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MISC - November 2007 l #04

Was vom Tage übrig blieb, oder: Best Of Promo-Haufen

Diesmal mit:

Kapelle Weyerer | The Dust Dive | City Sleeps | Streetlight Manifesto | Moros Eros | Veagaz

Einmal krank, dann wieder schwer unterwegs und schon hat sich wieder ein beachtlicher Promo-Berg gebildet, den es nun nach allen Regeln der Kunst zu erklimmen gilt.

Den Anfang macht die Kapelle Weyerer, die mit „!practice liebe!“ (Ein neues System, Musik und Film) ihr Debütalbum vorlegt und damit ein eigenständiges Stück an deutschem Indiepop geschaffen hat. Die Kapelle Weyerer, das sind insgesamt vier Mitglieder um Leadsänger und Mastermind Stefan Weyerer, die sich mit Singer/Songwritertum, melancholischem Pop, dröhnenden Rockallüren und deutschen Lyrics gekonnt den Ball zuwerfen. Nicht wirklich einfach, diese Kombination in eine Schublade zu stecken, aber das ist vielleicht auch ganz gut so. Mit ihrer etwas unkonventionellen Addition von Musikstilen, saftigen Texten und kruden Melodien hat sich die Kapelle Weyerer zumindest ein eigenes Refugium erkämpft. Wer auf textschweren, krautigen Indierock steht, möge hier bitte zugreifen. Meine Empfehlung gibt es auf jeden Fall.

Noch viel sperriger kommen dagegen The Dust Dive daher: Auf ihrem zweiten Album „Claws Of Light“ (Own Records / Alive) präsentiert das Trio aus Brooklyn ein verstörendes Sammelsurium an verschiedensten Stileinflüssen. Post-Rock trifft auf Synthesizer, Folk auf Punk, Pop auf Klassik. Kann funktionieren - muss aber nicht. Eher letzteres trifft für mich auch „Claws Of Light“ zu: Der Versuch atmosphärisch-elegische Melodien aus den verschiedenen Elementen zu kreieren, geht für mich hier ziemlich flöten und erschafft - ganz entgegen der Intention - schwergreifbare, nervenaufreibende Sound-Kaleidoskopen, die einen weder fesseln noch großartig unterhalten können. Zudem sind die Vocals mindestens genauso kauzig eingeworfen und unterstützen den kantigen Gesamteindruck. So ist das Ganze vom Ansatz her zwar ganz gut, aber besonders relaxte Stunden sind mit The Dust Dive wohl nicht zu bestreiten.

Fast schon konventionell kommen dann schon City Sleeps um die Ecke, ist ihr Album „Not An Angel“ (Trustkill Records / SPV) doch ein solides Stück an gängiger Emorock-Systematik. Der Fünfer aus Atlanta um Sänger Ely Dye haut in die bekannte Kerbe aus melodischem Rock und mäßig-aggressivem Post-Hardcore - ein Gemisch, das in letzter Konsequenz nicht genügend Drive entwickelt um über die gesamte Länge mitreißen zu können. Sicher, schöne Melodien bietet „Not An Angel“ in jedem Fall, aber leider immer im ewig gleichen kajal-verschmierten Emo-Gewand, das leider keine Überraschungen oder gar besondere Höhepunkte zu bieten hat. Ein gutes, naja, Rockalbum muss man dazu wohl schon sagen. Schöne Melodie-Ideen, kräftige Gitarren, schmetternde Vocals, produziert von John Fieldmann (The Used u.a.) - das klingt wie so vieles, aber auch nicht viel mehr.

Nichts Neues auch von Streetlight Manifesto - dafür aber auf hohem Niveau. Denn die Combo (bestehend auch aus ehemaligen Catch 22-Mitgleiedern) schafft es mit „Somewhere In The Between“ (Victory Records / Soulfood) wieder Ska- und Punkrock auf hohem Niveau zu zelebrieren. Von vielen als Gute-Laune-Mucke verunglimpft zeigen Streetlight Manifesto, was Ska-/Punkrock ausmachen kann: Mitreißende Melodien, polternde Rythmen, schmissige Vocals und ein Händchen für die verschiedensten Stilebenen, die der Ska zu bieten Hat. Jazz, Dixie, Dancehall, Gipsy und Reggae sowieso. „Somewhere In The Between“ vereint all dies und wird uns so mit Sicherheit mit viel Wärme, unkontrollierten Extremitäten und nicht zuletzt einem dümmlichen Grinsen auf dem Gesicht durch die kalte Jahreszeit bringen. Sommer ist wie man sich fühlt- oder so ähnlich.

Ein etwas jüngerer, alter Bekannter aus dem gleichen Hause sind Moros Eros, die nach ihrem genialen, aber nicht überall als solches bekanntes Debüt „I Saw The Devil Last Night And Now The Sun Shines Bright“ ein weiteres Brett nachlegen. Die vier Jungs um Zach Tipton aus Georgia konzentrieren sich nämlich auch beim wieder kongenial betitelten Nachfolger „Jealous Me Was Killed By Curiosity“ (Soulfood) auf das Wesentliche: Post-Hardcore vom feinsten mit dem gewissen Etwas aus findigen Riffs, instrumentaler Raffinesse, zündenden Vocals und verqueren Lyrics. Extrem tanzbar (?) und innovativ - soviel steht fest. Moros Eros heben den Postrock auf eine neue, eigene Ebene und haben wohl noch lange nicht genug, denn die Ideendichte auf den beiden bisherigen Alben ist schon beeindruckend und lässt auf weitere Geistesblitze hoffen. Ein schönes, dreckiges Stück an derbe rockender Musik. Mehr braucht man doch eigentlich nicht.

Etwas schwerer geht es zum Schluss bei Veagaz zu, die ihr zweites Album den passenden Titel „New Suburban White Trash Soul Music“ (Schallplattenmanufaktur Hameln / Radar) mit dem inoffiziellen Untertitel „Der Soundtrack für die Nacht, Teil 2) verpasst haben. Und es stimmt: Düster geht es zu, rotweinschwer, whiskeyverschleiert und rauchverwabert. Die schwermütigen, paranoiden Stücke von Madrugada lassen grüßen. Nick Cave sitzt am Tisch gegenüber, verschmitzt in sich gekehrt. Veagaz bedienen Klischees, das aber hervorragend. Rock, Americana, Folk, aber wohl eher Musik-Themes als Songs. Quentin Tarantino würde sich wohl fühlen in der verrauchten Kellerkneipe nachts um vier, in der „New Suburban White Trash Soul Music“ wohl seine Heimat hat. Für einsame, schwermütige Stunden sicherlich genau das richtige - auch weil es einen nicht allein lässt mit der Schwere einer Melodie sondern mit Riffs und anderen Spielereien doch immer wieder kleine Höhepunkte in den Tiefen schafft. Richtig schön!

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