Saturn mit „Buchstaben über der Stadt“-Plakaten zugepflastert war. Und wenn jemand für mich diesen Erfolg verdient hat, dann doch bitte diese Truppe, denn ich kenne nur wenige Bands die bei solch einer Karriere so authentisch geblieben sind. Der Sound wurde weiter perfektioniert, woran mit Sicherheit auch Max Schröder, der neue Mann an Bord, seinen Anteil hat. „Buchstaben über der Stadt“ ist eine Platte über das Glück und Mr. Uhlmann lehrt in wunderschönen Hymnen wie „New York“ oder „Ich sang die ganze Zeit von dir“ von der Liebe. Er schreibt wie nie zuvor von positiven Erkenntnissen und nicht mehr nur vom Suchen, sondern verstärkt auch vom Finden. Fehlendes Leid kann kein Vorwurf sein, nur fehlende Leidenschaft. Und an der mangelt es bei Tomte wirklich nicht!

Da sein Bruder bei den Krawallbrüdern von den Blood Brothers seine Brötchen verdient, und der Mann selbst sich dereinst bei den grandiosen Waxwing auch eher mit Gitarrenmusik in verstärkter Form beschäftigt hat, ist es erstmal ungewöhnlich Rocky Votolatos Solowerken zu lauschen. Dabei hat er mittlerweile schon sein zweites Album veröffentlicht und legt mit „Makers“ zwar klassisches aber ganz großartiges Singer-Songwriter-Kino vor. Simon & Garfunkel grüßen an jeder Ecke auf völlig unpeinliche Art und Weise, und auch Freunde von Kristofer Aström dürften mit Votolatos Songs glücklich werden. Ein Mann mit akustischer Gitarre singt über das Leben, die Liebe und den Tod. Keine Neuigkeiten soweit, aber die Art der Darbietung macht den Unterscheid. Votolato leidet sich nämlich nicht wie so vieler seiner Artgenossen durch seine Songs, sondern ist stets auf der Suche nach Licht im Dunkel. Seine Musik strahlt Wärme aus und der Hörer bleibt dabei mit einem Lächeln auf den Lippen zurück.

Nochmal Barsuk Records, noch mal Songwriter und irgendwie doch eine ganz andere Baustelle. John Vanderslice hat eine lange Liste von Verehrern und mit seinen Konzerten im vergangenen Jahr dürfte sich der Sympathikus aus San Francisco zusätzlich in so manches Herz gespielt haben. Ganz selten kam es bei mir vor, dass ein Album so derart gewachsen ist wie „Pixel Revolt“. Egal ob todtraurig („Dead Slate Pacific“), absurd („Angela“) oder kritisch („Plymouth Rock“) - zu verlockend seine wundersamen Geschichten und zu abwechslungsreich die Musik, als dass sich das Album in absehbarer Zeit tot hören wird!

Autor:


Zum Seitenanfang



ERROR!