Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

Beş Vakit

 

Regie: Reha Erdem
Darsteller: Özkan Özen, Ali Bey Kayali, Elit İşcan, Bülent Emin Yarar, Taner Birsel

Ausgezeichnet mit dem Spezial Preis der Jury für Regie und dem Preis der Nachwuchsjury.

„Beş Vakit“ – das sind die fünf Gebetszeiten, die den Tagesablauf gläubiger Muslime strukturieren und bestimmen. Auch in dem kleinen Dorf im Nirgendwo, dort, wo Ömer, Yakup und Yildiz zu Hause sind, ruft der Muezzin täglich fünf Mal zum Gebet.

bes_vakit.jpg


Stundenlang sind sie draußen, jeden Tag. Streifen durch die Landschaft, rauchen heimlich Zigaretten, lieben die Natur. Für einen kurzen Augenblick sind sie frei – bis die nächsten Gebetsgesänge leise in ihren Kinderohren erklingen.
Ömer verachtet seinen Vater. Ununterbrochen bevorzugt dieser seinen jüngeren Bruder und sieht dabei nicht, wie Ömer um ein kleines bisschen Liebe und Anerkennung kämpft. Immer wieder vertraut Ömer seinem besten Freund Yakup heimliche Mordgedanken an, die er gegen seinen Vater hegt. Als sein Vater schwer krank im Sterben liegt, schafft es Ömer nicht, seine Hand zu halten. Er flieht auf den nächsten Berg, weint und sehnt sich nach Liebe.
Yakup selbst ist unsterblich in die gemeinsame junge Lehrerin verliebt. Während er versucht, diese neue Gefühlswelt für sich selbst zu begreifen, verliert sein Geheimnis bereits wieder an Zauber – er sieht, wie sein eigener Vater am Fenster der Lehrerin herum schleicht. Seine kleine Welt voller Hoffnung und Glück erhält innerhalb von Sekunden tiefe Risse.
Yildiz hilft ihrer Mutter wo sie nur kann. Sie kümmert sich sehr liebevoll und mit einer Reife, die für ihr Alter ungewöhnlich ist, um ihr kleines Schwesterchen, Anerkennung erhält sie von ihrer Mutter dafür nicht – Nein, sie muss sich immer wieder neu behaupten, um auch nur ein kleines Fünkchen Interesse zu erhaschen. Als das Mädchen ihre Eltern beim Sex ertappt ist sie verwirrt, gerät mit sich selbst in Konflikt, ob sie wissen will, oder lieber vergessen.

Ömer, Yildiz und Yakup erklimmen die Wege der Berge genauso wie die Schwierigkeiten der Pubertät. Dabei gibt ihnen nicht etwa die eigene Familie halt, sondern die Weite der Natur, in der sie alles kurzzeitig vergessen. Yildiz muss natürlich früher nach Hause, Tag für Tag, denn sie ist ein junges Mädchen.

Kraftvolle, sehr poetische Bilder erzählen ohne große Worte aus dem Leben der Kinder, die mit den Problemen des Erwachsenwerdens zu kämpfen haben. Dramatische Musik füllt die Leere aus, wenn das Bild stehen bleibt – die Kinder flach auf den Boden gepresst unter der „totalen“ göttlichen Aufsicht und dem Druck, der damit auf ihnen lastet. Die Landschaft erscheint in diesen Momenten trocken und karg.
Reha Erdem arrangiert seine Hauptdarsteller bewusst in leeren Straßen, unter Bäumen, flach auf dem Boden liegend – dabei immer eins mit der Natur. Ein Abbild, wie Kindheit sein mag, in einem kleinen Dorf in der Ägäis – nicht ohne Pflichten, Traditionen und Regeln, die es einzuhalten gilt, aber Ömer, Yakup und Yildiz leben von ihren stillen Bündnissen gegen die Erwachsenen, von ihren Streifzügen durch das Land und von ihren Gefühlen, die sie ganz neu entdecken.
Der Regisseur erschafft eine eindrucksvolle Balance aus Unbeschwertheit und Last, zwischen denen sich die Kinder hin und her bewegen. Der Zuschauer wird für knappe zwei Stunden in dieses kleine Dorf entführt und will gar nicht wieder aufwachen, in der großen dreckigen Stadt. Vielleicht auch ein stiller Aufruf, die Natur zu bewahren. Die Natur, in der die weltlichen Gefahren noch keine Überhand erlangen konnten.

Autor/in:


ERROR!