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MISC - November 2007 l #02

Spezial: Emo.Metal.Hard.Core.

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Diesmal mit:

Ambitions | Blinded By Trust | Crime In Stereo | Knuckledust | Opeth | Severe Torture | Terror | Sick City | Walls Of Jericho uvm.

Das nenne ich einen erfrischenden Einstieg in unsere Knüppel-Rubrik: Ambitions rekrutieren sich aus ehemaligen With Honor-Mitgliedern und rangieren auf diesem Erstlingswerk in angenehmer Entfernung typischer Genre-Stolpersteine. Nach einer Tour mit Modern Life Is War bzw. Bane klingt "Stranger" (Bridge 9/Soulfood) wie die logische Fortführung der Geschichte. Samt einem Sound, welcher seit Ignite, CIV oder den frühen Quicksand beinahe verloren gegangen zu sein schien. Hymnisch, druckvoll und mit einigen Ecken und Kanten versehen, überzeugen die 13 Tracks (samt Gastspiel von Have Heart-Frontmann Pat Flynn) durchgehend. Nicht zuletzt deshalb, weil Ambitions ihre Geschwindigkeit immer einmal wieder drosseln, kommen die energetischen, herrlich druckvoll produzierten Ausbrüche perfekt zum Ausdruck. Also: Ein definitive Muss für alle jene, bei denen auch heute noch "Call On My Brothers" oder "Straight And Alert" rotieren. Und mehr als eine Entschädigung für das Ableben von With Honor!

War ihr letztes Werk bereits eine ziemlich griffige Angelegenheit, definieren The Autumn Offering nun das englische Adjektiv "catchy" für ihren Kontext nochmals präziser. "Fear Will Cast No Shadow" (Victory Records/Soulfood) drängt trotz einigem enormen Gekeife und Gekreische sowie diversen Double-Bass-Attacken wirklich blitzschnell ins Ohr... was sicher nicht nur dem stark erhöhten Rock- und Pop-Appeal im Songwriting geschuldet ist. Nein, ich würde vielmehr vermuten, dass Trivium-Produzent Jason Suecoff an mehr Stellen als nur im Sound Spuren hinterlassen hat. Da passt es prima, dass man mit Matt McChesney (ex-Frontmann der glücklosen Hell Within) einen Sänger in den eigenen Reihen weiß, der auch mit cleanen Vocals überzeugen kann. Letztendlich kann man der Formation aus der Death Metal-Hochburg damit noch nicht einmal Inkonsistenz vorwerfen: The Autumn Offering funktionierte von Beginn an analog zur Metalcore-Entwicklung. "Fear Will Cast No Shadow" markiert da nun den nächsten Höhepunkt. Diesmal eben auch in kommerzieller Hinsicht. Zumindest für die Trivium-Fraktion tut sich damit ein weiterer potentieller Liebling auf. Auch wenn für mich der erhöhte Hitanteil nicht kompensieren kann, dass Album Nummer drei die individuelle Kontur klar fehlt.

Aus der Reihe "True As Fuck und was das Hardcore-Kompendium sonst noch hergibt“: Blinded By Trust auf dem Kampf gegen Backstabber, Faker und Hater. Oder: Gepflegtes Bollo-Tum für spät einsetzende Pubertäts-Schübe. Auf "Justice Will Prevail" (Lucifers Legions Records) wüten sich die Niederländer einmal durch den kompletten Szene-Jargon. Die Energie, die während dieser N.Y.H.C.-Huldigung an den Tag gelegt wird, kann sich dabei durchaus sehen lassen. Springt sie doch unmittelbar auf den Hörer über, der sich (in meinem Fall) eigentlich nur über die Platte amüsieren wollte. Stattessen positionieren sich Blinded By Trust in der Tradition von Landsmännern wie Backfire, Right Direction oder Born From Pain. Diverse Gastvocals, ansehnliche Moshparts, massive Gangshouts und eine exzellente Produktion runden die neun Tracks ab. Definitiv die lohnendere Alternative zum unten genannten Knuckledust-Reinfall!

Auf ihrem Weg vom Hardcore zum Rock haben Crime In Stereo mit Longplayer Nummer drei nicht nur musikalisch einen weiteren Schritt nach vorne gemacht. "Crime In Stereo Is Dead" (Bridge 9/Soulfood) erscheint zudem via Bridge Nine Records; die zwar eine feste Größe im Hardcore-Dschungel darstellen, jedoch zumindest über bessere Vertriebswege verfügen als die bisherigen Partner (u.a. Blackout und Nitro). Und selbst wenn angesichts des rudimentären Sounds der uns vorliegenden Advanced-CD keine finale Bewertung möglich sein kann, unterstreichen die elf Songs auch im Rohgewand, dass der Weg in Richtung treibender Rocksongs mit dezenter Emocore-Schlagseite analog der schändlich unterschätzten Recover gelingt. Denn Crime In Stereo verwechseln diese Entwicklung nicht mit einem vermeintlichen "glatter" werden, sondern haben ähnlich ihrer Vorbilder von Dag Nasty auch in der späten Phase noch eine Daseinsberechtigung. Nicht zuletzt, weil man die neuen Möglichkeiten auch nutzt, um ein paar vorsichtige Experimente einzubauen. Auf den Albumtitel sollte man - insbesondere dank Highlights wie "Animal Pharm" im Repertoire - deswegen nicht allzu viel geben...

Nachdem aus dem Hause GSR Music in den letzten Monaten beinahe ausschließlich gutklassige Kost kam, wagen sich die Niederländer nun wieder in die Untiefen übler Hardcore-Klischees: Böse angepisst sind sie mal wieder, Knuckledust aus dem Vereinten Königreich. Und werden mit ihrer prolligen Mischung aus Hardcore (50%), Punk (10%) und Metal (40%) wieder einigen Gleichgesinnten Erleichterung verschaffen. Zum Beispiel bei den anstehenden Liveshows, auf denen sie in der Vergangenheit mit ihrer Vorgängerband Uphold schon Fans der Asian Dub Foundation zum Pogen gebracht haben. "Promises Comfort Fools" (GSR Music/Cargo) ist der dritte reguläre Longplayer dieser tourfreudigen Band und wurde von Tue Madsen als "executive producer" mit einem knalligen Sound ausgestattet. Da machen die zwölf Songs, denen vor allem Fans der von Hatebreed oder Ryker's (Gesang!) ein Ohr leihen sollten, gleich doppelt Spaß. Vorausgesetzt, das Hirn bleibt ausgeschaltet. Aber auch die New Yorker Schule hat ihre Spuren bei den Engländern hinterlassen. Wer also 'mal wieder Lust auf ein bisschen Midtempo-Gebolze samt Hüpffaktor hat, kann meinetwegen reinhören.

Ton gewordene Melancholie für die dunkle Jahreszeit: Bevor Opeth zu neuen Großtaten aufbrechen, warten die skandinavischen Prog-Düsterrocker mit einem Live-Doppelalbum auf. "The Roundhouse Tapes" (Peaceville) wurde vor einem Jahr gegen Ende der "Ghost Reveries"-Tour in dem gleichnamigen Londoner Club aufgezeichnet. Beide CDs (deren Spielzeit jedoch nicht völlig ausgeschöpft wurde) bringen es auf gerade einmal neun Tracks; Indiz für die bedächtige Erhabenheit, mit welcher die Schweden zu Werke gehen. Nicht umsonst war Porcupine Tree-Vordenker Steven Wilson von Anfang an beständiger Supporter der Musiker um Koryphäe Mikael Akerfeldt (u.a. Bloodbath): Es fasziniert zu jeder Sekunde, wie der Spagat zwischen progressivem Gestus, brachialen Kraftausbrüchen und majestätischen Songaufbauten gelingt. Leider wird auf unserer Promo-CD immer wieder "dazwischengebleept", was selbstverständlich Gift in die atmosphärisch dichten Soundgewebe injiziert. Worauf man sich als zahlender Konsument zum Glück aber nicht einlassen muss. Und gerade weil "The Roundhouse Tapes" abseits der bisherigen Labelsituation auf der Heimatfirma von u.a. My Dying Bride erscheint... hier passt einfach alles! Soundqualität, Artwork und nicht zuletzt die Performance machen das Werk zu einer äußerst lohnenden Angelegenheit.

Severe Torture aus dem niederländischen Boxtel bewegen sich auf "Sworn Vengeance" (Earache) aus der Deathmetal-Perspektive auf den Metalcore zu. Ihrer klassischen Cannibal Corpse-Chose mischen sie nämlich einige angesagte Breakdowns bei, halten jedoch das Gaspedal durchgehend auf den Boden gepresst. Wirkliche Innovationen hört man während der guten halben Stunde zwar keine, handwerklich im grünen Bereich dagegen bewegen sich die Fünf zu jeder Sekunde. Ähnlich wir im Falle ihrer Eidgenossen von Dew-Scented gelingt es für meine Begriffe aber nicht, den Begeisterungssturm von Formationen wie Hatesphere oder Vader auszulösen. Dazu fehlen einfach die packenden Momente, an welche man sich auch nach dem zweiten Hördurchgang noch erinnert. Die interessanteste Angelegenheit bekam ich dabei noch nicht zu Gehör: Die Erstauflage soll nämlich inklusive zweier Coverversionen von Entombed und Cro-Mags kommen... Vielleicht liegt dort das entscheidende Quäntchen, Severe Torture jenseits ihrer fraglos vorhandenen technischen Brillanz aus dem Durchschnitt zu hieven.

Immer wieder drängen sich vermeintliche Emorock-Alternative-Formationen ins Trustkill-Labelrepertoire. Und in neun von zehn Fällen geht diese Angelegenheit in die Hose. Aktuelles Beispiel: Sick City, die trotz "provokativem" Bandnamen und Albumcover völlig harmlosen, aufpolierten Pop spielen. Der Promohinweis erwähnt gemeinsame Shows mit Papa Roach und den Kollegen Bedlight For Blue Eyes, was zumindest als ehrliches Indiz verstanden werden kann. "Nightlife" (Trustkill/SPV) vermag nämlich den einen oder anderen Tanzboden- oder Konzerthallen-Füller am Start haben. Über weite Teile aber zelebrieren die Kanadier gepflegte Langeweile, die mit aufgesetzter Dramatik in Szene gesetzt wird. Die Single "Turning Heads" beispielsweise entpuppt sich als gesichtsloser "Oh-oh-oh"-Refrain-Powerpop-Song. Und selbst wenn Sick City dezent auf die Tube drücken ("Islands"), kann man sich ein Gähnen nicht verkneifen. Mit den unzähligen Klamotten-Labelbannern auf der eigenen Myspace-Seite kicken sich die fünf Herren dann ohnehin selbst ins Aus. Bei allem Respekt vor den anderen Trustkill-Bands: Das hier ist kalkulierter, konstruierter Plastik-Emorock der untersten Kajüte. Welcher mit beachtlicher Vehemenz sämtliche Negativ-Klischees des Genres personifiziert.

Nicht nur Zwischenbericht, sondern auch ein Tribut an die eigene Integrität: Terror veröffentlichen mit "Rhythm Amongst The Chaos" (Reflections Records/Cargo) eine Art Bestandsaufnahme im komprimierten Format. Welche nicht nur nochmals mehr zu Gunsten der alten Schule ausfällt, sondern vor allen Dingen mit Reflections Records auch über jenes integere Szene-Label veröffentlicht wird, das Brüllwürfel Scott Vogel und Konsorten seinerzeit entdeckt hatte. Die fünf Tracks in zehn Minuten zelebrieren abseits der Breitwand-Produktion des letzten Longplayers "Always The Hard Way" den derben Klang aus dem Studio von Drummer Nick Jett. Doch nicht genug, dass die Komposition dieser EP zum stärksten und intensivsten gehören, was Terror bisher auf Band gebracht haben. Mit "Kickback" wartet man zudem samt einer kongenialen Coverversion der New Yorker Hardcore-Legende Breakdown auf... für welche man – sic! - Jedi Mind Tricks-Rapper Vinnie Paz anheuerte. Essentiell.

Während Walls Of Jericho gerade wieder einmal einen Triumphzug über europäische Bühnen absolviert haben, kümmert sich deren ehemaliges Label um die Nachlassverwaltung dieser ja noch verdammt vitalen Formation. "The Bound Feed The Gagged" (Trustkill/SPV) bietet nun die Reanimation des zeitweise vergriffenen Debüts aus dem Jahre 1999. Eine Zeit also, als Candace Kucsulain und ihre Männer noch wesentlich weniger catchy und ausproduziert zu Werke gingen. Mit deutlich mehr Stife als Slayer im Einflussbereich sind die elf Tracks ein schweißtreibender Par Force-Ritt durch den Hardcore und offerierten den nächsten logischen Schritt nach der "A Day And A Thousand Years" EP. Leider findet sich keinerlei Bonus-Material auf der Scheibe und auch Linernotes oder remasterter Sound bleiben Fehlanzeigen. Das Songmaterial allerdings steht nach wie vor für sich.

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