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MISC - September 2007 l #04

diesmal: Zwischen Umzugskisten und Nachsendeauftrag

Little Dragon| Chuck Ragan | Bad Nenndorf Boys | V/A - A Tribute To Bud Spencer & Terence Hill | V/A - Subbacultcha

Da hat sich doch so einiges gesammelt. Mal wieder ein Umzug, diesmal in einen Traum von einer Wohnung, die viel verspricht. Mäßig-begeisternde Begleiterscheinungen gibt es dennoch bei einem Umzug: So z.B. der Muskelkater, die Querelen mit der Übergabe der alten Wohnung und natürlich das kleine, tiefe und unabsehbare Nirvana zwischen Umzugskisten und Umzugsformalitäten. So wundert es auch nicht, dass am Ende ein bunter Strauß an CD-Besprechungen wartet, der nun gebührend abgefeiert werden möchte.

Dass dabei beinahe auch echte Perlen verloren gegangen wären ist umso tragischer. Denn
Little Dragon präsentieren mit ihrem selbstbetitelte Album (Peacefrog Records / Rough Trade) einen abgekärten sanft-elektrisierenden Ambient-Pop, der sich insbesondere durch die von kühler Erotik und jazzigem Understatement geprägten Stimme der Sängerin Yukimi Nagano auszeichnet. Zwar wird manchmal die elektronische Spielfreude etwas übertrieben und wirft so manche Falte in den fast Trancezustand-artigen Teppich den die gepflegten Percussions aufrollen. Aber nichtsdestotrotz schafft das Quartett aus Göteborg ein feines Stück an poppig-elektronischer Geborgenheit, das zwischen Tanzfläche, Lounge und Chill-Out-Sofalandschaft wohl am besten funktioniert. Knaller bleiben aber die Vocals von Yukimi Nagano - beleibe kein Name mit dem man unbedingt eine derart sinnliche und betörende Stimme verbindet, die einem mit Gänsehaut die gelungene Vereinigung von frivolem Jazz, melancholischen Blues und treibendem Ambient-Pop vor Augen führt. Ein Geheim-Tipp mindestens.

Ähnlich ruhig lässt es Chuck Ragan angehen, der nach seinem spontanen Live-Album „Los Feliz“ als Solo-Künstler bereits für Aufsehen sorgte. Nun folgt mit „Feast Or Famine“ (Sideonedummy Records / Cargo) das eigentliche Solo-Debüt des einstigen Frontmann der Post-Hardcore-Combo Hot Water Music. Dabei stellt Ragan nicht nur sein außergewöhnliches Talent im Songwriting dar, sondern begeistert auch durch seine Rolle als one-man-with-his-guitar. So ist „Feats Or Famine“ ein Solo-Album im traditionellsten Sinne geworden, dass durch seine zurückgezogene aber fein ausgewählte Instrumentierung zu einem kleinen Wunderwerk an Folk- und Country-Perlen wird. Die Dutzend Songs leben von ihrer Melancholie der Texte, der Introvertiertheit im Sound und den gelegentlichen Anleihen an World-Music-Themen wie etwa in „California Burritos“. Ein gelungenes Solo-Debüt, eines Mannes der seine Gefühle auf dem Silbertablett präsentiert und sich dabei eines neuen Genres erfolgreich bedient.

Sowohl geografisch als auch musikalisch machen wir mit dem Sampler „V/A - Subbacultcha!“ (musicxport.nl) einen gehörigen Schwenk - wenn nicht sogar einen Überschlag rückwärts. Subbacultcha! ist seines Zeichens nämlich ein Amsterdamer Veranstalter, der sich insbesondere der niederländischen Underground-Szene angenommen hat. Auf dem Sampler, der auch als Visitenkarte für die diesjährige Popkomm dient, werden insgesamt zwölf der angesagtesten holländischen Bands präsentiert, von denen die sieben Besten am 19. September 2007 ihren Debütantenball in Berlin geben werden. Das Motto der Compilation „The New Sound Of The Dutch Underground“ wird mit Bands wie The Suicidal Birds, Adept, Check 1-2 oder The Moi Non Plus insbesondere in der Elektro-Rock-Ecke abgefeiert. Treibend, sperrig, teils lärmend, aber auch und mitreißend, so präsentiert sich die holländische alternative Szene und beweist, dass sie sich in Sachen Innovativität nicht hinter seinen Nachbarländern zu verstecken hat.

Auf eher bekannten Pfaden bewegen sich dagegen die Bad Nenndorf Boys, die mit ihrem zweiten Album „Wir lügen nicht“ (Sunny Bastards / Broken Silence) ein klassisches Gute-Laune-Ska-Album hinlegen. Auf den Dutzend Songs wird in altbekannter Weise Ska, Punkrock und Reggae unter Einsatz von Bläsern zu einem höchst melodischen Gebräu vermischt. Die deutschen Texte mit ihren teilweise holprigen Vocals tanzen dabei auf des Messers´ Schneide zwischen unbedeutend-locker („Brocken“) und ein wenig gehaltvoll („Revolution“). Gut, das ist vielleicht auch gar nicht der Anspruch der sieben Bad Nenndorf Boys aus dem gleichnamigen Kurort in der Nähe von Hannover, die ihren Auftrag wohl eher in der Herstellung von rezeptfreien Gute-Laune-Pillen sehen - bestehend aus 1-2-3-Punkrock mit einfachen Hymnen zum Mitgröhlen (“Wir lügen nicht“) und treibenden Ska-Rythmen. Einschlägig bekannte Bands wie Sondaschule oder Frau Doktor lassen da grüßen. Eine Gute Laune-Platte für Fans des schwungvollen Deutsch-Punkrocks.

Auf dem gleichen Label wie die sieben Nenndorf-Jungs werden wir mit dem Sampler „V/A - A Street Tribute To Bud Spencer & Terence Hill“ auf eine kuriose Punkrock-Reise in unsere Jugend geschickt. Wir alle haben die klatschenden Backpfeifen und donnernden Kopfnüsse der beiden Haudegen geliebt - jetzt haben sich 21 Bands aus Punk, Streetrock, Ska, Reggae und Rockabilly daran gemacht, den manchmal unfreiwillig komischen Streifen ein Denkmal zu setzen. So ganz erschließt sich mir der Zusammenhang zwischen Punkrock und „4 Fäuste für ein Halleluja“ ja nicht, aber dennoch eine feine weil einmalige Geschichte. Die Hommage reicht dabei von Neuinterpretationen alter Soundtrack-Stücke, trashigen Coversongs und von den Filmklassikern inspirierten neuen Songs. Und da Bud Spender & terence Hill nun mal eine allumgreifendes Phänomen war, finden sich auf dem Sampler so alles was in der Oi-Punk-Szene so Rang und Namen hat: Emscherkurve77, Roimungstruppe, Ausgelebt oder Supernichts - und auch die oben erwähnten Bad Nenndorf Boys huldigen den beiden „Helden meiner Jugend“ mit einem gleichlautetenden Titel. Was am Ende bleibt, sind ein Haufen gutgelaunter Songs in einem schön-kurioses Konzept, das einige Aha-Effekte auf Lager hat.

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