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Atreyu l As I Lay Dying

Lead Sails Paper Anchor l An Ocean Between Us

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Im immer verzweifelter werdenden Kampf darum, dem Metalcore noch ein letztes bisschen Relevanz einzuhauchen, wird mit verschiedenen Taktiken gekämpft. Hier zwei Kandidaten, deren Bewältigungsstrategien unterschiedlicher kaum sein könnten. Mit ziemlich überraschender Konsequenz.

Offen gesagt habe ich Atreyu nie für besonders sympathisch gehalten. Die Amerikaner legten zwar einstmals zwei recht gute Alben vor. Ihr arrogantes Gehabe im Vorprogramm von Boysetsfire erwies die Fünf jedoch als ebenso lächerlich, wie das Theater um ihr ach so böses Ex-Label Victory Records (… welches den armen Musikern angeblich nicht genügend Kohle für knapp eine halbe Millionen verkaufte Tonträger geben wollte). Den gemeinsamen Kontrakt quittierte die Band im letzten Jahr mit "A Death Grip On Yesterday": Einem beinahe unverschämt lustlosen Werk mit EP-Spielzeit. Weshalb nicht nur ich Atreyu eigentlich ohne viel Wehmut abgeschrieben hatte. Und nun mit dem neuen Longplayer: Der Wendepunkt wieder Erwarten. Emocore-Herzblut und altbekanntes Metalcore-Geschredder mischt sich da mit reinrassigen Balladen, Bläsersätzen, Liebäugelein in Richtung Stadionrock sowie teilweise ungewöhnliche Instrumentierung. Oberflächlich betrachtet könnte man "Lead Sails Paper Anchor" somit, nicht nur aufgrund des Bruchs mit der eigenen Vergangenheit, durch ein wenig bösen Willen mühelos eine enorme Unentschlossenheit oder gar Kommerzorientierung im Songwriting ankreiden. Das Gegenteil ist der Fall: Die Songs funktionieren durch die Bank großartig, das gesamte Werk gefällt mit gelungenem Spannungsbogen und zahlreichen überraschenden Wendungen. Die vehemente Harmonieorientierung findet einen feinen Kontrast in ausgewählten, extremen Passagen. Was die elf neuen Tracks zu einem verdammt mutigen und vor allem wichtigen Schritt macht. Trotzdem sollte mich nicht wundern, wenn Atreyu - vielleicht sogar entgegen ihrer eigenen Einschätzung – in einer von Konservatismus geprägten Szene erstmals bei Presse wie Fans einen schweren Stand haben werden. Künstlerisch gelang es ihnen entgegen sämtlicher Erwartungen, sich am eigenen Schopf aus dem Dreck zu ziehen. Respekt dafür.

Ungefähr genau so lange wie ihre Kollegen sind nun ja auch As I Lay Dying am Start. Was man "An Ocean Between Us" allerdings nur sehr bedingt anmerkt. Die Amerikaner setzen nämlich nach wie vor vor allen Dingen auf eine Sache: Konstanz. Die Entwicklungen im Vergleich zum Vorgänger "Shadows Are Security" sind somit höchstens marginaler Natur. Und selbst die musikalischen Unterschiede zwischen den einzelnen Tracks der Scheibe sind auf den ersten Blick kaum bemerkbar. Ein Eindruck, den ich mit der Zeit jedoch noch korrigieren musste: Hier sind solide Handwerker am Start, die wissen, wie man einen vollwertigen Metalcore-Song schreibt. Dabei geht es ihrer Auffassung nach jedoch nicht um Abwechslungs- oder gar Ideenreichtum. As I Lay Dying funktioniert stattdessen ähnlich einem VW Golf: Qualitativ sicher keine schlechte Wahl, als wirklich stilistisch einzigartig in seiner Klasse kann das Ganze jedoch nicht bezeichnet werden… Und dabei habe ich die christliche Ausrichtung der Herren noch außen vor gelassen. Der Erfolg wird nicht zuletzt deswegen sicher nicht lange auf sich warten lassen.

Bewertung: 7 von 10 Sternen / Spielzeit: 40:47 / Metalcore
Bewertung: 5 von 10 Sternen / Spielzeit: 43:22 / Metalcore

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