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peters. Interview

Antitainment in HafenCity mit den Emo-Falco-Rappern

 

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Es ist Freitag mittag und Hamburg in ein düsteres grau-blau getaucht. Der März nähert sich seinem Ende und genau heute veröffentlichen peters. nach mehreren Anläufen endlich ihr Debütalbum. Bevor sich die Band abends im Grünen Jäger in Form eines Konzertes mit mehreren befreundeten Kapellen und zahlreichen Zuschauern selbst feiern darf, treffen wir mit Sänger Torben und Bassist Jörg zwei ihrer Fürsprecher an den Landungsbrücken, um sie im Rahmen einer Hafenrundfahrt zur ersten Platte zu befragen.

Zwei junge Herren, die während und nach ihren Auftritten gerne mal zu feierwütigen Vandalen werden, zu König Wilhelmsburg und Berater mutieren, heute aber völlig friedlich drein blicken. Mit dabei auch Andreas von unterm durchschnitt, der das Interview zu Wasser organisiert hat. Auf seinem Label erschien mit einer feinen 7“ vor vier Jahren das erste Lebenszeichen der Band und nun eben auch das Album „Auffallen durch Umfallen“. Außerdem mit an Bord: Touristen, die Neue Mitte und die unsäglichen Lautsprecherdurchsagen des Kapitäns, der den Passagieren den Hamburger Hafen tot erklärt. Antitainment galore. Es ist frisch bis saukalt, dazu gibt es warmen Kaffee, kaltes Bier und jede Menge Fragen, während „Der König der Löwen“, „HafenCity“ und andere Verbrechen an uns vorbeiziehen.

Euer Debüt wurde ja immer wieder verschoben und schon als das „Chinese Democracy“ des Posthardcore bezeichnet. Woran lag es, dass zwischen erster Single und dem Album schließlich vier Jahre vergangen sind und habt ihr das auch selbst wirklich als so lange Zeit empfunden oder wurde das eher von außen hereingetragen?
Jörg:
Ja, das haben wir schon als sehr lange Zeit empfunden. Warum das mit dem Album so lange gedauert hat, hatte viele Gründe. Am Anfang haben wir noch nicht alle in Hamburg gewohnt, weshalb wir nur selten proben und neue Lieder machen konnten. Danach hatten wir kleinere und größere Sinnkrisen und waren immer wieder kurz davor uns aufzulösen, weil irgendwer keinen Bock mehr hatte. Eine Zeit lang war Torben sehr angenervt und hatte keine Ideen mehr für Texte und dann vor zwei Jahren haben wir Andreas dann gesagt, dass auf einmal alles ganz schnell gehen muss, weil wir unser Album fertig hätten... Naja das war vor zwei Jahren (grinst). Wir haben ein paar Mal angefangen aufzunehmen, haben aber dann wieder abgebrochen, bis dann Jobst als sechstes Bandmitglied dazukam, neuen Schwung mitbrachte und das Album sozusagen produziert hat. Ohne ihn hätten wir das wohl nie fertig bekommen. Das Bandgefüge wird sich auf Tour auch noch weiter aufweichen, weil dann mal jemand wegen der Arbeit nicht kann und ersetzt werden muss.

Klingt nach einem großen Hippierudel.
Jörg:
Rudel ja, Hippie nein.
Torben: Also Hippies sind wir nun wirklich nicht. Jobst zum Beispiel konnte ich am Anfang überhaupt nicht leiden, bis wir dann mal tierisch viel Absinth getrunken haben und er durch die Küche randaliert hat. Mit Hippies haben wir also definitiv nichts am Hut. Ich glaube übrigens, dass ich ohne Jobst nicht mehr in der Band wäre, denn er hat mir unglaublich viel Inspiration gegeben, indem er popigere Elemente mit in die Band gebracht hat.

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"Ich wollte einfach nicht mehr schreien, das hat mir nichts mehr gebracht." - Torben


Christina Anguilera vs. North of America

Das Album klingt sehr ambitioniert in einem positiven Sinne. Versucht ihr bewusst auch eure Grenzen auszuloten und vertrackt zu Werke zu gehen oder ist das eine reine Bauchsache?
Torben:
Auf jeden Fall. Ich denke das liegt vor allem an unserem Gitarristen und Schlagzeuger Fabian, der so ziemlich jede Musik, die nicht vertrackt ist, als belanglos empfindet. Der ist halt ein ziemlicher Musikkopf, richtig gut und unheimlich wichtig für uns. Und das wäre eben ziemlich langweilig für ihn, wenn wir einfache Strukturen wählen würden. Und bei mir ist das genau das Gegenteil. Ich suche gerne mal den scheinbar leichten Weg, auch weil ich gemerkt habe, dass dies oft viel schwieriger ist einen guten Song mit drei Akkorden zu schreiben, der die Leute berührt.

Gibt es dann da intern richtig heftige Grabenkämpfe?
Torben:
Das ist sehr hart, was glaube ich auch ein bisschen daran liegt, dass ich sehr egozentrisch bin und die anderen nur so richtig gut funktionieren, wenn ich das auch tue. Fabian hat sich gerade beim Album sehr zurückgenommen, ist im Nachhinein aber natürlich immer für ein paar hämische Kommentare gut. Da gibt es definitiv Streitereien.

Wie lauten denn dann so die Einflüsse bei euch und variieren die sehr stark innerhalb der Band?
Torben:
Schon. Fabian hört so Kram wie Cap’n Jazz, North of America und At The Drive-In, Jörg ist eher noch am punkigsten von uns drauf. Schalke Stimmungs-Hits und so haha.

Und was ist so dein Extrem in Sachen Pop, mit dem du vielleicht auch in der Band echt aneckst?
Torben:
Naja „Beautiful“ von Christina Anguilera finde ich ganz gut, aber so generell mag ich einfach so Sachen wie Joni Mitchell und anderen Kram aus den 70ern. Ruhige Folk-Sachen, gerne auch Bob Dylan. Außer Jobst und mir finden das aber in der Band glaub ich alle scheiße. Anderseits komme ich natürlich aus dem selben Umfeld, wie die anderen und North of America ist auch eine meiner Lieblingsbands.

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"Wir sind keine explizit politische Band. Der Begriff ist bei mir generell eher negativ besetzt." - Jörg

Auf dem Album wird kaum mehr geschrieen, ist das eine bewusste Abgrenzung zu den früheren Sachen?
Torben:
Auf jeden Fall. Ich wollte einfach nicht mehr schreien, das hat mir nichts mehr gebracht. Und das musste sich erst so entwickeln und ist zum Teil eben auch durch Jobst entstanden. Erst dadurch hab ich mich als Sänger wohlgefühlt, denn vorher wollte ich kein Sänger mehr sein. Jobst nennt das immer Emo-Falco-Rap.

Gab es diesbezüglich schon Kritik von alten Weggefährten, die mit dem neuen Sound nicht klarkommen?
Jörg:
Ja, die gab es, aber mit denen haben wir nichts mehr zu tun, die haben wir abgestoßen (grinst).

Wie entstehen die Texte?
Torben:
Meistens ist die Musik schon da, allerdings schreib ich die Texte dann auch nicht wirklich auf die Musik, was man glaub ich auch raushört.

Die Texte bleiben meistens etwas abstrakt, nur einmal wird es sehr konkret. Warum ist das Stück „Lage der Nation“ so eindeutig ausgefallen?
Torben:
Da hab ich einfach so eine typische Generation-Doof-Sendung angeschaut, bevor ich den Text geschrieben habe.
Jörg: Das ist ja auch gar nicht so politisch, sondern eigentlich wie alles andere recht alltäglich. Nur einmal geht es halt um eine Liebesgeschichte und mal darum, dass du blöd bei der Post rumstehst.

Ist es schwierig bei so einem Thema abstrakt zu bleiben, obwohl einem da vielleicht ganz simple Parolen durch den Kopf gehen?
Torben:
Uns ist natürlich wichtig nicht ins Parolenhafte abzurutschen. Das macht uns ja auch als Band aus, dass wir eben nicht so platte Statements raushauen und die ganze Zeit mit dem Finger auf jemand zeigen. Deswegen nervt dieses Offensichtliche bei „Lage der Nation“ ein bisschen und dafür wurde ich bisher auch am meisten kritisiert.
Jörg: Das ist echt furchtbar, wenn irgendwelche Punk- und Hardcorebands dauernd Parolen in ihre Texte reinhauen. Wir sind auch keine explizit politische Band, sondern man beobachtet einfach, was um einen herum passiert. Der Begriff „politische Band“ ist bei mir generell eher negativ besetzt.
Torben: Wir wollen einfach Leute zum Denken anregen. Klar ist man dem System gegenüber kritisch eingestellt, aber man sollte es auch den Leuten nicht zu leicht machen.

Jetzt seid ihr ja aber auf einem Label, das für gesellschaftliche Emanzipation steht und sich schon klar politisch positioniert. Ist euch das wichtig?
Torben:
Heute auf jeden Fall mehr als früher.
Jörg: Natürlich nehmen wir das schon wahr und können uns damit identifizieren, wenn es um solche Themen wie Deutschpopquote geht und wir haben ja auch bewusst bei dem „I Can’t Relax in Deutschland“-Sampler mitgemacht. Es ist klar, dass wir ein positives Verständnis von Nation ablehnen, aber dieser Punkt ist nicht ausschlaggebend, warum wir auf dem Label sind. Das liegt vielmehr daran, dass Andreas einfach ein cooler Typ ist. Ohne ihn gäbe es uns vielleicht auch nur noch als Proberaumband, aber er hat halt unsere 7“ veröffentlicht und uns damit auf eine ganz andere Stufe gestellt.

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Apropos „I Can’t Relax in Deutschland“-Beitrag: Da ging es ja darum - um mal aus einem anderen Interview zu zitieren - „darauf aufmerksam zu machen, dass sich nationalistische Tendenzen durch alle Bevölkerungsschichten ziehen“. Glaubt ihr das der Sampler wirklich was bewirken konnte?
Jörg:
Eine Zeit lang hat das sicherlich Aufmerksamkeit erregt und war auch in Medien abseits des linken Spektrums präsent, aber es wurde natürlich trotzdem nicht von der BILD aufgegriffen zum Beispiel. Das ist sicherlich in manchen Kreisen hängen geblieben, aber geändert hat sich in der Gesellschaft natürlich nichts. Man kann vielleicht einige Menschen für dieses Thema sensibilisieren, die da was mitnehmen, aber das sind letztendlich Minderheiten. Es ging dabei ja nicht um offensichtliche Nazis, sondern um dieses unterschwellig nationalistische und latent rechte Gedankengut in der bürgerlichen Mitte, was du überall vorfindest, aber das kriegst du mit so einem Projekt einfach nicht raus.

Hat das nicht seitdem und gerade im Zuge der Fußball-Weltmeisterschaft sogar zugenommen?
Torben:
Hat es definitiv. Dieser positive Bezug zu Deutschland ist stärker geworden.
Jörg: Das war eine lange Zeit halt auch ein Tabu in der Politik. Nur seitdem gerade unter Rot-Grün, die ja als eher links war genommen werden, ein Kriegseinsatz stattgefunden hat und ein bestimmtes Bild der Außenpolitik geprägt wurde und es hieß, dass man wieder stolz auf Deutschland sein kann, hat das natürlich Platz geschaffen für jede Menge widerwärtige Sachen, wie dieses neue „Wir“-Gefühl.
Torben: Erst kürzlich waren bei Johannes B. Kerner so Leute eingeladen, die ein Buch geschrieben haben, dass wieder mehr deutsch geredet werden soll. Das Buch richtet sich sozusagen gegen Anglizismen in der deutschen Sprache und allein daran, dass solchen Leuten eine Plattform geboten wird, merkt man ja wie diese Tendenzen zunehmen. Da fand ich die Rolle von Bushido in der Sendung ziemlich beeindruckend, der da echt ein paar gute Sätze rausgehauen hat.
Jörg: Ist auch ein netter Kerl.
Torben: Stimmt du hast ihn ja mal bei The Dome kennen gelernt.
Jörg: Ein guter Freund von uns (grinst). Ist ja auch alles nur Show, was der macht, ist eigentlich ein ganz lieber Schwiegersohntyp. Bei dem war ich mir eigentlich echt sicher, dass das ein richtiger Vollpfosten ist, aber selbst der war irgendwie ok. Die Musik ist natürlich sehr fragwürdig, aber ansonsten ist da halt viel Vermarktung dabei.
Torben: Das ist wie bei uns, wir kokettieren ja auch immer damit, dass wir Alkoholiker wären, dabei sind wir ja eher nur so die Wochenendtrinker.

Das wäre tatsächlich eine Frage gewesen, ob ihr ein Alkoholproblem habt.
Jörg:
Das ist ja immer relativ.
Torben: Ich denke, wenn wir ein Jahr auf Tour wären, dann hätten wir eins.
Jörg: Auf jeden Fall kommen wir noch klar im Leben.

Und auch wenn man das nicht so recht glauben mag, wenn man schon ein paar Auftritte der Band gesehen hat - hoffen kann man ja mal. Vielleicht auch, dass es mit dem nächsten Album nicht wieder vier Jahre dauert. Gerade nach den Erfahrungen im Kontext des Debüts wollen sie das nämlich deutlich zügiger veröffentlichen. Neue Technik im Proberaum soll ihnen ermöglichen schneller Songs festzuhalten und auch auszuformulieren. Nach einigen Touren zu „Auffallen durch Umfallen“ möchte man möglichst schnell die neue Platte angehen, aber wie formuliert es Jörg so treffend: „Bei uns weiß man ja nie.“ Zum Glück.

Interview:
Dominik Waßerloos und Sebastian Gloser
Text: Sebastian Gloser
Fotos: Andreas und Sebastian


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