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British Sea Power

Do You Like Rock Music?

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Es gibt diese fast schon alte Mär vom Haldern Festival 2005, dass sich British Sea Power dort schwer alkoholisiert eine wilde Zwiebelschlacht mit dem Publikum der Zeltbühne geliefert haben. Und natürlich wollen bei dieser denkwürdigen Einlage wieder mehr Menschen dabei gewesen sein, als es das Fassungsvermögen des Zelts zulässt. So läuft es eben im Pop.
Weil das kleine Festival am Niederrhein aber auch als heimlicher Meinungsmacher in Sachen Brit-Pop-Import gilt, hatte die Band aus Brighton danach zumindest im eher desinteressierten Deutschland ihren Ruf weg: Bombast-Rocker mit leichtem Dachschaden. Nun erscheint das dritte Album, das nicht mit fliegendem Gemüse, sondern einer Frage im Albumtitel aufwartet, wie sie unverbindlicher nicht sein könnte: Magst du Rock Musik? Doch sie bringt den modernen Musikhörer in Bedrängnis, der gleichzeitig ja zu Blur und nein zu Oasis sagt. Bleibt zu klären, ob man zumindest auf dem Album eine Antwort für sich findet. Verbindet man den dehnbaren Begriff des Rock nämlich mit knarzig-majestätischen Hymnen urbritischer Prägung, wird man bei British Sea Power definitiv fündig. Schon das Intro „All In It“ stampft dem Hörer mit seinem kanonartigen Chorus „We're all in it and we close our eyes“ entgegen wie eine Armee, die sich allmählich über eine Anhöhe voranschiebt und am Ende in voller Mannstärke vor einem steht. Kapitulation war gestern, der Breitwandsound ist zurück. Dabei ist sind die Songs auf „Do You Like Rock Music?“ in ihrer Eingängigkeit denen des Vorgängers „Open Season“ gar nicht unähnlich. Es werden nur noch ein paar Holzscheite mehr ins Feuer geworfen, wie im wunderbaren „Lights Out For Darker Skies“, wo man sich ein rastendes Interlude gönnt, ehe in den letzten 20 Sekunden die gesamte Meute ihre Stimme zur Attacke erhebt. Ähnlich weggeblasen wurde man allerhöchstens vom Debüt von Arcade Fire. Die Single „Waving Flags“ ist mit Sirenen-Chören und Gitarren-Schichtsalat auf nichts anderes als die ganz große Geste und den Headliner-Slot beim Glastonbury-Festival aus, wo man ja auch gern martialisch Flaggen in die Höhe reckt. Dabei geht es noch besser: „Canvey Island“, „Down On The Ground“, „A Trip Out“ - alles Singles vor dem Herrn. Sänger Yan (Scott Wilkinson) klingt mal nach dem jungen Jarvis Cocker, dann wieder nach einem älteren David Bowie. Er erdet die Songs, die mit ihren Melodien nahe an der Herzschlagkurve, satt lärmenden Gitarren und allerlei Halleffekten drohen, an Bodenhaftung zu verlieren. Selbst die Grenze zu Stadionrock und Pathos-Pop wird Ecken und Kanten im Sound, sowie vogelwilden Textreferenzen an tschechische Fußballklubs, österreichische Schauspielerinnen aus den dreißiger Jahren und polnische Flüsse lässig umschifft. Einzig „No Need To Cry“ ist eine etwas zu offensichtliche Verbeugung vor dem Songwriting von Damon Albarn. Trotzdem ist „Do You Like Rock Music?“ bis hin zu seinem abmarschierenden Outro „We Close Our Eyes“ ein inbrünstiges Plädoyer für Sturm und Drang in der Musik. Und noch dazu eine Watschen für immergleiche Brit-Pop-Entwürfe. Also, sagt ja zu dieser Rock Musik, ja zu British Sea Power, ja zu einem Schnaps zuviel. Und auch mal ja zu einer Zwiebelschlacht.

Bewertung: 9 von 10 Sternen / Spielzeit: 54:44 / Brit-Pop

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