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The Mars Volta

The Bedlam In Goliath

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The Mars Volta haben ein neues Album gemacht und natürlich könnte man jetzt wieder in Jubelarien ausbrechen, doch “The Bedlam In Goliath“ gibt dafür eigentlich keinen Anlass. Seit drei Alben betreiben die beiden ehemaligen At The Drive-In-Mitglieder Omar Rodriguez-Lopez und Cedric Bixler-Zavala nun schon die Dekonstruktion von konventioneller Musik, doch diesen Mischmasch noch als progressiv zu bezeichnen, wäre eine bodenlose Frechheit.
Zwar haben die beiden dem neuen Album wieder etwas mehr Form gegeben und die Songs mit etwas mehr Struktur ausgestattet, weniger wild geht es aber auch auf “The Bedlam In Goliath“ nicht zu. Hier werden immer noch Psychedelic-, Kraut- und sogenannter Progresiverock in einen Topf geschmissen, um anschließend mit Funk und jeder Menge lateinamerikanischer Rhythmen nachzuwürzen. Mastermind ist nach wie vor und nahezu uneingeschränkt Rodriguez-Lopez, der zusammen mit Sänger und Texter Bixler-Zavala eine Heerschar an technisch absolut versierten Musikern anführt. Da mögen noch so viele Größen auf der Bühne stehen, erfunden hat sie Omar, den man für einen Visionär und Revolutionär der Rockmusik halten kann oder wahlweise für einen echten Langweiler. Denn bei aller Liebe zum Detail und anspruchsvoller Musik, was The Mars Volta da nun seit geraumer Zeit betreiben ist ungefähr genauso überraschend, wie der deutsche Schlager. Während der Ideenreichtum und der persönliche Wahnsinn der beiden haarigen Zeitgenossen auf dem Debüt “De-Loused In The Comatorium“ noch in fantastischen Songs mündete, die sich wenigstens ab und zu mit dem Lasso einfingen ließen, ist davon bereits seit „Frances The Mute“ nichts mehr übrig. Da wird scheinbar so lange gefrickelt bis alle Welt weiß, wer die biegsamsten Finger hat. Jeder Pop-Apeal wird mit wilder Percussion zerpfügt, die spannenden Syntheziser-Passagen werden mit quälenden Soli und überspitzt chaotischen Riffattacken kaputt gemacht. Als Dennis Lyxzén (The Lost Patrol, Refused) bei uns im Interview sagte: „Ich hasse dieses Masturbieren, ich hasse es, wenn Leute zeigen wollen, wie gut sie an ihrem Instrument sind. (...) Mich interessiert nicht, wie gut jemand spielen kann oder was für komplizierte Rhythmen er kreieren kann. Wenn jemand nicht fähig ist einen catchy Refrain zu schreiben, gebe ich einen Scheiß auf seine Musik“, könnte er dabei genau an diese Musik gedacht haben. Keine Frage: “The Bedlam In Goliath“ hat seine tollen Momente, die sind aber gut versteckt und äußerst rar. Die überaus kurz gehaltene Single „Wax Simulacra“ gehört dazu, genauso wie das tatsächlich überraschende „Ouroborous“ oder „Soothsayer“. Überhaupt ist die zweite Albumhälfte deutlich erträglicher. Immer wenn das Kollektiv - unter autoritärer Führung - etwas greifbarer wird und versucht die selbst erschaffenen Monster wenigstens ein bisschen zu kontrollieren, wird es erträglicher. Wenn Rodriguez-Lopez in „Agadez“ sein Instrument für einen kurzen Moment an die Leine nimmt und ein paar recht schlichte Riffs rausprügelt, merkt man erst einmal wieder, wie sehr man At The Drive-In vermisst. Andererseits: Wer weiß was die beiden Wirrköpfe mit unserer former favourite band noch alles angestellt hätten, wenn der Split nicht gewesen wäre...

Bewertung: 6 von 10 Sternen / Spielzeit: 75:50 / Masturbationsrock

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