Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

Pawnshop Orchestra

Dizzy

pawnshoporchestra.jpg

Leuten, die bei Alben immer ganz genau auf die ersten Textzeilen achten, sollte bei dieser Veröffentlichung das Herz aufgehen. „Vielleicht schreibe ich Lieder / weil ich zu dumm bin ein Buch zu schreiben“, heißt es da und man reißt begeistert die Arme in die Luft. Das ist LoFi-Indiepop für einen kleinen Kreis, ohne dass sich „Dizzy“ für eine elitäre Veranstaltung halten würde.
Im Gegenteil: „Dizzy“ könnte Tausende, vielleicht Millionen begeistern, wenn Pawnshop Orchestra-Kopf Daniel Decker nur wollte. Will er aber nicht. Das rumpelnde, schrottig klingende Schlagzeug macht klar: Hier geht es um den Song, nicht um die Produktion. Mit ein wenig Willen und Vorstellungsvermögen könnten Nummern wie „Die Kirschen“ oder „fantaundkotze“ auch im Radio laufen. Sollen sie aber anscheinend nicht. So wird man zwar vielleicht nicht reich, kommt dafür aber sehr sympathisch rüber und Daniel Decker scheint auf Letzteres eben mehr Wert zu legen. „Dizzy“ klingt immer noch ein wenig nach Schlafzimmer-Produktion, wurde allerdings unter großer Mithilfe von Maximilian Stamm und Andreas van der Wingen (beide Kiesgroup) in den Wildwood Studios zu Düsseldorf aufgenommen. Aber wer weiß, vielleicht verbirgt sich dahinter ja auch ein ausgebautes Schlafzimmer. Heute schimpft sich schließlich fast jeder liebevoll eingerichteter Raum mit hässlicher Tapete Studio. Bemerkenswert ist auf jeden Fall im Vergleich zum Vorgänger „Vaudeville“, dass sich Daniel Decker bis auf ein paar Ausnahmen von der Akustikgitarre gelöst hat und lieber mit der elektrischen vor sich hinschrammelt oder mal ein paar elektronische Klänge einfließen lässt. Das macht sich gut und klingt deutlich flüssiger als bei den Labelmates von der Kiesgroup. Auch hat Decker die Melancholie ein Stück weit vertrieben und geht deutlich forscher zu Werke als in der Vergangenheit. Balladen gibt es natürlich immer noch und Herzschmerz sowieso, aber ohne dass das Thema allzu dominant wäre. Das Pawnshop Orchestra scheint lockerer geworden zu sein und zeigt auch mal die Lust richtig loszurocken. So wie man eben rockt, wenn man es nicht so mit Nietengürtel, dicker Hose und Klischees hat. Gut so. Weitermachen. Und wer weiß, vielleicht hat Decker ja dann doch mal irgendwann Lust auf Erfolg und die Mittel für den großen Pop.

Bewertung: 7 von 10 Sternen / Spielzeit: 39:45 / LoFi-Indiepop

Autor:





ERROR!