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The Decemberists

The Crane Wife

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Ein wenig verwunderlich ist es schon, dass Portlands Indie-Helden nicht spätestens mit dem großartigen „Picaresque“ auch hierzulande Fuß fassen konnten. Vielleicht liegt es daran, dass die Mixtur aus Seefahrerromantik und Geschichtskunde vielen einfach zu versponnen war.
Deshalb ist es dann auch trotz Major-Deal eher fraglich, ob den Decemberists ausgerechnet mit „The Crane Wife“ der Durchbruch bei uns gelingt, denn der wundersamen Story um die Kranichfrau könnte das nötige Identifikationspotenzial abgehen.Die Kurzfassung der Geschichte, die Chef-Decemberist Colin Melloy einem alten japanischen Märchen entnommen hat, lautet in etwa so: Ein verarmter Mann pflegt einen verletzten Kranich gesund, woraufhin selbiger als schöne Frau in sein Leben zurückkehrt und für glücklichere, sprich wohlhabendere Tage sorgt. Dass die Story leider ohne Happy End auskommt, wird schon zu Beginn offensichtlich: „The Crane Wife 3“ startet sachte, markiert aber eigentlich schon das traurige Ende: „How were my eyes so blinded? / each feather it fell from skin“. Trotzdem handelt es sich nicht um ein Konzeptalbum im klassischen Sinn, da die Tragödie um „The Crane Wife“ nicht die einzige besungene Thematik bleibt. Im Verlauf des Albums zeigt sich nicht nur, dass die Decemberists begnadete Musiker, sondern auch definitiv experimenteller geworden sind. In “The island, come and see, the landlord's daughter” lassen sie ganze zehn Minuten lang den Prog-Rocker raushängen, und „When the war came“ riff-rockt in bester Led Zeppelin-Tradition. Der Text hierzu entstand nach der Lektüre des Buches „Hunger“ von Elise Blackwell, doch kann sich Melloy einen kleinen Seitenhieb auf das aktuelle politische Geschehen nicht verkneifen: “Our trust put in the government, they told their lies as heaven-sent”. Die wahren Stärken der Band liegen allerdings weiterhin im Komponieren von nahezu perfekten Popsongs. Und solche finden sich wieder zuhauf auf dem nunmehr vierten Album: die beschwingte Single „O Valencia“ beispielsweise oder „Yankee Bayonet (I will be home then)“. Das zauberhafte Duett mit Laura Veirs ist der Beweis dafür, dass sich Zuckerwatte vertonen lässt. Wie im Märchen geht es auch weiter, wenn der Hörer über die Entstehungsgeschichte des Kranich-Dramas aufgeklärt wird. Bei “The crane wife 1 and 2” schwebt am Ende nur noch das im wahrsten Wortsinn herzergreifende Mantra des Unglücklichen in den Gehörgängen:„It rakes at my heart“. Und wer weiß, vielleicht könnte „Sons and daughters“ - grandioser Abschluss und Hymne alle Pioniersseelen - dann doch noch die Abenteuerlust in uns wecken!

Bewertung: 8 von 10 Sternen / Spielzeit: 61:08 / Folk-Pop

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