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MISC - September 2007 l #05
diesmal: somewhereinbetween Indie_Elektro_HipHop
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Diesmal mit:
Frederico Aubele | LVX Collective | Ewan Person | Steriogram | Texta uvm.
Als Fee im angekitschten easy listening Lounge-Sound von De-Phazz stand sie zwar im Rampenlicht - zwischen Café Del Mar-Umsatzwahnsinn und gefeierter Bühnenpräsenz. Ihre eigenen künstlerischen Ansprüche musste Sängerin Pat Appleton dafür natürlich zurücksetzen. Dass diese dennoch nicht gänzlich von ihren bisherigen Weggefährten divergieren, beweist "What's Next?" (Stereo Deluxe/Edel). Auf ihrem ersten eigenen Werk debütiert sie als lasziv zwischen Jazz, Pop, Soul – allesamt gehüllt in die obligatorische elektronische Basis. Appleton zeigt sich songorientierter; sie nutzt ihre Chance im Zentrum der elf Stücke stehen zu können, mehr als nur Teil eines entspannten Ganzen zu sein. Ja sogar eine Message verbreiten zu können. Entspannt klingt das Ergebnis dennoch. Und immer wenn sie sich vom netten Soulpop verabschiedet sogar angenehm an Morcheeba oder Smoke City. Schön.
Auch Frederico Aubele findet sich im Downbeat verwurzelt. Zumindest ein Teil seiner Persönlichkeit. Der andere, dort wo das Herz schlägt, huldigt dem Tango. Vielleicht ja unumgänglich als Musiker argentinischer Herkunft. Weil dann aber noch ein Faible für die klassische Singer-Songwriter-Zunft sowie die Möglichkeiten des Produzierens hinzukommt, wird es kompliziert. Sollte man meinen. Doch auch sein Zweitwerk "Panamericana" (ESL Music) fusioniert all seine Leidenschaften wieder zu einem zwar detailversessenem, jedoch traumwandlerisch entspannten Gesamtwerk. Aubeles Entdecker, die Thievery Corporation, sowie die hier als Gäste vertretenen Calexico können Bewunderer gleichsam wie auch die Fixpunkte für den gelungenen, authentischen Sound der 13 Songs darstellen.
Als klassisches Produzenten/Sänger Duo lassen sich die Herren Dave Harrow und Zen schonmal nicht fassen. Unter dem Titel LVX Collective bedienen sich die Amerikaner stattdessen exzessiv aus dem reichhaltigen Fundus afrikanischer Musik. Man zitiert Dub, Reggae, HipHop, Soul und präsentiert die eigene Elektronika-Adaption dabei - nicht zuletzt durch einige Gastkünstler - so vielseitig, dass "50.5.10" (Green Tea/Pressure Sounds/Groove Attack) beinahe etwas an eigener Identität einbüst. Vielleicht das zentrale Manko an einem detailliert ausgetüftelten Werk, welches nicht umsonst dem produktiven Umfeld der Visionaries zuzurechnen ist. Davon unbeeindruckt: Kurzweilig, im besten Sinne.
Eine Internetrecherche nach dieser Band führt beinahe ausschließlich zu Informationen über den mäßig unterhaltsamen Pixar-Goldfisch. Indiz dafür, dass Nemo wohl noch nicht den Status innehaben, welcher ihnen blühen dürfte. Gerade einmal eine halbe Stunde brauchen die Briten, um ihre Ambitionen zu unterstreichen, in die Liga von The Faint und Radio 4 aufzuschließen. Das SynthPop-Quartett vermischt kontemporären Indie-Zeitgeist mit dem New Wave/No Wave-Spirit und entwirft dabei ein erstaunlich organisches Album. "Post Human Love" (Noisedeluxe Rec./Alive) zeigt die Interpreten zwar entsprechend auf Hochglanz gestylt, die teils ohrwurmverdächtigen Tracks während ihres gut halbstündigen Debüts werden aber trotz elektronischer Beats dennoch durch Bratzgitarren dominiert.
Dance Musik, zur Perfektion gereift. So ließe sich Ewan Pearsons neueste Veröffentlichung "Piece Work" (!K7) in aller Kürze umreißen. Die 21 Tracks kompilieren seine gefragten Remixarbeiten der letzten Jahre; welche u.a. für The Rapture, Franz Ferdinand oder die Chemical Brothers angefertigt wurden. Auswahl und Umsetzung zeigen Pearson als Wanderer zwischen den ohnehin immer mehr verschwimmenden Genregrenzen. Unter dem Pseudonym Maas mag der Engländer seinerzeit bei Soma Recordings aktiv gewesen sein. Doch von den komplexen Elektrotracks der Anfangstage entwickelte sich seine Leidenschaft hin zu ausformulierten Pop-Strukturen. Das beeindruckende Resultat der Wandlung präsentiert sich nun auf diesem Doppelalbum: "Piece Work" filtert die Essenz aus den Originaltiteln, sortiert sorgfältig nach Dance-Anteil und Pop-Momenten, bevor das Stroboskop einschaltet wird - Dann brechen auf der Tanzfläche alle Dämme, während man an der Stereoanlage im Wohnzimmer den spannenden Interpretationen sogar alleine und unter dem Kopfhörer etwas abgewinnen kann.
Beinahe sieben Jahre wurde am Opener dieses Albums, "Blow Wind Blow", gefeilt: Ein Track, der nach zwischenzeitlicher Bearbeitung von Photek in seiner aktuellen Fassung die Brücke vom Big Beat zu einem Soundtrack-Score schlägt. Enorm tanzbar, enorm dicht arrangiert. Durchaus programmatisch für das, was anschließend folgt. Wenngleich der Sound der Rairbirds an Effektivität kaum überboten werden kann. Frappierend dabei insbesondere der enorm hohe Funk-Faktor, welcher sich anhand der Besetzung auf „1“ (One Little Indian/Rough Trade) schnell aufschlüsselt. Unter der zweistelligen Liste an Mitwirkenden findet sich nämlich von einer kompletten Bläser-Sektion hin zu Kongas, Streichern, Schlagzeugern und Hammond Orgel beinahe ausschließlich analoge Instrumentierung. Dazu: Programmierung, Keyboard und zwei Sänger. Dass das Material dennoch durch beinahe digitale Präzision glänzt, trägt durchaus zur hohen Tanzboden-Affinität dieses Projektes bei.
Ein winziges Independent-Label, ein Single-Erfolg in England und ein Gastauftritt von Killing Joke's Jaz Coleman... Die neuseeländischen Steriogram wollen sich partout nicht in eine Schublade stecken lassen. Nach einem verpatzten Major-Start präsentiert sich "This Is Not The Target Market" (Short Stack Records/Cargo) auf den ersten Blick ganz selbstverständlich als straightes Rockalbum. Aber, entsprechend des Titels - so einfach machen es einem die fünf Herren nicht. Und nach einigem Sinnieren über ihre eigene Musikdefinition (laut Myspace-Präsenz "Ambient / Amerikanisch / Big Beat") landet man kopfschüttelnd doch wieder bei Killing Joke. Und zwar deren Rock-infizierter Reinkarnation mit Dave Grohl. Samt nochmals hochgedrehtem Hookline-Anteil - und Referenzen an die ebenfalls unterbewerteten Amulet. Fazit: Eine Band zwischen den Stühlen; wer aber derartigen Arschrock in Hose hat, dem macht das wohl gar nichts aus.
Nachdem Son Of The Velvet Rat für mich die Austria-Überraschung des Jahres offenbarten, erfüllen Texta mit ihrem neuen Werk abermals dank eigenständigem HipHop mit Niveau die in sie gesetzten, hohen Erwartungen. Nicht umsonst wird hier selbstbewusst der gesamten deutschsprachigen Konkurrenz "Paroli" (Geco/Hoanzl/Groove Attack) geboten; Völlig unverkrampft markiert man vehement eigenes Terrain. Mit "Überflüssig", der Public Enemy-Persiflage "Pause Für Rebellen" oder der genialen Attwenger-Kollaboration "(So Schnö Kaust Gor Net) Schaun!" finden sich unter den 17 Tracks wieder jede Menge ebenso intelligente wie zündende Hits. Hier werden nicht nur Decks und Laptop beherrscht, sondern enorm sprachgewandt politisches wie szenerelevantes Wissen demonstriert. Entspannte Beats, gelegentliche Reggae-Exkurse und vor allem der einmalig charmante Akzent verfehlen ihre Wirkung somit abermals nicht. Selbst wenn Texta für mich an den Meilenstein "Gegenüber" wieder nicht ganz heranreichen: Die Linzer verdienen mit diesem starken Album definitiv die Aufmerksamkeit der offenen HipHop Community zwischen Kinderzimmer Productions, Promoe bzw. Looptroop und von mir aus auch Fanta 4. Selbst wenn die Fünf bisher an Euch vorbeigerauscht sind: Der Zeitpunkt ist dank "Paroli" günstig, sich von den Qualitäten der Formation überzeugen zu lassen. Am besten gleich anhand der limited Edition samt Bonus-DVD mit Live-Perfomance.
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