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MISC - Januar 2008 l #04

Gameboy Tunes und Clubsounds

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Diesmal mit:

Praxis Dr. Cronau | Mini Roc | Juri Gagarin | Pitchtuner

Hinter Praxis Dr. Cronau verbirgt sich ein Typ, der den Spitznamen „Metalbenny“ trägt. Das ist nur insofern wichtig, da der Sound auf der „Extended Play“-EP (D.I.Y.) rein gar nichts mit dieser musikalischen Vergangenheit gemein hat. Es geht um eine andere. Die vier darauf enthaltenen Songs sind klassischer 90er-Jahre-Kirmestechno. Happy Hardcore, Charly Lownoise & Mental Theo-Style. Falls euch das noch was sagt. Die weiteren Vorbilder sind recht leicht rauszuhören. Es ist das beste aus Scooter, Dune und vermutlich dem ein oder anderen Act der auf den legendären „Trance Nation“-Samplern vertreten war. Einen Hang zum schlechten Geschmack muss man schon haben, um das gut zu finden. Auch wenn die vier Tracks gut reingehen, die Praxis Dr. Cronau wäre auf einer 90er Jahre-Bad-Taste-Party sicher am besten aufgehoben. Man beachte allerdings: Das ist keine parodistische Aufarbeitung des jugendlichen Traumas. Das ist ernst gemeint. Zum ausflippen, laut „Feierei“ schreien, für Bierduschen und anderen Quatsch hervorragend geeignet. Am besten mal den vom gleichnamigen Hamburger Bauwerk inspirierten Track „Elbtunnel“ auf Myspace anchecken. Dann wisst ihr eh, wie der Hase läuft ... Dass wir auf der EP gegrüßt werden, hat auch seinen Grund. Der werte Herr Doktor war eine Zeitlang unser Türsteher bei „Sellfish tanzt“. Sollte nicht unerwähnt bleiben.

Zweiter im Bunde unseres Elektro-Specials: Mini Roc. Gemeinsamkeiten mit dem Herren davor: Es ist ein einzelner Knöpfchendreher und beide haben auf dem aktuellen „Bird Berlin/Escape Hawaii“-Splitalbum „Acid Acid“ einen Remix beigesteuert. Jetzt zum großen Unterschied. Auf dem Debütalbum „Mini Land“ (kostenlos runterzuladen beim französischen Netlabel Da ! Heard it Records) regiert Long Play statt Extended Play. Und elf völlig untrashige 8-Bit-Gameboy-Elektrosongs. Der Mann dahinter, Jan Michelbach (JaMi, Digital Kunstrasen), tobt sich schon seit Ewigkeiten auf dem Spielfeld der elektronischen Musik aus. Über ihn bin ich vor etwa dreieinhalb Jahren zum ersten Mal auf Plemo gestoßen. Mit seinem Projekt Mini Roc lebt der Bochumer seine Vorliebe für Handheldsounds aus. Das klingt dann durchaus mal nach Escape Hawaii ohne Gesang. Logisch, so viele unterschiedliche Geräusche gibt ein Gameboy nun mal nicht her. Das abwechslungsreiche Ergebnis ist deshalb umso erstaunlicher. Elf Tracks, tighter 8-Bit-Sound kombiniert mit modernen Elektro- und Techno-Tunes. Allein die Titel: „Rage Against The Highscore“, „Select A“ oder „Rave On, Zappelphilipp“ (Der Name hält, was er verspricht!): Allererste Sahne. Auf Gesang verzichtet Jan Michelbach wie gesagt bewusst. Er lässt lieber die Beats sprechen.

Juri Gagarin, das sind sind Arnold Kinzel und Sergej Halosin. Ihr Debütalbum „Energia“ erscheint auf Audiolith Records. Dem Label, auf dem auch Der Tante Renate und Egotronic beheimatet sind. Kein Zufall, denn zum einen sind die Herren eh alle per Du. Zum anderen ist das die gleiche musikalische Baustelle. Da verwundert es auch nicht, dass Rampue und Der Tante Renate jeweils einen Remix mit aufs Album gepackt haben. Zusammen mit dem Track „Supermarkt“, bei dem Friederike Herr, die Sängerin der leider aufgelösten Iskra, ans Mikro tritt, die Songs, die aus dem Rahmen fallen. Die restlichen acht Tracks sind wie aus einem Guss. Zum feiern, tanzen und ausrasten. Ziemlich unverfälschte Energie eben. Für Leute, die Der Tante Renate und Egotronic auch ohne Gesang etwas abgewinnen können. Mit Frauenstimme klingen Juri Gagarin übrigens wie die kleine Schwester von Räuberhöhle. Der Elektroclash-Anzug sitzt nicht perfekt. Zum Tanzen aber hervorragend geeignet.

Beim Einschalten des neuen Webradios ByteFM ist es passiert. Zum ersten Mal hörte ich die Band Pitchtuner reden. Sie erzählten mit ihren angenehmen Stimmen vom Tourleben, von ihrem neuen Album und ihrem Status in Japan. Japan deswegen, weil Sängerin Miki waschechte Japanerin ist. Das dritte Album "Riding The Fire" (Doxa Recor / Alive) nahm man mit Beatsteaks-Produzent Moses Schneider auf. Ein großer Schritt. Die ersten beiden Platten wurden immerhin im eigenen Wohnzimmer eingespielt. Das Album, live auf Platte gebannt, verführt zum Tanzen. Selbst dann, wenn es dir nicht gerade subtil „This is our party, so shut up and dance“ ins Gesicht schreit. Das gelingt Pitchtuner mit Pop-Melodien, die auch den Franzosen von Phoenix oder den Belgiern von Das Pop gut stehen würden. Sie vermischen Synthies und Discobeats, der Drummer sorgt für den richtigen Rhythmus und die 80er scheinen nie so weit weg. Elektro und Disco dürfen gerne im selben Atemzug genannt werden. Dabei verstehen sich Pitchtuner keineswegs als eine elektronische Band. Sie machen Musik für den Club, in klassischer Drei-Mann/Frau-Band-Besetzung. Als ob man beweisen müsste, dass das geht, verknüpfen sie das ganze mit der „Macht der Amps“. Durchaus gelungen.

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