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|| Robert Heldner ||


Top10

1. Bloc Party - A Weekend In The City // 2. Benjy Ferree - Leaving The Nest // 3. Muff Potter - Steady Fremdkörper // 4. Arcade Fire - Neon Bible // 5. Jens Friebe - Das Mit Dem Auto Ist Egal... // 6. Bright Eyes - Cassadaga // 7. Tocotronic - Kapitulation // 8. Bob Dylan - Modern Times // 9. Jamie T. - Panic Prevention // 10. The National - Boxer

Das Jahr 2007 war ein merkwürdiges, vielleicht sogar denkwürdiges. In erster Linie deshalb, weil keine neue Band den absoluten Durchbruch geschafft hat. This Years Arcade Fire? Fehlanzeige! Stattdessen die Rückkehr alter Helden - Tocotronic zum Beispiel. Deren kapitulation war beeindruckend, genauso wie das Medien-Geheul drumherum. Die Band hat das verdient. So larmoyant und altbacken ihr Plädoyer für den entschleunigten, sozialverträglichen Kapitalismus auch sein mag - am Argument und an der Richtigkeit ändert das ja nichts. Und wem bei "Imitationen" nicht eine Träne auf der Wange stand, als er den Song das erste mal hörte, dem war ohnehin nicht mehr zu helfen.

Zu helfen wird auch Benjy Ferree nicht mehr sein. Der Mann hat zu Beginn des Jahres ein so wundervolles Songwriter-Kleinod geschaffen - gedankt hat es ihm kaum jemand. Dabei war das Album "Leaving the Nest" die Symbiose aus Punk und Folk, viel besser verzahnt und spannender als die enttäuschende Rückkehr der Two Gallants. Noch dazu ist Ferree ein so grundsympathischer Mensch. Geholfen hat das alles nichts - da zeigt sich mal wieder die Misere unserer Zeit: die Musikzeitschriften können und wollen nichts mehr bewegen - und die Blogger wollen aber können nichts bewegen. Und ein Ausnahmekünstler geht dann unter...

Ganz anders da Bloc Party. An denen kam dieses Jahr keiner vorbei. Im Guten und im Schlechten. "A Weekend in the City" spaltete die Musikhörerschaft, enttäuschte einige Fans und machte dennoch ganz ganz viele Hörer glücklich. Das lag vor allem auch an diesem Song: "Waiting for the 7.18", der alle Stärken Bloc Partys bündelt und den Hörer mit einer alles überschäumenden Melancholie flutet. "Give me moments / Not hours or days / Let's drive to Brighton on the weekend" gehört jetzt schon an jede Hauswand gesprayed! Mehr Herzschmerz und Pathos in 2007 ging nicht!

So gut Kapitulation auch war, den Titel für das beste deutschsprachige Album müssen sich Jens Friebe und Locas in Love teilen. Friebe, das gute Popgewissen der Indie-Nation und arroganter Glitzer-Schnösel in einem, legte sein Opus vor. "Das mit dem Auto ist egal, hauptsache dir ist nichts passiert". Ebenso spitzbübisch wie der Titel war auch der Inhalt: Pop, Pop, Pop. Das ganze aber viel tief- und abgründiger als noch "Hypnose". Dabei war das Album ja schon Beweis für die Genialität Friebes. Und auch Locas in Love legten nach, schufen mit "Saurus" ihr bestes Album - und machten sich mal eben rar. Und warum das ganze? Weil sie lieber mit Karpatenhund dem ewigen Traum hinterherjagten - mit der eigenen Musik Geld verdienen zu können. Geklappt hat das bekanntlich nicht. Hätte es auch mit "Saurus" nicht. Dafür ist die Kunst dieses spröden Albums allemal schöner und anrührender. "Ich erkenne dich wieder, ich mag deine Handschrift. Ich würde dich Kugel für dich fangen."

Das Schlußwort gehört dem Grandseigneur der Popmusik, dem Altmeister des Folk - Bob Dylan. Es hätte sein Jahr werden können, 2007. Aber gegen die formschönen Haxen einer Rihanna hatte Dylan wenig entgegenzusetzen. Und einen charttauglichen Hit wie "Umbrella" hatte der Mann ohne Regenschirm auch nicht zu bieten. Und auch "Modern Times", sein letztes Album, ist ja eigentlich von 2006. Sein Geist und seine Hülle schwebten dennoch über 2007 - in Form einer verstörenden Konzertreihe, eines merkwürdigen Werbeclips, eines angekündigten Kinofilms und einer außergwöhnlichen zweiten Runde der "Theme Time Radio Hour", in der er mit knarzender Stimme von alten Zeiten schwärmte. So wie dieser Mann Musik lebt, wünscht man sich die Zukunft. Aber die Zeiten sind wohl ein für allemal vorbei. Das zumindest hat 2007 bewiesen...

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