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MISC - sellfish.de Beifang 01/07 | 01

Miscellaneaus: Genrekram*EP*Vinyl*MCD*Sampler*Demos*Soundtrack

Eine neue Heimat bei sellfish.de: Für Sachen, die normalerweise unterzugehen drohen. Oft verdient und von manchen verachtet lassen sich in dieser Rubrik immer wieder auch echte kleine Perlen entdecken...

Heute: Was vom Jahre übrigblieb...

Negura Bunget | Supersuckers| Since The Flood | Wrecking Crew | uvm.

Erfreulich, wenn die Zeit vor und um Weihnachten noch dazu genutzt wird, vernünftige Veröffentlichungen an den Markt zu bringen. Dass es momentan jedoch offenbar Kleinstlabels vorbehalten bleibt, auch jenseits von Best-Of- und Live-Zusammenstellungen zu punkten, bleibt traurige Realität. Im Falle der Hamburger Musikliebhaber von The Company With The Golden Arm nutzt man diesen Zustand, um sich erneut als hochkarätiges Label jenseits des Massengeschmacks in Erinnerung zu bringen. Denn mit Anthem Red aus dem kanadischen Winnipeg hat man zwar eine Formation mit der gleichen Heimat wie die Weakerthans im Register, musikalisch spielt selbige aber auf ganz anderem Terrain. "Dancing On The Dishwasher" (The Company With The Golden Arm) ertönt stattdessen in der Tradition von Hot Water Music oder Samiam. Nämlich emotional, ohne Emocore zu sein. Bemerkenswert: Nicht nur durch die charismatischen Vocals der Sängerinnen Sarah und Jo darf man sich an die legendären Leatherface erinnert fühlen. Neben den rauhen (nichtsdestrotz sehr weiblichen) Stimmen der beiden wertet den Punkrock nämlich insbesondere die wunderbare Gitarrenarbeit auf. Griffige, teils mehrstimmige Melodien sowie ein paar Ecken und Kanten im richtigen Moment sorgen somit für einen versöhnlichen Ausklang eines eher unspektakulären Punkrock-Jahres 2006.

Hach, es war so verlockend gewesen: Mein Vorsatz, nach dem brillanten Heaven Shall Burn Album im letzten Jahr jegliche weitere Metalcore-Scheiben in Grund und Boden zu schreiben. Und dann das: Feast For The Crows, ausgerechnet ebenfalls aus einheimischen Landen (Marburg), legen ein Debüt vor, das einfach alles richtig macht. Ihre Core-Wurzeln sind (beispielsweise in den zahlreichen Gangshouts und Breakdown-Parts) noch deutlich vernehmbar, werden aber mit dem typischen Göteborg-Stil Marke At The Gates bzw. deren amerikanischer Epigonen Darkest Hour angereichert. Vor allen Dingen kann der Fünfer aber (dank exzellenter Harmonieführung) Songs mit Wiedererkennungswert schreiben. Genau das, woran sich nach wie vor tausende Formationen verzweifelt versuchen, schaffen Feat For The Crows mal eben mit ihrem - noch dazu perfekt produziertem - Debütwerk. Schon der hammmermäßige Opener "Hope dies last" mit seiner brillanten Gitarrenarbeit sollte dafür sorgen, dass "When All Seems To Be Burned" (Bastardized Recordings/Soulfood) aus dem Nichts eine Position zwischen Bands wie Maroon und eben Heaven Shall Burn belegen wird. Und selbst wenn nicht alle neun Songs dieses enorme Niveau halten können, wird mir hier doch ein vorübergehend tot geglaubtes Genre wieder schmackhaft gemacht. Also: Von wegen Verriss... stattdessen eine dringende Kaufempfehlung für all jene, die nach den etwas schwächeren Werken von Unearth oder Under Siege wieder Lust auf vorbehaltlos mitreißenden Metalcore haben.

Nomen est omen: Die Micragirls mögen es, ähem, klein. Zum Beispiel haben die drei Finninen bislang nur im Ten- bis Seven-Inch-Format veröffentlicht. Und ihre erste CD kommt keineswegs als "erwachsenes" Album, sondern in Form zweier nur zum geringsten Teil bespielten Silberlingen daher. Naja, passt ja irgendwie ziemlich gut. Schließlich fasst "Feeling Dizzy, Honey" (Bone Voyage/BB Island) eigentlich lediglich die bisherige Diskographie der Damen zusammen, welche sich in dem schicken Digifile richtig gut macht. "Primitive Homeorgan Blast", "Mind Twistin' Weekend With The Micragirls" und "Are You Insane, Girls?" - so die Titel der EPs - waren mittlerweile nämlich längst ausverkauft. Und es ist richtig gut, dass der simple Proto-Punkrock nun wieder problemlos erhältlich ist - und dazu eben noch richtig fein aussieht! Die 16 Songs machen vorbehaltlos Spaß und werden Fans von den Headcoatees bis hin zu den Oblivians (die omnipräsente Orgel lässt sogar an deren Phase mit Mr. Quintron denken!) in ihrer primitiv-mitreißenden Art ohne Frage begeistern: Risu, Mari und Kata teilen sich nämlich nicht nur die Vocals, sondern auch ihre ganz besondere Spielart des "Northern Souls". Ein kleiner Geheimtipp für Garage-PunkerInnen.

Als ich "The Second Philosophy" (Lifeforce Records/Soulfood) zum ersten mal hörte, wäre ich an letzter Stelle darauf gekommen, dass die Band hinter diesen zehn Songs aus einem südlichen Land kommt. Nahemah verbinden nämlich den typisch-melancholischen Deathmetal-Sound Göteborgs mit progressiver Note a lá Opeth sowie einer dezenten Offenheit in Richtung trippiger, elektronischer Postrock-Sounds. Klingt interessant? Ist es über weite Teile auch. Denn die vier Spanier (!) bedienen sich zwar auch in ihrem zehnten Jahr als Band großzügig bei den Vorbildern (Dark Tranquillity, Katatonia), sind dabei jedoch so experimentierfreudig, dass sie - vielleicht eine Spur zu bemüht - versuchen, deren Grenzen noch weiter auszuloten. Dabei muss man Nahemah zu gute halten, dass sie zu keinem Moment den Song aus dem Auge verlieren. Dass allerdings nicht jeder Track zündet, mag eventuell an den etwas überfrachteten Arrangements liegen. Vielleicht fehlt ihnen auch schlichtweg die melancholische, nordische Ader für große, schwermütige Harmoniebögen? So bleibt letztlich ein zwar inspiriertes Album, welches trotz des immer wieder durchschimmernden Potentials der Protagonisten in vielen Momenten leider noch nicht wirklich rund klingt.

Irgendetwas zwischen einem Kuriositäts-Preis und einer Auszeichnung für grenzeinreißendes Kunstschaffen haben die mir bislang völlig unbekannten Negura Bunget verdient. Eine Band, die tatsächlich aus Transilvanien (!) stammt und auf ihrem vierten Album erstmals auch bei uns für Aufregung sorgen wird. Bereits vor knapp einem viertel Jahr erschienen, muss ich diesem Werk nach viel zu später Entdeckung doch noch Platz bei sellfish.de einräumen: "Om" (Aural Music/SPV) erschlägt den Hörer in seiner Größe nämlich beinahe. Mögen die Wurzeln hinter der Musik nüchtern betrachtet vielleicht Black Metal sein: Die Rumänen sind klischee-resistenten Postrock-Formationen wie Sigur Ros deutlich näher. Folkloristische Einsprengsel, wahnwitzige Vocals, Gitarrenwände und Keyboard-Texturen fusionieren in Kombination mit dem ungewöhnlichen Artwork zu einer audiovisuellen, erhabenen Meisterleistung. Allein schwermetallische Wegbreiter wie Ulver oder Emperor mögen der musikalischen Umlaufbahn dieses komplexen Werkes in ihrer Relevanz noch gerecht werden; gelang es ihnen doch gleichmaßen, eigene musikalische Sphären weit jenseits von Lärm zu kreieren. Zu ergattern ist "Om" übrigens auch als nachdrücklich empfehlenswerte Version im Digipak mit Bonus-DVD, auf welcher sich diverse dubiose Clips, Livemitschnitte und Interviews befinden.

Lobte ich ein paar Zeilen weiter unten das Debüt von Feast For The Crows aus Ostdeutschland noch über den grünen Klee, liefern zeitgleich die Amis von Since The Flood mit ihrem Zweitwerk ein Beispiel, warum Metalcore heute oftmals eben doch antiquiert klingt. Dabei geht man auf "No Compromise" (Metal Blade/SPV) tatsächlich kaum einen Kompromiss ein und klingt gerade zu Beginn der halben Stunde regelrecht old school. Der Opener "Gone tomorrow" jedenfalls überzeugt in seiner hyperenergetischen Aggression noch ohne Umschweife, danach geht den geographischen Nachbarn von Shadows Fall und Unearth (deren Frontmann Trevor Phipps auch als Entdecker der Band bezeichnet wird) aber etwas die Puste aus. Weniger was die unbändige Energie betrifft; es ist eher das Songwriting, welches ein wenig zu wünschen übrig lässt. Ihr hasserfüllter Metalcore holt sich dafür aber mit stilsicherer Hand immer wieder Inspirationen von Klassikern wie den alten Integrity: Tough Guy Mosh aus Boston meets Hatecore, oder so ähnlich. Und weil man das seit dem Abtauchen von Blood For Blood gar nicht mehr so häufig hört, können Since The Flood eben doch ein paar Akzente setzen!

Ihr letztes Studioalbum "Motherfuckers Be Trippin'" ist nun auch schon drei Jahre alt - Dringend Zeit also für die Supersuckers, wieder neues Studiomaterial vorzulegen. Doch Eddie Spaghetti und seine beiden Weggefährten sind viel zu cool, um sich an die Regeln der Plattenindustrie zu halten. Vorläufig müssen sich die Fans deshalb auf eine Serie an EPs einstellen, für die "Paid" (Abstract Sounds/Soulfood) den Anfang macht. Knapp zwanzig Minuten pflegt man darauf die Tradition, die Underdog-Position zwischen Legenden wie Social Distortion und Motöhead beizubehalten. Dass man sich hinter so großen Namen nicht zu verstecken braucht, macht schon der lässig aus dem Handgelenk geschüttelte Titelsong klar. Die Ballade "Breaking honey's heart" kommt stilvoll mit Slidegitarre, bevor auf "I like it all, man" wieder der Rock'n'Roll regiert. Mit "Here I am" gibt es noch ein Steve Earle-Cover, dann beschließen zwei neue Versionen bekannter Tracks ("Roadworn & weary", "Creepy jackalope eye") diesen Appetithappen. Und weil nicht nur ich nach Genuss der EP wieder voll auf den Geschmack gekommen bin, sei noch angemerkt, dass die Supersuckers natürlich vor haben ihre ganzen Singles eines Tages wieder in einem Album münden zu lassen....

Wer sich in diesen bitterkalten Tagen nach etwas Sonne sehnt, der liegt bei den "Travelogue Soundfiles 03" (Laboso Records) genau richtig. Mit dem Untertitel "The Sound Of Sunny Feeling" präsentiert Mr. Laboso 14 gekonnt kompilierte Tracks voll chilliger Downbeats, smoother Jazzyness, plukernder Elektronik, Soul und sogar Folk. Zumeist aber konzentriert sich alles auf den eleganten Hüftschwung, den große Namen wie Coldcut, Senor Coconut oder Mo'Horizons forcieren. Und wo auf der einen Seite das Silly Walks Movement mit Unterstützung von Patrice den Käuferkreis erweitern dürften, pickte Mr. Laboso andererseits einige kleine Besonderheiten aus seiner kosmopolitischen Erfahrung: Zum Beispiel Reggae aus Neuseeland oder funkigen Dance aus Ungarn. Also nicht vom Cover (im schicken Digifile) abschrecken lassen, welches ein wenig auf die üblichen Ibiza-Connections schließen lassen könnte. Da findet sich während der überlangen Spielzeit doch einiges mehr an Substanz. Auch wenn die beteiligten Namen nicht ganz mit den beiden Vorgänger-Editionen mithalten können.

Die Wrecking Crew war eine dieser Bands, die ihrer Zeit voraus waren: Klar im Hardcore verwurzelt, hörte man dem Sound der Bostoner ihre Begeisterung für derben Rock nämlich immer an. Von Discharge über Motörhead zu Battalion Of Saints (welche man auch coverte) reichten die Einflüsse, aus welchem die Fünf mit dem 1989 erschienenen Werk "Balance Of Terror" (I Scream/Cargo) ein regelrecht thrashiges Album machten. Eine sehr ursprüngliche Version des Metalcore vielleicht, die aber bedingungslos gut und ohne jegliche aufgesetzte Attitüde funktionierte. Vielleicht mag der Begriff "Klassiker" übertrieben sein, jedoch verfügen die zwölf Songs auch rückblickend noch über enormes Potential. Und mit Tracks wie "Out of touch" oder "Why must they" sind einige echte Hits enthalten. "Balance Of Terror" bleibt damit das zentrale Vermächtnis der kurzlebigen Karriere der Wrecking Crew. Und darf als essentieller Bestandteil der Bostoner Hardcore-Geschichte in keiner Sammlung fehlen, in welcher sich Alben von Slapshot, aber auch Suicidal Tendencies oder Cro-Mags befinden. Vor allen Dingen bleibt man den heutigen Betätigungsfeldern der ehemaligen Bandmitglieder (u.a. Righteous Jams oder 454 Big Block) mühelos überlegen. Fazit: Ein äußerst lohnendes Re-Release, welches von zwei feinen Bonustracks und dickem Booklet samt lesenswerter Linernotes von Mike Gitter perfekt abgerundet wird.

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Best Of Live, Split und Re-Release

mit: beNUTS | Darkbuster | Enemy Rose | Mercy Killers

Eine Live-Compilation kombiniert als Best-Of-Album präsentiert die Münchner Combo beNUTS ihren Anhängern zum feierwilligen Auftakt ins Jahr 2007. Die voll bepackte Scheibe „Best Of ...live!“ (Wolverine Records / Soulfood) bietet einen anregenden Überblick über die bisher veröffentlichten Werke der acht Jungens die schon seit über 12 Jahren erfolgreich durch die Ska-Rock-Geschichte ziehen. Vier Alben, erfolgreiche Tourneen von Frankreich bis Japan, als Support-Act von Ska-P oder Bad Manners mit einer gehörige Fan-Base. Respekt! Deshalb haben die beNUTS auch allen Grund einen Blick zurück zu werfen und sich mit diesem sehr gut produzierten Best-Of-Album gleichzeitig als hervorragende Live-Band zu empfehlen. Die altbekannte Mischung aus Streetrock-Elementen, Reggae, Rock-Steady, Bläsern und Synthie-Pop kumuliert auch innerhalb der 16 Tracks zu einem höchst kurzweiligen und beschwingten Ska-Gebräu. Vielleicht nicht immer mit den ganz großen Song-Ideen, aber dafür mit einer hohen Schlagzahl an up-tempo-Melodien und tanzbarem Sound. Gerne auch mal zurückgefahren, aber immer mit dem Gespür die feierwillige Meute zu unterhalten. So entkommt Ska zwar kaum dem Vorurteil, sinnfreie Musik mit hohem Unterhaltungswert zu stellen - aber das blenden wir hier einfach mal aus. Schönes Ding...

Nocht nicht ganz so lange dabei und aber das Band-Intro „We Are Darkbuster“ hätten sich die vier Jungs von Darkbuster sparen können, zeigen doch die folgenden 17 Tracks des Re-Releases „A Weakness For Spirits“ (I Scream Records) viel besser als der verkorkste Gröll-Refrain wo der Hase läuft: Eine gelungene Mischung aus Folk-Punk, Rockabilly und klassischem East Coast-Punk. Die Vierer-Combo aus Boston ist seit gut zehn Jahren im Geschäft und bietet auf ihrem bereits 2004 veröffentlichten Album „A Weakness For Spirits“ eine Vollausstattung in Sachen Punk´n´Roll. Nicht immer ganz tief schürfende Lyrics, den Fokus eher auf den Unterhaltungswert - so präsentieren sich Darkbuster, die als Gast-Musiker die einschlägig bekannten Dicky Barret (Mighty Mighty Bosstones) und Ken Casey (Dropkick Murphys) begrüßen dürfen. Dementsprechend rockt die gute halbe Stunde in altbewährter Qualität, allerdings aber auch ohne die ganz großen Höhepunkte zu haben. Ein gutes Album für alle Fans des Whiskey-geschwängerten Punkrocks - anregend, vollmundig, rund und ganz ohne den schweren Kopf am nächsten Morgen.

I Scream Records, die 2.: Aufgepasst! Wer Split EP´s mag, wird „... And Two Become One“ (I Scream Records) mit den Herren von den Mercy Killers und Enemy Rose lieben. Acht Songs, 23 Minuten und darin verpackt pure Emotionen - aber in verschiedenster Ausprägung. Während die Mercy Killers aus England mit “Lust for hope” und den Folgesongs ein beeindruckenden Mischung aus latent melancholischem Post-Punk-Geschrubber, 1A-Refrains und Gitarren-Soli gelungen ist, nimmt die amerikanisch-deutsche Combo Enemy Rose keine Rücksicht und rockt mit kompromisslosem Punk´n´Roll einfach drauf los. Clashige Sound-Strukturen treffen auf ausgefeilte Vocals mit Back-Chorus, in der sich die Emotionen kanalisieren - und dazu gesellt sich mit „Down in the city“ ein echtes Schmückstück an fortgeschrittenem Songwriting. So bilden die Bands dieser EP seine gewisse Gegensätzlichkeit, die sich aber irgendwie auch geschickt ergänzt. Lust auf mehr auf beide Bands hat diese Split EP in jedem Fall gemacht - und somit ihr Ziel erreicht. 

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