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MISC - sellfish.de Beifang 05/07 | 03

Miscellaneaus: Genrekram*EP*Vinyl*MCD*Sampler*Demos*Soundtrack

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Heute: Das 'Lärm International-Spezial' ...und was zum versöhnen

mit: Daymares | Enemy Ground | Job For A Cowboy | Hot Chip | Von Sudenfed | The Waterboys u.v.m.

Wer das zehrende Gefühl fies drückender Kopfschmerzen schon lange vermisst hat, dem seien die sieben folgenden Lärm-Alben nachdrücklich an das hoffentlich stabile Herz-Kreislauf-System gelegt. Eine ziemlich eigene und nicht gerade leise Nische zwischen Grind, Mathcore sowie einer Prise Industrial haben sich gleich zu Beginn Antigama aus Warschau gesucht. Dass sie mit ihrem ebenso extremen wie außergewöhnlichen Sound nicht lange bei der polnischen Underground-Company Selfmadegod Records verbleiben würden, war klar. Und so passt es doch wie die sprichwörtliche Faust auf's Auge, dass "Resonance" (Relapse/SPV) in bester Gesellschaft erscheint. Die neuen Label-Gefährten hören nämlich auf so illustre Namen wie Dying Fetus, Agoraphobic Nosebleed oder Dillinger Escape Plan. Und jene geben zumindest einen ungefähren Eindruck von dem Desaster, welches die Hörer während der gut halbstündigen Scheibe binnen 17 Songs erwartet. Hervorzuheben bleibt, dass es Antigama gelingt, ihren "technischen Lärm" dank zündender Breaks und geschickt verschachtelter Melodiebögen immer kurzweilig zu halten. Apropos Selfmadegod: Bei den neuerdings dort beheimateten Daymares geht es vergleichsweise straight zur Sache: Spielt die junge polnische Band doch einen enorm rockenden Mix aus Einflüssen von Tragedy, Ringworm, Cro-Mags und frühen Entombed. "Can't Get Us All" (Selfmadegod Records) macht dank seiner mitreißenden, energetischen Mixtur aus Punk, Hardcore und Rock'n'Roll enorm Laune und wird Daymares hoffentlich einiges an Aufmerksamkeit bescheren. Um Enemy Ground dagegen von den unzähligen Metalcore-Veröffentlichungen derzeit abzugrenzen, könnte man sich zumindest durch die lyrische Seite der Niederländer noch auf eine Art "Pessimisten-Core" einigen. Musikalisch dagegen wird "In Memory Of Them All" (GSR Music/Cargo) schnell verortet: Die klassische Metalcore-Basis Marke Hatebreed wird von dem Quintett um die erhabene Durchschlagskraft von Bolt Thrower ergänzt; in ausgewählten Momenten bedient sich die melodische Gitarrenarbeit auch klar der Schweden-Schule. Dass man sein Flaggschiff auf diesem schmalen Grat gekonnt an Trends vorbeisteuert, darf als die zentrale Leistung von Enemy Ground gewertet werden. GSR Music scheinen sich in letzter Zeit darauf spezialisiert zu haben, den Fortbestand des Metalcore durch Bands zu sichern, die musikalisch über das entscheidende Quentchen Weitblick verfügen. "In Memory Of Them All" markiert nun sicherlich nicht den Gipfel der Eingeständigkeit, wurde aber ein intensives, fesselndes Manifest extremer Musik. Was Job For A Cowboy dagegen auf ihrem ersten international erscheinenden Album "Genesis" (Metal Blade/SPV) anrichten, wird ihren Underground-Status bald der Vergangenheit angehörig machen. Entgegen des unterhaltsamen Bandnamens entfacht man musikalisch eine Art Post-Metal-Progressive-Death-Variation, die zwischen Dying Fetus und Misery Index nicht nur einiges anbrennen lässt, sondern gleich grobflächig abfackelt. Technisch perfekt inszeniert, instrumental über jeden Zweifel erhaben und von Songwriting-Gesichtspunkten her dem gesamten Metalcore-Kollegium außer Reichweite gelaufen, liegen bei diesen elf Tracks Schmerz und Begeisterung selten dicht beieinander. Migränepatienten springen sicherheitshalber schon jetzt mindestens drei Reviews weiter. Auch wenn Manes mit ihrem neuen Album "How The World Came To An End" (Candlelight/Soulfood) eher "beyond Metal" rangieren. Ihre apokalyptischen Songinszenierungen bedienen sicht nur noch rudimentär klassischer Genre-Zitate; stattdessen öffnen sie sich zunehmend elektronischer, triphop-artiger Elemente. Dass sich hier mit "Come To Pass" sogar ein gelungener (!) Avantgarde-HipHop-Track (!!) befindet, kann man den norwegischen ex-Black-Metallern gar nicht hoch genug anrechnen. Mit dieser Veröffentlichung, an der insgesamt 16 Personen mitwirkten, haben sich Manes endgültig als die Thronfolger von Ulver etabliert. Ebenfalls neu bei Relapse Records sind übrigens Man Must Die aus England gelandet, welche die international besetzte Lärm-Runde komplettieren. Denn selbst wenn ihre melodischen Gitarrenläufe im Intro zu "The Human Condition" (Relapse/SPV) noch auf versöhnliche Töne hoffen lassen... Auch hier regieren die Extreme. Sowohl in den 'mal kehligen, 'mal gurgelnden Vocals, gleichermaßen jedoch in der vertrackten Instrumentalarbeit. Dass die Basis des MMD-Sounds eine durchaus melodische ist, offenbart sich erst bei näherer Beschäftigung. Wirklich kommerziell versöhnlich in unserem kleinen Special können tatsächlich erst Raintime wirken. Die italienischen Children Of Bodom-Soundalikes polieren ihren treibenden Neothrash mit teilweise arg kitschigen Keyboards sowie cleanen Vocals auf; weshalb die mit durchgehend catchy Refrains versehenen Tracks bisweilen unangenehm an die Landmänner von Rhapsody erinnern. Neben einem milden Lächeln für die Michael Jackson Coverversion rettet allein das gelungene Riffing "Flies & Lies" (Lifeforce Records/Soulfood) vor dem kompletten Durchschnitt.

Themenwechsel. Das Quintett Hot Chip sind insbesondere Alexis Taylor und Joe Goddard sind Musiker sind DJs. Spätestens jetzt. Mit ihrem Beitrag zur "DJ Kicks" Serie (K7! Records/RTD) kommen Freunde des britischen Elektropop-Gespanns in den Genuss, Einflüsse wie Einfallsreichtum ihrer Stars in destillierter Form zu erleben. Mit einem spannenden Set, dessen Genre-Interpretation weitläufiger kaum sein könnte. Auch deswegen, weil die fünf Londoner ihre Beiträge ziemlich wild zusammengewürfelt haben; weshalb sich vorliegende Episode hörbar von anderen, meist sehr durchdachten Titeln der DJ Kicks Reihe abhebt. Querbeet von Techno bis Folk bis Funk bis Pop klingen die 68 Minuten meistens tanzbar, manchmal entspannt, desöfteren augenzwinkernd und eigentlich immer kurzweilig.

"Blumenkönig" Roine Stolt hat sich kürzlich aus den Reihen der schwedischen Progrock-/Folk-Institution Kaipa verabschiedet; was angesichts des schwachen letzten Flower Kings Albums deutlich weniger schwer wiegt, als vermutet. Bandkopf Hans Ludin rekrutierte zudem stattdessen Scar Symmetry Gitarrist Per Nilsson. Doch wer dadurch einen gravierenden Stilwechsel vermutet, liegt falsch. Vielmehr hört man auf "Angling Feelings" (Inside Out/SPV) die Essenz von Kaipa: Bis auf die überlangen Progressive-Epen, "The Fleeting Existence Of Time" und "Path Of Humbleness", präsentieren sich die zehn Tracks überraschend knackig und ermöglichen dem Hörer so einen schnelleren Zugang zu der abwechslungsreichen, sympathisch altbackenen Musik der sechs Schweden. Wem der eigenwillige schwedische Charme bei Musik dieser Machart gefällt, macht bei Kaipa wieder einmal keinen Fehler.

Zwar macht kein Sticker auf der Frontseite des Albums darauf aufmerksam - Nach exakt 15 Sekunden aber ist klar, wer sich hinter dem ominösen Titel Von Südenfed verbirgt. Die charakteristisch nölige Stimme von Mark E. Smith lässt spätestens zu diesem Zeitpunkt nämlich keinen Zweifel daran, dass wir es hier mit einem Exkurs aus dem The Fall Kontext zu tun haben. Noch konkreter: "Tromatic Reflexxions" (Domino Records) klingt wie The Fall abzüglich deren Rock-Anteil. Oder, noch anders: Mark E. Smith nölt sich ohne Unterstützung analoger Instrumente über die von ihm samt Andi Toma sowie Jan St. Werner (Mouse On Mars) produzierten Soundteppiche. Gleichermaßen unbeeindruckt von der Synthesizer-Basis ihres Sounds wie vom Projektcharakter dieses Debüts definieren sich Von Südenfed übrigens dennoch klar als Band. Deren tanzbare Tracks zwischen Eighties-Sound, Indierock und eine Prise Grime vielleicht auch die Aufmerksamkeit derer sichern, welche in der The Fall Diskographie längst den Überblick verloren haben...

Ohne besondere Referenzen, ohne großes Medienecho oder aufwändige Promokampagne ringt der Londoner Jeremy Warmsley um Aufmerksamkeit im alternativen Musikgenre. Optisch wird es da keine Probleme geben, wie das Frontcover zeigt: Warmsley im Streifenpullover, Warmsley mit Hosenträgern, Warmsley mit Brille - Nerd-Schublade auf, Warmsley rein. Mit seiner etwas versponnenen Form von Indietronika, die sich zwischen Laptop-Frickelei, Gitarren-Sounds und verschachtelten Arrangements auf die Suche nach guten Melodien macht, hat er sich dennoch ein hehres Ziel gesetzt: "The Art Of Fiction" (Transgressive/Inkubator/Soulfood) wirkt auf Anhieb wie ein reichlich schräger, dreiviertelstündiger Exkurs in den Folk-Pop; mit mehr Stolpersteinen als unbedingt nötig. Nach einigen Versuchen findet man zwar einen gangbaren Weg durch die elf Tracks... Wirklich Reizvolles lässt sich dabei aber dennoch nur bisweilen ausmachen.

Ihre ganze Historie lang, und das sind mittlerweile weit über 20 Jahre, kämpften The Waterboys um die Aufmerksamkeit, von der sie meinten, sie würde ihnen zustehen. Nun erscheint der neue Longplayer "Book Of Lightning" (Universal); endlich mit größerem Labelrückhalt. Doch haben Mike Scott und seine - man muss angesichts der vielen Besetzungswechsel fast sagen: "derzeitigen" - Mannen diese Chance genutzt? Bejahen dürften das nur diejenigen, deren Herz am gediegenen Retro-Rock hängt. "Book Of Lightning" klingt nach entspannt verrichtetem Tagewerk, trotz des Titels kann ich aber keine Anzeichen von "Gewitter" am ungetrübt blauen Himmel entdecken: Das zumeist balladeske Material hat zweifelsohne einen harmonieverliebten Sixties-Charme - ohne Ecken und Kanten verlieren aber auch die schönsten Melodielinien ein wenig an Reiz.

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Ehrlich kompilierter Schlampenrock trifft Emo

mit: Mumm-Ra | The Slags | Nouvelle Vague

Wenn Langeweile immer so kreative Auswüchse hätte wie bei Mumm-Ra, wäre die Welt wohl ein besserer Ort. Die Band aus einer Stadt namens Bexhill-on-Sea, irgendwo bei Essex, UK, hat mit "These Things Move In Threes" (Red Ink / Rough Trade) ein hervorragendes Debüt erschaffen, das die Richtung Mischung aus Emo und Indie-Pop schafft, das nicht lästig und ziellos umherirrt. Keine Mogelpackung: was über den Kanal schallt, ist große Pop-Musik. Der Titeltrack ist ein Song, den auch die Shout Out Louds nicht besser herbekommen hätten. Power-Pop, 90er, da war doch was. Weezer gucken hier um die Ecke, wenn es orchestral und ein klein wenig banal wird, auch mal My Chemical Romance ("Now Or Never"). Letzteres sind Ausbrüche, die selten sind. Der Rest hat das Visier nach unten geklappt und prescht nach vor, einmal durch Melodien-Schlarraffenland!

Zugegeben, manchmal schlägt einem die eigene Spießigkeit doch ein Schnippchen und man erschrickt förmlich vor dem, was da steht: "eine der ersten richtigen Schlampenrockbands" Deutschlands sei wieder zurück. Ja, Bildungslücke hin oder her, das ganze hier ist schon eine große Portion Schlampenrock galore, inklusive abgeschmackte Riffs und dürftige Produktion. Aber was solls, ein Comeback ist ein Comeback ist ein Comeback. Scheisst der Hund drauf, ob Deutschland überhaupt eine Schlampenrockband wie The Slags zurückhaben wollte. Es wird auf "Run Free" (Blue Noise / Alive) das gemacht, was öffenlich-rechtliche Fernsehanstalten womöglich als "abrocken" bezeichnen würden. Alles nicht so originell hier, durchschnittlich. Punk, Soul, Schlampe. Genau so klingts auch.


Compilations sind immer so eine Sache: wenn sie sich einem Thema widmen, wird es leicht nerdig, wenn sie einfach nur neue Bands vorstellen wollen, leicht beliebig. Das Problem haben die französischen Musik-Produzenten Olivier Libaux und Marc Collin nicht. Die haben mit ihrem Projekt "Nouvelle Vague" für Aufsehen gesorgt, als sie Post-Punk Und New Wave Klassiker zum Bossa Nova umbogen. Und damit bewiesen, dass sie sich in der Musikhistorie auskennen. Ähnlich charmant, diesmal in Sampler-Form und nicht neuinterpretiert, ist auch "Coming Home" (Stereo Deluxe / Edel), der zweite Teil einer Sampler-Reihe, den diesmal Marc Collin allein präsentiert und zusammenstellt. Klar, Nouvelle Vague widmen sich hier der Filmmusik. Nicht ausschließlich französische. Trotzdem fast logisch, dass Gato Barbieris "Last Tango In Paris" den Anfang macht. 20 Stücke, die sämtlich den Soundtracks von Filmen entliehen sind, reihen sich hier aneinander. John Barry's "007 And Counting" oder Serge Gainsbourghs "Requiem Pur Un Con" - Nouvelle Vague beweisen Stil und breites Musikwissen. Davon kann man lernen. Oder sich einfach nur gut unterhalten fühlen.

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