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März Short-Cuts

März 2007: Maria Taylor / The Sounds / Idlewild

Nagelneu bei Sellfish: die Interview Short-Cuts. Von Zeit zu Zeit bekommt ihr von uns jeweils im Dreier-Pack die wichtigsten Kurz-Interviews geliefert. Kurz, prägnant, provokativ. Damit am Ende auch ja keiner sagen kann, wir hätten eine Band übersehen!

Short-Cut 1: Maria Taylor - Die Innere Gelassenheit

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Maria Taylor

Maria Taylor gibt sich vergnügt. Ihr neuestes Album "Lynn Teeter Flower" ist im Kasten, der letzte Abend ihrer erfolgreichen Wintertour durch Deutschland liegt hinter ihr und in zwei Tagen geht es auch schon wieder nach New York, Video-Dreh mit Conor Oberst. Für dessen neueste Bright Eyes Single "Four Winds". Und, diese Auskunft muss sie geben, dessen neues Album wird "unglaublich. Die Welt wird begeistert sein!" Maria Taylor hat aber auch selbst allen Grund vergnügt zu sein. Das Zweitwerk manifestiert nämlich ihren
Ruf als Songwriterin, als sanfte Balladenschreiberin. Die Brüchigkeit ist noch da, auch ihre über die Jahre geschliffene Stimme. Und alles ist miteinander verbunden: das Cover des neuen Albums zeigt die kleine Holzfigur, die auch schon auf dem Debüt "11:11" zu sehen war. Ebenfalls miteinander verwoben: Conor Oberst, der "The Ballad of Sean Foley" mitschrieb und mitsang. Und dann sind da natürlich Andy LeMaster (Now it's Overhead) und Taylors Geschwister, die alle wieder dabei sind. So, wie es sich für Saddle-Creek auch gehört.

Der letzte Song deines Albums besteht aus einem Mädchengesang. Ist das "Lynn Teeter Flower"?
Nein, das bin ich!

Wirklich? Ich dachte das wäre irgendeine Freundin deiner Familie!
Nein, das ist meine Stimme. Da war ich fünf Jahre alt. Ich singe eigentlich ziemlichen Unsinn. Mein Vater hatte eine Freundin, die hieß Lynn. Sie hatte einen Blumenladen namens "Teeter Flowers". Und daraus habe ich dann "Lynn Teeter Flower" geformt und vor mich her gesummt. Mein Vater hat dann ein Diktiergerät auf den Tisch gestellt und es einfach mitlaufen lassen.

Auf deiner neuen Solo-Platte ist wieder die Holzfigur vom Debüt zu sehen. Ist dir diese Verbindung zwischen den Solo-Alben wichtig?
Ich möchte immer eine Verbindung mit der Vergangenheit haben. Viele wollen das vergessen, was hinter ihnen liegt. Zumindest wenn es schlechte Erinnerungen sind. Ich sehe sie aber als Teil des Charakters, man kann viel aus seiner eigenen Vergangenheit, aus seinen Fehlern lernen.

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Maria Taylor

Bist du anders heran gegangen, an dein zweites Solo-Album?
Definitiv. Ich wollte es wesentlich direkter klingen lassen. Es sollte rauher klingen und im wesentlichen die Rohheit eines Live-Auftritts in sich tragen. So wenige Overdubs wie möglich, fast alles in einem Take zu singen - das war mir auf "Lynn Teeter Flower" sehr wichtig. Auch lyrisch wollte ich mich verändern: weg von rein subjektiven Erlebnissen, hin zu etwas mehr Storytelling. Vieles handelt von meinen Freunden, von Träumen und von den Möglichkeiten, wie mein Leben hätte aussehen können, wenn ich andere Entscheidungen getroffen hätte. Ich wollte meine Vorstellungskraft diesmal mehr herausfordern.

Es waren viele Musiker und Produzenten an der Entstehung deines neuen Albums beteiligt. Das ist für Saddle Creek ja nicht untypisch. Woran liegt das?

Ich brauche Menschen um mich herum, die kreative Energie versprühen. Ich brauche Meinungen, ständigen Input. Doug Easley war eine große Inspiration für mich. Er hat eine tiefe, innere Gelassenheit, die er ausstrahlt. Und er hat ja mit so vielen tollen, unterschiedlichen Musikern zusammengearbeitet. Pavement zum Beispiel, oder Cat Power. Und er hatte so viele gute Ideen, auf die ich selbst nie gekommen wäre. Ich habe mich bei ihm sofort wohl gefühlt.

Du ahnst die Frage sicherlich schon: wie sieht es mit Azure Ray aus? Drängt es dich nie, wieder mit Orenda Musik zu machen?
Ich denke natürlich oft daran, aber eine Notwendigkeit besteht nicht. Ich will nicht behaupten, dass das Kapitel abgeschlossen ist. Aber Orenda und ich haben zwölf Jahre Azure Ray gemacht und uns am Ende dieses Prozesse auf gewisse Art und Weise selbst gefunden. Wir wurden gewissermaßen Persönlichkeiten durch Azure Ray. Und mit Abschluss dieses ... Selbstfindungsprozesses war Azure Ray einfach nicht mehr notwendig für uns. Wir haben jetzt beide eine eigene, individuelle Stimme gefunden und fühlen uns sehr wohl damit.

Short-Cut 2: The Sounds - Energie, Charisma, Rock'n Roll

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Vorn: Maja, dahinter: der Rest

Ein wenig Herzklopfen bekommt man als Mann in jungen Jahren ja schon, wenn man von der Gelegenheit eines Sounds-Interviews erfährt. Schließlich ist deren Frontfrau Maja Ivarsson so ziemlich, man entschuldige die Ausdrucksweise, der heißeste Feger auf dem Wave-Punk-Parkett. Schon ihre anzüglichen Gesten, ihr gewagt-kurzer Rock, die blonde Haarpracht, der fordernde und zugleich zurückweisende Blick, den nur Frauen so hinbekommen - all das läßt Männerherzen höher und vor allem schneller schlagen. Dass sich die Hoffnung letztlich doch nicht bestätigt, kann man an dieser Stelle ahnen. Nichtmal ein müdes Hallo hat die Schwedin übrig. Kurz den Teebeutel eingetunkt, missmutig geblickt, das wars. Stattdessen sitzen da Fredrik Nilsson (Schlagzeug) und Johan Bengtsson (Bass), irgendwo zwischen gelangweilter Rocker-Pose, Tour-Langeweile und Semi-Interesse. Was solls, das Album "Dying to say this to you" liegt ohnehin fast ein Jahr zurück, die Tour schlaucht und irgendein Dahergelaufener verdingt sich im Tourbus als Musikjournalist. Dass sie aber das Augenscheinlichste weit von sich weisen würden, das war nun wirklich nicht zu vermuten ...

Als ich euch das erste mal gesehen habe, hat mich der sexuelle Aspekt eures Konzert richtiggehend überrascht. Das Konzert war gut, aber mich hat die sexualisierte Bühnenshow etwas irritiert ...
Ich denke da hast du einen falschen Eindruck bekommen. Wir wollen einfach eine gute Rockshow abliefern. Und der sexuelle Aspekt mag vielleicht bei einigen Menschen ausschlaggebend für eine Sounds-Show sein, für uns ist er das sicher nicht. Wenn überhaupt ist das ein winziger Baustein in der gesamten Show.

Was ist denn für euch wichtig? Was sollte ein gutes Rock'n Roll Konzert beinhalten?
Energie, Charisma und den richtigen Überraschungsmoment. Du hast es ja selbst erlebt: das Sounds-Konzert war mehr, als du erwartet hattest. Genau das wollen wir bezwecken. Auf dieser Tour jetzt spielen wir viele Shows vor Menschen, von denen uns kaum jemand jemals Live gesehen hat. Es ist ein tolles Gefühl, die Reaktionen zu beobachten.

Gibt es Rock'n Roll Klischees, die euch über den Weg laufen? Müsst ihr die manchmal umgehen?

Jeder Tag hat seinen "Spinal Tap"-Moment. Da musst du drüber lachen können und das ganze nicht allzu ernst nehmen. Wir nehmen unsere Musik ernst, aber nicht uns selbst als Musiker. Ich bewundere jeden Menschen, der über sich selbst lachen kann. Diese Distanz zu sich selbst, die ist sehr wichtig und zeichnet die Band meiner Meinung nach auch aus.

Ihr transportiert mit The Sounds auch eine gewisse Party-Laune. Die Menschen kommen zu eurer Show, weil sie ausgelassen feiern können. Müsst ihr da manchmal "abliefern", obwohl ihr gar keine Lust habt?

Nein, sobald wir die Bühne betreten, legt sich da ein Schalter um. Selbst wenn es der furchtbarste Tag des Jahres ist und du dich wie ein Haufen Elend fühlst: sobald du die Bühne betrittst ist das alles verschwunden.

Haben die Menschen ein Recht auf eine "The Sounds Rock'n Roll Show"?

Jeder, der sich ein Sounds-Ticket kauft, bekommt eine Rock'n Roll Show. Wenn nicht, gibt es das Geld zurück. (lacht)

Hat das Tourleben seine Spuren bei euch hinterlassen?
Definitiv. Am Anfang war es eine einzige Party. Das haben wir jetzt einigermaßen hinter uns. Man wird ja auch älter, und irgendwann wiederholt sich alles. Irgendwann merkst du als Musiker, der ständig tourt: "Verdammt. Das mache ich hier nicht als Hobby, das mache ich als Job. Als permanenten Job." Sobald du diese Feststellung machst, kannst du einfach nicht mehr ununterbrochen feiern!

Short-Cut 3: Idlewild - Every Day Record

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Roddy Woomble, konzentriert

Dass es Idlewild noch gibt, dürfte nur die verwundern, die das letzte Lebenszeichen "Warnings / Promises" (man beachte die Hiobsbotschaft im Titel) als eklatanten Ausrutscher angesehen haben. Der Pathos schwappte durch den schottischen Proberaum und flutete die letzte Kooperation zwischen der Band und ihrem Major-Label. Danach war Schluss. Für Parlophone hatte sich die Hoffnung, aus Idlewild das nächste große Rockding zu machen, nicht so recht erfüllt. Die Band hatte zwar beachtliches geschafft, den vielbeschworenen Durchbruch hingegen nie. Wenig verwunderlich war es da, dass nach dem eher mauen "Warnings / Promises" erst einmal Schluss war. Die Band zog sich zurück, Woomble zog nach New York und veröffentlichte ein kleines Folk-Album. Inzwischen allerdings hat man sich wieder zusammengerauft, den Proberaum bezogen und das einzig richtige gemacht: es laufen lassen. Direkte, schnörkellose Rocksongs geschrieben. Den Indie-Punkrock wieder den richtigen, nötigen Drall gegeben. "Make another world" war das Ergebnis. Ein Ergebnis, auf das Woomble stolz ist.

Weißt du, warum Parlophone den Vertrag mit Idlewild nicht erneuern wollten?

Es waren viele unterschiedliche Gründe. Parlophone war der Meinung, dass sie so viel sie konnten in die Band investiert hatten. Und wir hatten ja das gleiche Gefühl. Das eigentliche Problem war EMI in England, nicht Parlophone in Schottland. EMI brachte zwar unser Album heraus, aber Promotion haben sie keine betrieben. Weder in England noch im restlichen Europa oder gar den USA, wo wir ja auch viel getourt sind. Die Lage war einigermaßen hoffnungslos. Wir waren und sind ja nach wie vor von uns überzeugt, wir haben uns Live gewissermaßen aufgeopfert. Und wenn dann vom Label so wenig Unterstützung kommt, ist das frustrierend! Was bringt es, in Deutschland zu spielen, wenn kein Mensch dein Album im Laden kaufen kann?

War die Gefahr groß, dass Idlewild sich auflösen könnten?
Oh nein. Wir spielen schon so lang zusammen, da kann das Ende eines Plattenvertrages nicht das Aus bedeuten. Wir sind Schwierigkeiten gewohnt. Und nach einer Auszeit und mit einem neuen Label im Rücken spüren wir auch wieder den gleichen Enthusiasmus wie zu Beginn unserer Karriere. Ein Plattenvertrag ist ein Plattenvertrag. Das ist ein Vertrag, der es dir ermöglicht, Platten zu vertreiben, mehr nicht. Du kannst aber auch so Musik machen und touren, dein Leben hängt ja nicht davon ab! Viele meiner Freunde in Glasgow sind großartige Musiker, und die haben keinen Plattenvertrag.

Was war euch wichtig bei der Suche nach einem neuen Label?
Dass es nette Menschen sind! Und dass unabhängige Strukturen vorhanden sind. Sequel ist ja kein Major, und das war uns wichtig. Wir wollten nicht wieder Einfluss abgeben an ein Unternehmen, das dir sagt, was du zu tun hast. Am Anfang unserer Karriere haben wir das billigend in Kauf genommen. Das ist jetzt anders. Wir wollen jetzt die Entscheidungen selbst treffen.

Was denkst du heute über "Warnings / Promises"? War es ein Schnitt in der Idlewild-Geschichte ...?
Oh nein, es ist ein wunderbares Album. Es ist neuerdings Mode, das jeweils zurückliegende Album herunterzumachen, damit sich die neue Veröffentlichung möglichst "frisch" anfühlt. Das ist Unsinn und ich sehe auch nicht ein, warum "Warnings / Promises" ein schlechtes Album sein soll. Es ist ambitioniert, voller Ideen und Arrangements. Es wird immer eines meiner Lieblingsalben sein.

Aber das neue Album, "Make another world", ist schon ein Statement, oder?
Wir wollten weniger nachdenken, dieses mal. Es sollte sich so unmittelbar wie möglich auf der Platte wiederfinden. Wir haben gerade einmal zwei Wochen für die Aufnahmen gebraucht. Wir waren sehr euphorisch und haben den Moment genutzt. Ich denke das meinen Bands immer damit, dass ein Album "frisch" klingt. Es ist im Grunde ein "Every day Record". Es kam aus dem Moment heraus.

Interviews + Text: Robert Heldner
Fotos: Taylor-Fotos by Fabienne Mueller; Idlewild + The Sounds: Offizielle Pressefotos.


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