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Taken By Trees

Open Field

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Die schönsten Stimmen sind immer die fragilsten. Wer braucht schon donnernde Opernsängerinnen, wenn die Sanftheit einer Victoria Bergsman durch die feinen Drähte und Membrane der Stereoanlage schallt?
11 Jahre lang war Bergsman Vorstandsvorsitzende des mittelständischen Pop-Unternehmens The Concretes. Ihr Aus gab die Sängerin Anfang letzten Jahres bekannt und bedrückte damit nicht nur viele Fans in ihrer Heimat Schweden. Aber meine Güte, was dann kam, konnte keiner ahnen. Ein paar Pfeiftöne und ein gehauchtes "would you go along with someone like you!" - fertig war der absolute Sommerhit. Peter Bjorn and John hatten Victoria Bergsman als Gastsängerin eingeladen und mal eben einen Volltreffer gelandet. So richtig wohl hat sich Bergsman aber nicht gefühlt. Die wenigen Auftritte mit Peter Bjorn and John stand sie stocksteif und vollkommen gehemmt im Rampenlicht. Da verwundert es fast ein wenig, dass Bergsman trotzdem noch ein Solo-Album eingespielt hat. Aber im Studio kann man sich gut verstecken. Wieder mit dabei: Peter und Bjorn, weniger John. Deshalb auch: astreine Produktion, viel Klimbimm, ein wenig Gerassell hier, ein wenig gezupfe da. Allerdings wurde die Instrumentierung so sparsam gehalten, dass Victorias Stimme alles andere überstrahlt. Manchmal klingt "Open Field" gar wie eine a capella Version früherer Concretes-Hits. Der Opener "Tell Me" fängt so sparsam an, wie der Rest des Albums dann auch verläuft. Ein paar Pickings auf der Akustikgitarre, ein dumpfes Poltern, und dann Victorias einfühlsame Stimme. Auch das schwermütige und beschwingte "Lost And Found" erzählt so einiges aus dem Innenleben der Sängerin. Insgesamt also ein sehr persönliches Portrait, das nur an einigen Stellen etwas ausfranst und wenig auf den Punkt kommt.

Bewertung: 7 von 10 Sternen / Spielzeit: 35:34 / Folk-Pop

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Dein Weggang von den Concretes ist jetzt ein Jahr alt. Steckt dir das noch in den Knochen?
Victoria Bergsman: Sicher. So eine lange Zeit kann man nicht so schnell verarbeiten. Das wird für immer ein Teil von mir sein.

Du hast zu deinem Weggang gesagt, dass du den Glauben an ein demokratisches Bandgefüge verloren hast. Was meintest du damit?
 Ich glaube man kann nicht genügend kreativ sein, wenn man alles absegnen lassen muss. Ich glaube nicht, dass eine Banddemokratie gut für die Kreativität ist. Es ist, als müsste man mit anderen Menschen zusammen ein Bild malen. Das funktioniert einfach nicht.

Wie hat sich der Songwritingprozeß verändert, im Gegensatz zu den letzten Jahren mit den Concretes?
Es ist kompromißlos geworden. Ich muss auf keinen Konsens mehr achten und habe alles selbst in der Hand.

Das Album wurde von Bjorn produziert...
 ...und mir!

Richtig. War die Kollaboration auf "Young Folks" der Ausgangspunkt eurer Zusammenarbeit? Und in gewisser Weise überhaupt erst der Anstoß, ein Soloalbum zu machen?
 Das kann man so sagen, ja. Bjorn und John haben mir bei ein paar Demos geholfen, nachdem wir "Young Folks" gemacht hatten. Das war eine großartige Zusammenarbeit - da wollte ich die beiden auch für das Album verpflichten.

Warst du da noch bei den Concretes?

 Oh nein, das war danach. Ich wollte nach meinem Ausstieg erstmal gar nichts mehr mit Musik zu tun haben.

Wie groß ist Bjorns Einfluss auf das Album?
 Sehr groß, würde ich sagen. Er weiß genau, wann ein Song fertig ist. Ich hätte das gar nicht allein entscheiden können. Außerdem sind wir quasi die einzigen gewesen, die das Album aufgenommen haben. Bei den Concretes waren immer mindestens 10 Menschen beteiligt. Das war ein Umstellung, auf einmal nahezu allein im Studio zu sein. Er ist sehr hilfreich.

Bist du gern in der Natur? Das Album beschäftigt sich ja an allen Ecken und Kanten damit...
Ich finde es faszinierend, wie sich Natur bewegt, wie man selbst in ihr untergeht und irgendwohin getragen wird. Natur ist die reine Unschuld.

Glaubst du, das menschliche Leben steht im Kontrast zur Natur?
Nein, der Mensch ist Teil der Natur. Nur das städtische Leben steht im Kontrast zur Natur. Es fasziniert mich immer wieder, wie diese beiden Welten miteinander kollidieren.

Ihr habt das Album in sechs Tagen eingespielt. Das ist sehr kurz, das Album dagegen klingt sehr entspannt.
Ja, das stimmt. Wir wollten das so spontan halten wie möglich. Die meisten Musiker, die ins Studio kamen, hatten die Songs vorher noch nie gehört. Sie mussten sich auf meine Ideen einstellen, und Bjorn und ich konnten sie mit Vorstellungen überhäufen, die sie dann sofort ausprobiert haben. Es war also ein sehr angenehmer Prozeß für mich.

Für mich transportiert das Album sehr viel Ruhe und Frieden...
Das wollte ich. Für mich besteht moderne Popkultur aus viel zu viel Lärm.

Deine Stimme steht sehr im Vordergrund. Als sei sie das bestimmende Instrument.

Genau aus diesem Grund wollte ich es so. Sie soll als Instrument für sich stehen. Und alle anderen Instrumente sollen ihr hinterher folgen. Wir wollten einfach mal ausprobieren, wie es klingt, wenn man es so sparsam wie möglich inszeniert.

Bist du jetzt verletzlicher, als Solo-Künstlerin?
Beides. Natürlich bin ich verletzlicher. Aber ich habe auch alle Entscheidungen selbst getroffen und kann für alle gerade stehen. I'm the one to blame.

Interview + Text: Robert Heldner
Foto: Helena Blomqvist

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