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Animal Collective

Strawberry Jam

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Zugegeben, es gibt Musik, die man sich „schönhören“ muss. Man macht das - meist aus alter Verbundenheit - bei Bands, deren Weiterentwicklung man im ersten Moment nicht nachvollziehen kann. Oder um gestiegene musikalische Selbstreflexivität durch objektiv originärere und feullietonistisch legitimierte Bands auszudrücken. Mein Haus, mein Boot, meine elitäre Band. Und so sind auch Animal Collective ein Sinnbild für so eine Band, deren Musik man schon hört, bevor man sie überhaupt fassen kann.
Zuerst kommt der Add bei Myspace, dann die Erleuchtung. Irgendwann. Wer hierzu nur mit den Schultern zuckt, dem sei gesagt: Animal Collective sind zwar zugänglicher geworden, in der Relation ist „Strawberry Jam“ aber immer noch ein zäher Brocken Musik. Dabei wird die Abkehr vom mystischen Freak-Folk mit gewöhnungsbedürftiger Atonalität und dafür die Hinwendung zum Pop, die sich bereits auf dem Vorgängeralbum „Feels“ und dem Soloausflug von Mitmusiker Panda Bear („Person Pitch“) andeutete, konsequent fortgesetzt. Der dehnbare Begriff Pop sollte im Zusammenhang mit dem New Yorker Künstlerkollektiv allerdings eher als Flohmarkt für musikalisches Allerlei, denn als 3:30 Minuten-Songformat verstanden werden. Denn auf „Strawberry Jam“ tummelt sich in 44 Minuten Spielzeit erneut so einiges organisches wie anorganisches: Wabernde Psychedelica, gewischte Loops, blubbernde Elektronik, geschrubbte Akustikgitarren, verfremdetes Getrommel und sanfter Elektrizismus. Die Zutaten der Erdbeermarmelade sind also die gleichen geblieben, neu ist das Rezept. Der Klangkosmos von Animal Collective ist implodiert, im Zentrum stehen nun dynamische Songs, die sich durch Synthesizer-Spielereien verdichten, ehe sie gen Ende genüsslich unter animalischen Lauten zerbersten. Man höre sich nur den fantastischen Einstieg in die Single „Peacebone“ an, bei dem sich unzählige flirrende Modemgeräusche mit einem grollenden Basslauf paaren, ehe es in dem Track zugeht wie im Raubtiergehege. In das uferlose Soundmassaker mischen sich jedoch immer wieder Beach Boys-Harmonien und saubere Melodieführungen, wahlweise im Falsett- oder mehrstimmigen Stammesgesang, an denen man sich halten kann, bevor es einem den Boden unter den Füßen wegzieht. Ihre Anziehungskraft übt die Musik von Animal Collective tatsächlich in ihrer oberflächlichen Ungenießbarkeit aus. Man muss sich mit ihr auseinandersetzen, sie sich in der Tat „schönhören“. Es lohnt sich. Schließlich ist die zermatschte Erdbeere auf dem Cover ungeachtet ihrer entstellten Form immer noch eine leckere Erdbeere. Guten Appetit.

Bewertung: 10 von 10 Sternen / Spielzeit: 43:36 / Experimenteller Pop, Freak-Folk

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