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Minus

The Great Northern Whalekill

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Die isländischen Opportunisten von Minus lieben es, zu provozieren. So forcierte zum Beispiel noch jedes ihrer Alben einen Labelwechsel. Und wenn "The Great Northern Whalekill" geschlagene vier Jahre nach dem Vorgänger "Halldor Laxness" den Stein des Anstoßes schon im Titel trägt, überrascht der musikalische Inhalt mehr denn je.
Anstelle eines Noise-Infernos werden nun plötzlich nämlich Motörhead zur Referenzgröße. Der Opener "Cat's Eyes" nämlich hat (zugegeben: geniales) Breitwand-Format: Ein schmutziger Rocker, wie er im Buche steht. Mit überraschend wenig Ecken und Kanten. Die funkensprühende Produktion dagegen verleiht Tracks wie "Black And Bruised" den letzten, exzellenten Schliff. Und gibt dem Songmaterial einen ganz eigenen Reiz: Minus treten dir so direkt in den Arsch, dass du auch als aufmerksamer Verfolger der bewegten Karriere der Formation aus Reykjavik nur den Kopf schütteln kannst… Das Victory-Debüt "Jesus Christ Bobby" vertonte die spröde Landschaft ihrer Herkunft sicherlich treffender. Doch seit dessen Veröffentlichung haben Minus jede Menge Staub geschluckt (was insbesondere die Line-Up-Wechsel der letzten Jahre betrifft)... den sie jetzt gefilterter als bisher auf die Menschheit loslassen: Die elf neuen Tracks fallen kompakter aus. Und schaffen dabei das Kunststück, trotz aller (nach wie vor vorhandenen) Sperrigkeit jeder Zeit zwingend zu bleiben. Hier wird gerockt, die Essenz aus dem Metal gefiltert und mit effektiven Lärmattacken Akzente gesetzt. Das ganze geschieht in einer Tradition, die von Epigonen wie Helmet, Quicksand oder At The Drive-In begründet wurde: Komplexität geht hier nicht auf Kosten des Songs. Hinter dem zu Beginn schwer verdaulichen Soundbrocken verbergen sich Tracks, die auch nach dem Abblättern ihrer Sch(m)utzhülle bestehen können. Irgendwie sympathisch: Minus verzichten auf ihren Herkunfts-Exotenbonus und arbeiten stattdessen an einer konkreten Vision, der sie auf "The Great Northern Whalekill" ein gutes Stück näher gekommen sind. Fazit: wenn Sigur Ros die weiten Landschaften ihrer Heimat in Musik fassen, dann vertonen Minus die klirrende Kälte vereister Gletscherspalten. Dunkel, gefährlich, barsch... aber auch schön und unberührt.

Bewertung: 7 von 10 Sternen / Spielzeit: 37:52 / Rock

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