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Kate Mosh Interview

Alle müssen sich einfach fragen: Wie geht’s weiter?

 

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Kate Mosh und Ter Haar beim Abendessen. Oder: Der leicht gescheiterte Versuch aus zwei Bildern eins zu machen.

Anfang Oktober waren Kate Mosh ein weiteres Mal mit ihrem immer noch aktuellen Album „Breakfast Epiphanies“ auf Deutschlandtour. 18 Monate liegt die Veröffentlichung nun bereits zurück und es tut sich einiges bei den Wahl-Berlinern. Mit den Verkäufen der Platte war man „soweit schon zufrieden“, aber es war auch nur „das Mindeste, was man erwartet hatte“, kommentiert Sänger und Gitarrist Thom Kastning den Stand der Dinge. Auch deswegen ist man auf der Suche nach neuen Ideen, wie man die eigene Kunst aufwerten kann und Fans dazu bewegt nicht nur auf die Konzerte zu kommen, sondern auch die Tonträger zu kaufen.

Die Strukturen des Musikvertriebs sind im Umbruch; das wusste man auch schon bevor Radiohead ihr neues Werk ausschließlich via Internet in die Welt setzten. Kate Mosh verstehen sich schließlich immer noch als Teil von Sinnbus, Gitarrist und Sänger Sebastian Cleemann ist zudem selbst einer der Köpfe hinter dem Berliner Label. Gerade haben Kate Mosh ihre bereits kostenlos veröffentliche Online-Single „Amourette“ noch einmal herausgebracht. Auf weißem Vinyl und mit leicht veränderter Tracklist. Nicht, weil sie damit die dicke Kohle einstreichen würden, sondern einfach aus purem Idealismus und um ihre Musik weiter zu verbreiten. Schlagzeuger Jens Gathemann hat dafür extra ein Label gegründet. Und auch im nächsten Jahr hat man so einiges geplant, was zumindest in diesem Umfeld sicherlich noch keine Band aus Deutschland gemacht hat. Kate Mosh planen eine Serie von Singles, weil sie das Format „Album“ aktuell nicht für relevant befinden. Zumindest nicht für sich und in diesem Moment. Weder finanziell noch konzeptionell. Darüber muss geredet werden. Wir taten es im Rahmen ihres Konzerts in Nürnberg.

Ihr hattet gute Kritiken, Artikel in den wichtigen Magazinen, warum verkauft sich so ein Album wie „Breakfast Epiphanies“ trotzdem nur mäßig? Liegt das alles an gebrannten CDs und „illegalen“ Downloads?
Thom Kastning:
Hauptsächlich liegt es wirklich daran. So einfach ist es wohl schon.
Jens Gathemann: Wahrscheinlich hat es damit zu tun, aber wenn ich von mir ausgehe, finde ich persönlich, dass ein totales Überangebot an coolen Bands da ist. Und wir sind halt auch eine coole Band, aber halt eine unter vielen. Und auf der Tour habe ich wieder gemerkt, dass nicht nur beim Album, sondern auch beim restlichen Merchandise einfach die Kaufkraft nachlässt. Die reicht vielleicht aus sich die Alben von 10 der 100 coolen Bands zu kaufen, aber nicht für mehr.

Dein Statement ist also: „Mehr Kaufkraft!“?
Gathemann:
Absolut. Die Kaufkraft muss wieder hergestellt werden!
Pierre Türkowsky: Die Leute haben kein Geld, sie haben das Internet für sich entdeckt und holen sich halt alles, was geht. Dazu habe ich auch vor Kurzem wieder eine Geschichte von einem Freund gehört. Der hat einen sehr musikinteressierten Bekannten, also jemand den man als kleine Band eben auch schnell erreicht und da läuft das dann halt so ab: Wenn der neue Green Hell-Katalog da ist, sitzt der vor dem Rechner, liest die Reviews und was gut klingt, wird runtergeladen.

Ihr habt noch mal ne Single hinterhergeschoben, ward viel auf Tour, was kann man noch tun, um den Leuten den Kauf an der eigenen Kunst schmackhaft zu machen?
Türkowsky:
Naja, im besten Fall hat man ein richtig finanzkräftiges Label im Hintergrund, wovon es ja heute auch nicht mehr so viele gibt und wenn dann die Straßenbahn durch Berlin fährt, ist da ein fettes Werbebanner drauf, was dann dazu führt, dass die Leute es kaufen... Tja, was kann man machen? Das Internet wieder abschaffen. Rohlinge verbieten und den Leuten mehr Geld geben (lacht).
Gathemann: Wichtig ist ganz klar das Spielen, aber das ist halt eine Gradwanderung zwischen anbieten und anbiedern. Ich möchte nicht ALLES dafür tun, damit die Leute Eintausend Platten mehr kaufen. Dennoch: Spielen, spielen, spielen, wenn man die Möglichkeit hat. Und Idealismus finde ich ebenfalls sehr wichtig.

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Kate Mosh. Diesmal ohne Essen, dafür mit neuen Ideen.

Manche Labels sind inzwischen an den Toureinnahmen ihrer Bands beteiligt, um über die Runden zu kommen, wie sieht das bei euch aus?
Kastning:
Wir planen ja eine Reihe von Singles zu veröffentlichen, was beim Label natürlich erst einmal Skepsis hervorruft, weil damit natürlich hohe Produktionskosten verbunden sind, aber man versucht halt neue Wege zu gehen. Weil wir aber eben aus eigener Erfahrung in Sachen Labelarbeit wissen, wie schwierig das alles ist, versucht man dann das Label (Nois-o-lution) an den Toureinnahmen zu beteiligen oder die Sache halt irgendwie gerechter zu machen. Ich fand das bei Korn so schön, wo jetzt ja alles unter einem Dach ist. Die Einnahmen durch Promotion, Booking, Label, Merchandise gehen alle in einen Topf und dann wird das verteilt. Das ist natürlich eine ganz andere Größenordnung, aber vom Prinzip her ist das doch super. Man muss die ganze Sache aber auch nicht immer so derart negativ sehen, denn es findet nun mal ein Umbruch der Vertriebswege statt und es ist ja nicht so, dass es niemand gewusst hätte. Internet gibt es verbreitet seit was weiß ich zehn oder sieben Jahren und trotzdem wurde nur sehr langsam darauf reagiert. Schlimm ist aber, dass man neue Ideen entwickelt, die aber wieder so schwierig zu promoten sind, weil alle immer nur in Verbindung mit einem Album darüber berichten wollen.

Was hat es mit der Singles-Serie genau auf sich, was ist da konkret geplant?
Kastning:
Es geht darum, dass wir Songs, die wir schreiben und super finden möglichst zeitnah unter die Leute bringen wollen und nicht immer die eineinhalb Jahre warten, bis man genügend Songs zusammen hat, die aufgenommen hat und bis eben alles steht. Sagen zu können: „Jetzt sind zwei Stücke da und jetzt bringen wir die raus.“ Bei der Entwicklung des Konzepts öffnen sich gerade immer neue Türen, immer mehr Sachen, die einem klar werden, sowohl im positiven, wie im negativen Bereich. Sowas ist natürlich nicht einfach zu vermarkten, also muss man eben eine Reihe von Singles machen, nur dann fragt man sich wieder, ob das nicht schon wieder fast ein Album ist. Es gestaltet sich also schwierig und dennoch wollen wir das machen, alleine schon um diesen Rhythmus Album um Album aufzubrechen und im besten Fall zu zeigen, dass es so einfach nicht mehr funktioniert. Alle müssen sich einfach fragen: Wie geht’s weiter? Es gibt halt immer noch viele, die denken, dass man sich damit eine goldene Nase verdient und immer damit argumentieren, dass eine CD viel zu teuer ist, aber so einfach ist das eben alles nicht. Wir wollen diese Idee für uns probieren, aber wir sehen natürlich auch den Nachteil für die Leute, die Alben als ganzes mögen. Dafür hat man bei einer Single dann halt vielmehr dieses physisches Ding. Man legt die Platte auf und hört sich das dann an und schmeißt nicht eine CD in den Rechner, um das Album dann einfach in die Playliste zu werfen. Deswegen auch Vinyl, weil das halt äußerst selten im Papierkorb landet. Für die Reihe haben wir fünf Singles geplant und beginnen soll das im Frühjahr.

Ihr seht also aktuell lediglich die Möglichkeit mit etwas Physischem, wie einer Vinyl-Single die Leute wieder mehr zu animieren?
Gathemann:
Wir haben ja viel diskutiert über Veröffentlichungen. Und Vinyl und eine Single mit zwei Songs ist einfach ein cooles Medium. Da ist dann auch absolut klar, dass da geile Stücke drauf sein müssen. Und vielleicht ist es auch gar nicht so schwierig zu promoten, denn beim Album passiert alles auf einmal. Bei den Singles ist es vielleicht tatsächlich so, dass die Leute sich das richtig anhören und sich denken: „Oh, das klingt ja jetzt wieder anders, da sollten wir mal wieder zum Konzert gehen.“ Ich finde das fast spannender, auch wenn ich natürlich auch Alben mag.
Cleemann: Am Ende ist es ja auch so, dass wir als Band oder auch mit Sinnbus nicht genug McKinsey sind, um so was zu planen oder zu durchschauen. Wir wissen nicht, was passiert und wie das und das ankommt. Am Ende bricht man es darauf runter, dass es schnell gehen kann, dass es ein schönes Medium ist, das man gerne in der Hand hat und über das wir uns einfach freuen werden, wenn es fertig ist.

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Kate Mosh. Nach vorne, nach hinten, nach oben, nach unten und durch die Mitte.

Was ich interessant finde ist, dass man im Laufe der Zeit gemerkt hat, dass die CDs als Produkte bereits aufwendiger gemacht wurden. Es gibt inzwischen vielmehr Digipacks, weil man ja so was in der Regel schöner findet, aber anscheinend hat das ja trotzdem nichts bewirkt.
Kastning:
Es gibt halt wirklich Sammler, die einen kaufen dann gleich Vinyl und die anderen schön aufgemachte CDs, aber das sind anscheinend insgesamt einfach zu wenige.
Gathemann: Und da glaube ich wirklich, dass man das irgendwie lösen könnte, wenn es mehr Kaufkraft gäbe. Da gibt es bestimmt tierisch viele Menschen, die sich dafür interessieren und die gerne das Digipack hätten, aber sie können es sich einfach nicht leisten.
Cleemann: Das kommt sicher noch dazu, aber ich finde das ist dann oft auch nur eine Entschuldigung. Denn das ist keine Frage von was ich haben will, sondern was es mir wert ist. Wir und wahrscheinlich auch alle anderen in unserer Liga, in unserem Genre machen ja nicht nur Musik, die man haben will, sondern die einem vielleicht auch etwas wert ist. Musik, die eben nicht nur eins von einer Million Files ist und ich glaube durch dieses Überangebot und durch die Art, wie Musik zu Verfügung gestellt wird, ist dieser Wert verloren gegangen. Und da ist das Digipack ja im Grunde völliger Quatsch, denn da soll dem Käufer suggeriert werden: Zu der Musik, kriegst du auch noch ein richtig wertvolles Produkt. Und das durchschaut natürlich jeder.

Noch einmal zu den Singles: Wo wird es denn musikalisch hingehen?
Türkowsky:
Auch dazu kann man wohl nur sagen, dass man einfach noch nicht genau weiß, wie die Geschmäcker nächstes Jahr aussehen. Es wird auf jeden Fall innovativ hergehen, auch vertrackt, meinetwegen auch...
Cleemann:
...nach vorne, nach hinten, nach oben, nach unten und durch die Mitte.
Türkowsky: Wir werden jedenfalls nicht im Proberaum stehen mit heißen Kohlen unterm Aufnahmeknopf und sagen: „Jetzt brauchen wir schnell einen Hit! Mach mal nen Hit!“ Es wird sicherlich kein Schlager werden, sondern einfach nach Kate Mosh klingen.

Die letzte Frage: Wo wäre der Punkt, an dem ihr sagt. Bis dahin und nicht weiter. Wann würdet ihr als Band kapitulieren?
Kastning:
Das wäre dann, wenn keine Leute mehr zu den Konzerten kommen würden oder sich diejenigen, die da sind nicht mehr wirklich dafür interessieren. Aber solange wir immer noch gut besuchte Konzerte haben, immer Menschen da sind, die jeden Text mitsingen und in jeder Stadt irgendwer auftaucht, der sich für unsere Musik begeistern kann und sich damit beschäftigt, ist alles noch in Ordnung. Von Verkaufszahlen hängt das nicht ab, denn das ist eh schon egal und es wird zumindest so laufen, dass man seine Kosten noch damit decken kann.
Cleemann: Es ist in dem Moment vorbei, wenn andere wichtige Dinge in nicht hinnehmbarer Weise darunter leiden. Wenn man Leute enttäuschen muss, die sich auf einen verlassen. Wenn man alle Energie auf eine Sache verwendet und dann nach Hause kommt und da nichts mehr ist.

Interview und Text:
Sebastian Gloser
Fotos: Sebastian Gloser (1) / Pressefreigaben


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