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MISC - Juli 2007 l #03

Spezial: Knüppel Aus Dem Promosack - From Metal To Core

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Diesmal mit:

Danzig | The Red Chord | DSG | Queensyche | Despise | Silverfist u.v.m.

Dass Japaner vorbehaltlos auf europäischen Metal abfahren, ist ein gerne bedientes Klischee. Welches sich lohnt, für den vierten Longplayer von Blood Stain Child wieder hervorzukramen. Doch wenn sich derartige Gemeinplätze bislang eher auf die traditionellen Spielarten des Genres konzentrierten, darf "Mozaiq" (Dockyard 1/Soulfood) als Update dienen. Denn die zwölf Tracks klingen so originalgetreu nach den Vorbildern von In Flames (respektive Soilwork), das einem himmelangst werden könnte. Die sechs Herren (oder ist da gar eine Dame an Bord?) reproduzieren die moderne Thrash-Metal-Lesart der Schweden (samt fettem Synthesizer-Programming) zu hundert Prozent und haben ihr neues Werk zudem auch noch exzellent produzieren lassen. Wer also von "Come Clarity", gerne auch mit einem Spritzer Enter Shikari, nicht genug bekommen kann und den fehlenden kreativen Anspruch durch handfestes Songwriting kompensieren lässt, der dürfte hier glücklich werden.

In den letzten Jahren gab es wenige Gründe, den zu kurz geratenen ehemaligen Misfits/Samhein-Krösus Danzig zu huldigen. Insofern mag es durchaus legitim sein, dass sich "The Lost Tracks Of Danzig" (Evilive/Soulfood) auf gleich zwei CDs besonders um die frühen Jahre als Solokünstler kümmert. In chronologischer Reihenfolge und mit standesgemäß jeweils 13 Tracks rockt sich der muskelbepackte Zwerg durch ein Repertoire an Material, welches es während seiner Solo-Karriere nicht auf die regulären Alben schaffte. Aus der Frühphase sind da einige Perlen enthalten; wohingegen es den Amerikaner in den letzten Jahren bekanntlich Mühe kostete, selbst für die Studiowerke halbwegs passable Stücke zu komponieren. Dementsprechend pendelt das Sammelsurium qualitativ zwischen Himmel und Hölle… das herrliche Artwork sowie nette Coverversionen (u.a. von den Germs und David Bowie) retten die "Lost Tracks" letzten Endes knapp vor dem Durchschnitt. Zumal sich die aktuelle Konkurrenz nicht eben mit Ruhm bekleckert. So zum Beispiel Deadsy, die Formation um den Sohn von Cher und Allman-Brothers Gitarrist Gregg, Elijah Blue Allman. Auf deren zweiten Album "Phantasmagore" (Tiefdruck Musik/Universal) hört man einen klinisch-uninspirierten Mix aus Gothic-Rock, Nu-Metal und Eighties-Pop der zwar über mehr songwriterische Substanz verfügt als die Supporter von Korn, letzten Ende aber doch zu unspektakulär durch die Gehörgänge rauscht.

Die Metalcore-Kuh scheint noch immer nicht leergemolken zu sein. Zumindest was die Veröffentlichungsmenge angeht, toppt diese Sparte nach wie vor sämtliche Konkurrenz im Bereich extremer Musik. Von daher an gewohnter Stelle der allmonatliche Genre-Rundumschlag. Welcher sogar überwiegend positiv ausfällt. Unter anderem verantwortlich dafür: Die Schweizer Newcomer Despise, die auf ihrem Debüt mit fies-finsteren Moshparts begeistern können. "Some Noise In Your Silence" (Lucifers Legions) dürfte ein Startschuss sein, den die Underground-Szene hierzulande nicht überhören wird. Auf ein ganz anderes Following können derweil Evergreen Terrace blicken. Nach einem Werk voller unterhaltsamer Coverversionen liefern die gutgelaunten Herren aus Florida heute ganz klar ihr Masterpiece ab: "Wolfbiker" (Metal Blade/SPV) fusioniert Metalcore a lá Terror mit brillanten Hooklines, Punk-Attitüde und - vor allen Dingen - einer hundertprozentigen Trefferanzahl. Tatsächlich: Die Hitdichte unter den zehn Tracks bleibt in diesem Jahr bislang unerreicht. Überzeugt Euch mit Nummern wie "Chaney Can't Quite Riff Like Helmet's Page Hamilton"... Weit weniger gut gelaunt rocken sich Last Winter durch den gleichen Bundesstaat. Wer beim Bandnamen an Emo denkt - liegt genau richtig. Allerdings klingt "Under the Silver Of Machines" (Lifeforce Records) weit weniger pathetisch als der Titel vermuten lässt. Dennoch verfügen die zwölf recht energetischen Tracks leider noch nicht über das gewisse Extra, um mehr als anerkennendes Nicken zu ernten. Kann aber noch kommen und ein Probehören schadet ebenfalls nicht! Wenig Neues auch aus dem Hause The Red Chord: Die Frickel-/Grindcoreler überschlagen sich auf ihrem dritten Longplayer mal wieder vor Ideen, Rhythmuswechseln sowie intelligenter Späßchen. Hilft aber nix, wenn das Songmaterial auf "Prey For Eyes" (Metal Blade/SPV) den roten Faden vermissen lässt. Trotz einiger angedeuteter Melodielinien werde ich mit den Massachusetts-Metzlern einfach nicht warm. Wer es lieber straighter mag, möchte dann doch besser die Hardcore-Recken von Wisdom In Chains anchecken. Die suhlen sich zwar vom Intro (ja, es fallen Schüsse!) bis zum Albumtitel in Klischees. Steht man aber auf die, ähem, breite Palette an Sounds von "A" wie Agnostic Front bis "W" wie Warzone, fährt man mit "Class War" (Alveran/A-Team) genau richtig. Vorausgesetzt, man fühlt sich von auf Null dezimierter Eigenständigkeit nicht angegriffen... Und mag seine tägliche Ration Hardcore gerne mit reichlich Oi!-Referenzen abgeschmeckt.

Fünf Stücke, über eine Stunde Spielzeit und eine nervenzerfetzende Gratwanderung zwischen majestätischen Songaufbauten sowie einer Wand aus Lärm: Die Schweden von Kongh wandeln auf ihrem Longplayer "Counting Heartbeats" (Trust No One Recordings) in den Spuren ihrer Landsmänner von Cult Of Luna. Weitere Referenzen erschließen sich, wenn man auf die frühere Veröffentlichungsliste ihres Labels blickt: Switchblade, Breach, Unbroken (!) und sogar Isis tummeln sich dort. Wesentlich ungeschliffener als diese jedoch klingt dieser Koloss von einem Album, welcher zwischen Doom und Sludge immer viel Platz für akustische Momente lässt. Ein sperriger Brocken, der eine Konfrontation für alle Kenner der Materie wohl unausweichlich macht.

Power It Up sind seit Jahren eine Bank für besondere Perlen des Grind-/Deathmetal-Undergrounds. Mit zwei gelungenen neuen Veröffentlichungen macht das Label aus dem niedersächsischen Peine nun wieder auf sich aufmerksam. Und selbst wenn dieser Sound im sellfish.de Kontext sonst nicht viel verloren hat, möchte ich alle Freunde extremer Klänge kurz bitten, zuzuhören. Mastic Scum beispielsweise entpuppen sich auf ihrer "The EP's Collection 1993-2002" (Power It Up) als die österreichische Antwort auf die frühen Napalm Death. Die 32 Tracks begeistern trotz wechselnder Soundqualität nicht nur mit einer fetten Mischung aus Crustcore und Deathmetal, sondern überraschen zudem u.a. mit einer brillanten Fugazi-Coververison ("Great Cop")! Auch Mesrine aus Kanada warten mit einer Coverversion auf: Doch "Milk" (S.O.D.) ziert nur die beiliegende Bonus-Live-CD vom Giants Of Grind-Festival. Den eigentlichen neuen Longplayer "Unidentified" (Power It Up) dagegen zeichnet vor allen Dingen aus, dass Mesrine erstmals mit "echten" Lyrics arbeiten. Davon abgesehen wirkt das musikalische Massenmörder-Faible des Quartetts für meine Begriffe jedoch ein wenig zu gleichförmig, um wirklich zu überzeugen. Weshalb in diesem Fall wohl allein Grindcore-Maniacs aufhorchen müssen.

Ein wenig glücklos standen Queensryche nach Veröffentlichung ihres "Operation Mindcrime II" Longplayers da. Hoffte man doch, nach längerem Durchhängen endlich wieder an die Erfolge des ersten Teils anknüpfen zu können. Doch weder Fans noch Presse zeigten sich so wirklich euphorisch; attestierten den Progressive-Metallern jedoch zumindest die Tendenz, auf dem richtigen Weg zu sein. Kein verkehrter Schachzug dürfte es demnach sein, die komplette Saga in einem gut 140-minütigen Livemitschnitt zu veröffentlichen: "Mindcrime At The Moore" (Warner) wurde als Heimspiel in Seattle aufgezeichnet und fängt die Stimmung in angenehm authentischem Sound ein, welcher sich nicht nach wochenlanger Studioüberarbeitung anhört. Die Band zeigte sich hoch motiviert und in bester Verfassung; das Songmaterial spricht natürlich insbesondere in der ersten Hälfte für sich. Weshalb man das Doppelalbum Fans, Interessierten und Komplettisten gleichermaßen ans Herz legen darf. Das zughörige 2-DVD-Set kommt in ansprechender Bildqualität, welche die aufwendige Bühnenshow (samt Schauspielern und Videoleinwänden) gekonnt einfängt und wartet zusätzlich mit etwa 20 Minuten Bonusmaterial auf.

Zudem soll in dieser Rubrik zumindest noch kurz die True-Metal-Garde bedacht werden. Welche sich im Falle dieser beiden Scheiben mit dem szenetypisch albernen Artwork abgeben muss. Musikalisch dagegen überrascht die David Shankle Group um den ex-Manowar-Gitarristen mit angenehm wenig bombastischem Sound; stattdessen sorgen Riffs wie Leads für einiges Aufhorchen, da sich zu den griffigen Hooks einige angethrashte Passagen gesellen. "Hellborn" (Magic Circle Music/SPV) steckt somit, wenngleich nur knapp überdurchschnittlich, das aktuelle Output der ehemaligen Brötchengeber locker in die Tasche. Als Anspieltipp dürfen der Ohrwurm "The Lie" sowie der unterhaltsame Rausschmeißer, das herrlich posige "instrumental shredfest" (O-Ton Booklet), "The Voyage" herhalten. Silver Fist ihrerseits entstanden aus der spanischen Powermetal-Institution Muro und legen mit "Tears Of Blood" (Avispa/Soulfood) das erste englischsprachige Output vor. Der von diversen Helden der Achtziger abgekupferte Sound knallt zwar recht druckvoll aus den Boxen, wirkt jedoch nicht nur schlichtweg zu antiquiert, sondern vor allem zu unscheinbar, um jenseits von ein paar Ewiggestrigen auf Beachtung zu stoßen.

Als symbolisches Schlusslicht, weil den starren Grenzen dieser Rubrik eigentlich längst entwachsen: Three. Wer sich nun wundert: Das Trio aus dem Bundesstaat New York entschied offenbar, dass die reine Nummer als Schreibweise alleine doch etwas kurz wäre. Zudem setzt man auf dem Nachfolger zum bereits mehr als respektablen "Wake Pig" überraschend deutlich auf akustische Gitarren. Der progressive Anspruch ihrer Kollegen von Coheed And Cambria wird außerdem mit einem zusätzlichen Quentchen Rush aufgepeppt, gleichzeitig aber jeglichem unnötigen Bombast beraubt. Was in der Konsequenz zur Folge hat, dass man das Wörtchen "Emo" endgültig aus dem Kontext von "The End Is Begun" (Metal Blade/SPV) streichen sollte. Passend dazu tragen Joey Eppards eigenwillige Vocals poppige Melodiebögen wie in "Serpents In Disguise", hinter welchen sich niemals überladene Arrangements - aus Gitarrenpickings, polyrhythmischen Breaks sowie detailversessenen Soundspielereien - finden. So entsteht ein ohne Frage großartiges Werk, welches für so manchen jungen Anhänger von Three die Brücke hin zu klassischen Progrock-Acts der letzten Jahrzehnte schlagen könnte. Pflichtprogramm.

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