Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

November Short-Cuts

November 2006: The Datsuns / The Sunshine Underground / Stars

Nagelneu bei Sellfish: die Interview Short-Cuts. Jeden Monat bekommt ihr von uns jeweils im Dreier-Pack die wichtigsten Kurz-Interviews geliefert. Kurz, prägnant, provokativ. Damit am Ende auch ja keiner sagen kann, wir hätten eine Band übersehen!

Short-Cut 1: The Datsuns - "Weil wir es konnten!"

Datsuns.jpg

Dolf Datsun (Foto: © Fabienne)

Einst waren sie mit ihrem Debüt "The Datsuns" das Next Big Thing, dann kann der laue Aufguß "Outta Sight / Outta Mind". Und jetzt beginnt der Aufstieg von neuem. Die selben kleinen Clubs, aber die weitaus besseren Songs: The Datsuns wollen mit dem im September veröffentlichten Drittwerk "Smoke & Mirrors" erneut den Rock-Olymp besteigen. Nach 2 Jahren Pause wird es auch allerhöchste Zeit für die Neuseeländer.

Seid ihr froh, nach all den Querelen endlich wieder ein Album veröffentlicht zu haben?

Dolf Datsun: Ach, es ist immer eine Erlösung, wenn man ein Album fertiggestellt hat. Nur leider dauert es dann immer noch sechs Monate, bis es schließlich auch die Fans hören können. Mir wäre es am liebsten, wenn ich einen Song direkt nach Abschluss auch veröffentlichen könnte und nicht ewig warten müsste, bis es endlich mal jemand hört.

Ist es euch einfach gefallen, das Album aufzunehmen?
Dolf: Einfach? Gott bewahre, nein. Eine Platte aufzunehmen ist nie einfach! Es ist eine emotionale Investition und meilenweit davon entfernt, einfach zu sein!

Es wird gern behauptet, dass das zweite Album einer Band das schwierigste sei. Wie siehst du das?
Dolf: Zumindest aus Sicht der Musikindustrie ist das zweite Album das schwierigste. Aber aus Sicht der Band macht das keinen Sinn. Da willst du einfach bloß Alben aufnehmen, deine Musik nach draussen bringen. Und ständig zu wiederholen, dass das zweite Album das schwierigste für eine Band ist, erzeugt so viel Druck, der einfach nicht nötig wäre!
 

Datsuns2.jpg

Dolf Datsun (Foto: © Fabienne)

Ihr habt eine lange Pause eingelegt zwisch dem zweiten Album und dem neuesten Werk. Hat die Pause geholfen?
Dolf: Die Pause war insofern förderlich, als dass ich mich irgendwann so gelangweilt habe, dass ich einfach eine Gitarre in die Hand nehmen wollte. Und nicht, weil ich musste. Wenn du gelangweilt bist, kommen dir irgendwann die irrsten Ideen. Wenn du dann noch deinen Hintern hoch bekommst, kannst du ungemein kreativ werden. Und von da an ging das Songwriting auch wesentlich flüssiger und einfacher, als es vor unserem zweiten Album der Fall gewesen ist.

Wenn ich mir das Cover des neuen Albums so ansehe, sieht das aus, als wolltet ihr einen Klassiker aufnehmen ...
Dolf: Das ist eine richtige Einschätzung. Das wollten wir schon immer erreichen. Jede Band will doch, dass die Menschen sagen: "Wow, das ist das beste Album seiner Zeit!". Und nicht: "Hm, ja, schon okay so wie es ist". Die meisten Bands, die angeblich so modern sind und dem Zeitgeist hinterher rennen, klingen für mich seelenlos. Sie sprechen mich auf einer emotionalen Ebene überhaupt nicht an! Der Witz ist ja: viele Bands, die wie wir die 70er aufleben lassen wollen, scheitern und klingen wie eine schlechte Coverband aus den 80ern!

Warum habt ihr eigentlich einen Gospel-Chor engagiert?

Dolf: Weil wir es konnten! (lacht) Nein, das stimmt so natürlich nicht. Um ehrlich zu sein: ich wollte nicht die ganze Zeit alles singen müssen. Ich wollte mal sehen, wie es ist, neue Gesangselemente in unsere Musik aufzunehmen. Elemente, die für unser Genre eigentlich untypisch sind. Darin lag natürlich auch eine Gefahr: Sachen bloß deshalb zu tun, weil man die technischen und finanziellen Möglichkeiten dafür hat.

Short-Cut 2: The Sunshine Underground - Rave Recycled

Sunshine_Underground.jpg

The Sunshine Underground (Foto: ©Red Ink)

Leeds als Epizentrum des New-Rave und guter alter Rockmusik? Vielleicht mal die Kaffee-Flecken von der Landkarte wischen und objektiv bleiben: jede große Stadt hat ihre großen Bands. Und Leeds hat eben die Kaiser Chiefs. Und jetzt auch The Sunshine Underground. New-Rave, Disco-Punk, Electro-Clash - wie auch immer man das nennen mag, keine dieser Beschreibungen kommt auch nur annähernd den Live-Erfahrungen nahe. Tanzbeine, Stakkato, Kuhglocken, Beats Beats Beats: mit "Raise the Alarm" haben The Sunshine Underground im September das wohl beste Tanzalbum des Jahres veröffentlicht.

Wäre euer Album vor fünf Jahren möglich gewesen?

Craig: Nein. Schon allein deshalb, weil wir unsere Instrumente nicht spielen konnten. Ich weiß, du meinst etwas anderes. Was war denn vor fünf Jahren? Da waren doch die Strokes, oder? Also rein theoretisch hätte unsere Musik doch funktioniert. Heute gründen sich ja viele englische Bands nur deshalb, weil sie wir die Strokes oder die Libertines klingen wollen. Selbst die Arctic Monkeys, die jetzt zwar eine eigene Institution sind, sollten wie die Libertines klingen. Das war bei uns definitiv anders!

Sind The Sunshine Underground eine moderne Band?
Craig: Ich denke schon, ja. Man recycled ja als Musiker immer irgendeine Epoche oder Band. Aber letztlich ist es doch entscheidend, wie der Song entsteht. Wir spielen ein Riff, eine Melodie, einen bestimmten Basslauf - und wenn es uns gefällt, verarbeiten wir das in einem Song. In dem Moment ist es nicht mehr entscheidend, welche Bands du gern hörst. Also ja, wir sind insofern modern, als dass wir uns nicht von Vorbildern leiten lassen, sondern uns einen eigenen Lauf geben. Und wir sind zumindest im Unterschied zu den Libertines oder Arctic Monkeys modern, weil wir diese Rave-Elemente mit in unsere Musik aufgenommen haben. We like high-energy music!

Ihr habt letztlich ein technisch sehr ausgefeiltes Album aufgenommen. Habt ihr da von Anfang an Wert drauf gelegt?
Craig: Oh man, kein Stück. Das ging schon aus Geldnot nicht. Für unser erstes Demo hatten wir ca. 250 Euro, damit konnten wir in Leeds im kleinsten Studio genau einen Tag aufnehmen! Immerhin haben wir 3 Songs geschafft, auch wenn ich mir das Ergebnis heute nicht mehr anhören kann. (lacht) Wir sollten das Demo heute mal unter falschem Namen an unser Label schicken. Ich wäre gespannt, was sie sagen würden. "Sorry Jungs, das ist nicht genau das was wir suchen! Ihr klingt wie Sunshine Underground!"

Short-Cut 3: Stars - Set Yourself On The Good Side

stars.jpg

Stars-Sänger Torquil Campbell (Foto: ©sellfish.de)

Im Tourbus der "Stars", jener reizenden Band, die 2005 mit "Set yourself on fire" das beste Indie-Pop-Album des Jahres herausbrachten, riecht es nach verbotenen Substanzen. Sänger und Songwriter Torquil Campbell macht auch nicht gerade den Anschein, als sei er frei von Dämpfen. Trotzdem sagt er ein paar Dinge, die den Eindruck verfestigen, dass die Kanadier aus dem Broken Social Scene Umfeld verdammt gutherzige Menschen sind. Der ehemalige Schauspieler (u.a. Sex and the City) gibt sich betont pathetisch, auf eine liebevolle, weltumarmende Art und Weise ...

Du warst gerne auch mal Schauspieler. Überträgt sich das auf die Bühne?
Klar. You take Action. Das verstehe ich unter Schauspielerei. Da ziehst du dir eben kein Kostüm über und versuchst, jemand anderes zu sein. Du versuchst eine Geschichte zu erzählen. Wenn dir jemand ein Drehbuch gibt oder ein paar Songtexte: immer interpretierst du sie und füllst sie mit Leben. Das ist auf der Bühne nicht anders als vor der Kamera. Für mich ist das also ein und der selbe Akt: zu singen oder zu schauspielern.

Die Musik deiner Band "Stars" ist melancholisch und positiv zugleich. Willst du Menschen helfen?
Ich bin ein Menschenfreund. Meine ganze Welt besteht daraus, was zwischen mir und anderen Menschen passiert. Kommunikation, Interaktion. Ich bin in einer Künstlerfamilie aufgewachsen, da hat man mir beigebracht, dass Kunst die Welt verändern kann. Du musst keine Waffe in die Hand nehmen, keinen Anzug tragen, du musst keine hohe Schulbildung haben! Dadurch, dass du dich selbst ausdrückst und dir die Menschen zuhören, veränderst du die Welt um dich herum. Darin bin ich gut. Ich kann prima Ideen verkaufen, an das Publikum. (lacht)

Hast du mit dieser Einstellung auch schon schlechte Erfahrungen im Musikbusiness gemacht?
Logisch!

Welcher Art?
Das würde ich dir im Leben nicht verraten! Aber klar, diese Erfahrungen machst du ganz automatisch, weil das Musikgeschäft nunmal so funktioniert: du verkaufst die Ideen von Künstlern, um Geld damit zu machen. Das ist ja kein Geheimnis. Darüber kann man sich für den Rest seines Lebens aufregen, oder aber man akzeptiert das ganze und macht das einzig sinnvolle. Nämlich, Songs zu schreiben und zu singen. Jeder auf der Welt will gehört werden, jeder einzelne Mensch hat etwas, was er der Welt mitteilen möchte. Glücklicherweise darf ich einer von denen sein, die das vor einem größeren Publikum machen.

Das klingt jetzt hoffentlich nicht zu hart, aber findest du es fair, dass die meisten Menschen diese Erfahrungen nicht erleben dürfen?
Nein, natürlich ist das nicht fair. Jeder Mensch sollte seine Songs singen dürfen und jeder Mensch müsste sich das zumindest einmal in seinem Leben anhören!

Was möchtest du noch unbedingt tun, bevor du stirbst?
Das ist eine schwere, kaum zu beantwortende Frage. Okay, also ich möchte mit meiner Frau in einem Boot im Mittelmeer treiben, bei Nacht. Und wir retten einen Schiffbrüchigen! (Lacht und kichert)

Kein Kinderwunsch?
Doch! In der selben Nacht! (lacht) Meine Frau bekommt unser Kind unter dem funkelnden Sternenlicht, während ich den Schiffbrüchigen rette. Und am Ende trinken wir alle Champagner!

Interview + Text: Robert Heldner
Fotos: 1 + 2 Fabienne Mueller ; 3 offizielles Pressefoto , 4 sellfish.de


Zum Seitenanfang

ERROR!