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The Weakerthans Interview

Singing the sound that you found for me

 

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Die schnellste Truppe waren die Weakerthans ja noch nie. Dennoch wurde die Wartezeit nach ihrem Überalbum „Reconstruction Site“ von 2003 langsam unerträglich. Seit jeher haben Weakerthans-Alben eine therapeutische Kraft und die vermisste man in den letzten Jahren schon sehr. Keine Herbst-Depression ohne die sympathischen Herren aus Kanada. Als das Quartett dann im Sommer für ein paar Konzerte nach Deutschland kam, gab es immerhin schon zwei, drei neue Songs zu hören, doch noch immer keine Spur von einem Veröffentlichungsdatum. Im Spätsommer 2007 dann die Gewissheit, dass es Ende September endlich soweit sein würde. „Reunion Tour“ schrieb man sich mit großen Buchstaben in den Kalender und der vorab im Netz veröffentlichte Song „Night Windows“ machte nach einigen Durchgängen schon wieder feuchte Augen. Erste Textzeilen wurden per SMS im Freundeskreis ausgetauscht und ein paar Monate später treffen wir uns in Heidelberg, um unserer gemeinsamen Leidenschaft live beizuwohnen. Und wir haben die Möglichkeit John K. Samson zu interviewen. Wir lassen die Chance nicht ungenutzt.

Endlich seid ihr wieder hier auf Tour. Was habt ihr das letzte Jahr über getan, außer das Album aufzunehmen?

Well, that’s about it. Viel mehr haben wir nicht gemacht. Wir haben sehr hart an dem Album gearbeitet und seit September waren wir ja jetzt auf Tour.

Könnt ihr davon leben?
Ja können wir. Nicht großartig, aber immerhin.

Müsst ihr dafür Kompromisse eingehen?
Künstlerisch nicht, aber so lange von seiner Familie getrennt zu sein, ist natürlich schwierig.

Dass die Weakerthans von ihrer Musik leben können, liegt wohl auch daran, dass man eine Fanbasis vorweisen kann, die keinen großen Schwankungen unterworfen ist. Die Band hat nie einen übermäßigen Hype erlebt, neue Alben werden nicht einfach abgenickt, sondern enthusiastisch willkommen geheißen. Die Musik der Weakerthans ist extrem nachhaltig und darauf ausgelegt langfristig Wirkung zu erzielen. Dazu tragen natürlich vor allem auch die unglaublich poetischen Texte von John K. Samson bei, die alleine schon Grund genug sind sich die Alben im Original zu holen. Musikalisch vereint man so einiges: Singer/Songwriter- Grundgerüste paaren sich mit kraftvollem Indierock, inklusive Punk-Gestus und Anleihen aus Alternative Country. Der Sound hat sich über die Jahre deutlich verändert, stagniert zuletzt allerdings auf einem ungemein angenehmen Niveau...

Wenn man den Sound und das Songwriting der Alben vergleicht, fällt auf, dass sich die ersten drei sehr unterscheiden, während „Reconstruction Site“ und „Reunion Tour“ sehr ähnlich klingen. Liegt das daran, dass ihr inzwischen zufrieden seid, wie die Weakerthans klingen?
Ich höre mir unsere Alben kaum noch an, wenn sie einmal fertig sind. Ich kann mir deshalb nur schwerlich eine Meinung dazu bilden, aber es ist eine interessante Frage, über die ich so noch nicht nachgedacht habe. Es könnte tatsächlich so sein.

Auf dem Cover von „Reunion Tour“ sieht man einen Haufen Eisschorlen. Auf den Titel bezogen müsste man ja meinen, dass sich diese wieder zu einer großen formen, aber für uns sieht das ja eher so aus, als würden sie gerade auseinanderbrechen. Ist das so und wenn ja: War das Absicht?

Ja, da habt ihr recht (lächelt verschmitzt). So sehe ich das Bild auch. Wir alle haben das Bedürfnis nach Wiedervereinigungen und ein Thema des Albums sind eben all diese disconnected people, die in irgendeiner Form wieder zusammen kommen wollen. Ich finde das Artwork deshalb sehr passend.

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Wird es so etwas wie ein Artwork in den nächsten Jahren überhaupt noch geben, CDs scheinen ja langsam auszusterben...
Ich glaube LPs sind die Zukunft. Bei der aktuellen Platte haben wir es jetzt schon so gehandhabt, dass wir einen Download-Code dazugeben und ich glaube das ist ideal, ich möchte es nicht mehr anders machen für den Rest meines Lebens. LPs kaufen und das Album dann noch mal herunterladen. CDs sind Mist, die Leute sollten ihre zerstören. Ich glaube immer mehr Labels werden dazu übergehen und dann hat man einfach wieder diese schönen großen Cover. Das was Radiohead gemacht haben, war sehr clever. Ich habe es mir ebenfalls heruntergeladen und ich finde sie super, aber ich möchte etwas Physisches dazu.

Eure Alben erscheinen auch in Australien, seid ihr dort schon mal auf Tour gewesen?
Nein, leider nicht, denn wir hatten nie die Zeit und Energie dafür. It’s so far…

Aber trotzdem könnt ihr dort Platten verkaufen, es heißt ja immer das geht nur noch in Kombination mit einer Tour...
Wir verkaufen dort nicht so viele Alben. Es würde sicherlich besser laufen, wenn wir parallel touren würden. Das ist wohl die neue Realität, dass es nicht mehr ohne geht.

In einem Interview hast du gesagt, dass du niemals ein ganzes Buch schreiben könntest. Worin liegt der Vorteil bei Songtexten – abgesehen davon dass sie kürzer sind?
Sie haben einfach den Vorteil, dass sie Hand in Hand mit Musik gehen. Dadurch sind sie kraftvoller und erscheinen emotionaler.

Auf eurer Website sind einige Links zu befreundeten Bands, wie Tomte, Kettcar oder Tocotronic. Vor ein paar Jahren haben gerade Tomte richtig Werbung für euch gemacht und immer wieder euren Namen fallen lassen und wahrscheinlich hören tatsächlich viele Fans von Tomte und Kettcar auch eure Musik. Wie ist das aber umgekehrt? Kannst du euren Fans in Nordamerika diese Bands nahe bringen? Das kann man sich ja nicht nur wegen der Sprachbarriere schwer vorstellen.
Ich habe einige Freunde, die sich diese Bands gerne anhören. Und es gibt viele Olli Schulz-Fans in Winnipeg (lacht). Seine Alben haben irgendetwas, was die Leute dort sehr gerne mögen. Ich glaube, dass man auch wenn man die Sprache nicht versteht eine gewissen Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit heraushören kann und ich finde wirklich, dass man das gerade bei diesen Bands hören kann und ich liebe sie alle. Gerade mit Marcus (Wiebusch) und den Jungs von Tomte sind wir schon so lange befreundet, das sind alles sehr nette Menschen.

Apropos: Olli Schulz schreibt gerade ein Buch.

Ernsthaft?

Ja, es geht über das Rock’n’Roll-Business.
Haha, sehr gut. Der kann tatsächlich ein Buch schreiben, das garantiere ich euch.

Wenn es um seine Buddies in Deutschland geht, wird John K. Samson schwelgerisch: „Olli Schulz war für ein Jahr mal unser Fahrer auf Tour, das war super. Wo wohnt er denn im Moment? Hoffentlich treffe ich auch noch Thees (Uhlmann) auf Tour, er lebt ja jetzt in Berlin.“ Schön sei das gewesen, die ganzen Menschen vom Grand Hotel van Cleef in Hamburg zu treffen. Generell sei Hamburg so etwas wie ihre europäische Homebase, denn dort hat viel begonnen, als sie in Europa Fuß fassten. Bevor man zu Burning Heart wechselte, veröffentlichte Marcus Wiebusch die ersten beiden Alben auf seinem damaligen Label B.A. Records – dem Vorgänger vom Grand Hotel. Einen Umzug plant John K. Samson dennoch nicht und auch die musikalischen Zentren Kanadas - Toronto und Montréal - interessieren ihn nicht: „Ich werde auf absehbare Zeit in Winnipeg bleiben.“

Ist das eine Hass-Liebe?
Ja, auf jeden Fall. Aber ich glaube das geht fast jedem so mit seiner Umgebung, vor allem wenn er dort geboren ist.

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Warum ist das so?
Ich denke es ist menschlich, dass man immer das Gefühl in sich trägt, dass es woanders schöner sein könnte und dass man nicht zufrieden damit ist, wie es einem in seiner Umgebung geht. Darum geht es auf dem neuen Album ja auch; darum, dass man das Gefühl hat, an einem einzigen Ort nicht glücklich werden zu können.

Musik fördert ja oft diese Sehnsucht. Welche Alben haben dich in den letzten Monaten beeindruckt?
Puh... ich höre irgendwie nicht so viel. Die neue Manu Chao hat mir sehr gut gefallen, da hört man so viele verschiedene Sprachen und Kulturen heraus.

Beeinflussen dich andere Bands und Musiker oder kommen deine Einflüsse eher aus anderen Kunstformen?
Nein, ich brauche definitiv auch andere Musiker. Aber natürlich hole ich mir Inspirationen auch aus Bildern oder Büchern.

Es ist nicht die einzige Frage, die während dem Interview ein wenig im Sand verläuft. Das Gespräch ist trotzdem überaus angenehm und John K. Samson genau der andauernd lächelnde Mensch, den man von den Live-Auftritten kennt. Das Eis will nicht entgültig brechen, vielleicht fehlt dazu das letzte Quäntchen Vertrauen. Samson ist nicht gelangweilt, scheint aber etwas müde zu sein. Kein Wunder nach den vielen Wochen auf Tour. Auf der Bühne wird davon später allerdings nichts zu spüren sein. Die Weakerthans klingen besser denn je. Live inzwischen durch einen fünften Mann verstärkt und mit frischer Kraft am Bass. Greg Smith heißt der Typ, der seit zwei Jahren John P. Sutton ersetzt, nachdem dieser aus bis heute nicht genannten Gründen die Band verlassen hat. Eine Übergangsphase in der man schon ein bisschen Angst um eine seiner Lieblingsbands haben durfte, aber John K. Samson gibt zum Glück Entwarnung.

Habt ihr in den letzten Jahren je darüber nachgedacht die Band aufzulösen?

Nein. Wenn dann geht es darum sich für eine längere Zeit frei zu nehmen. ‚Breaking up’ is something teenagers do. Ich finde so etwas kindisch. Wenn dann würden wir einfach aufhören Musik zu machen, um dann vielleicht irgendwann wieder weiterzumachen. Ich fände das bescheuert eine Mitteilung rauszugeben, dass wir uns aufgelöst hätten.

Die Weakerthans werden also sozusagen immer da sein?
Ja genau. Es wird in manchen Zeiten vielleicht einfach etwas ruhiger um uns werden...

Interview: Sebastian Zapf und Sebastian Gloser
Text: Sebastian Gloser
Fotos: John Schledevitz (Pressefreigaben)


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