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Fantasy Filmfest 2008 - Teil 2

Dorothy Mills | Downloading Nancy | HTGROTO | Mum&Dad

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Dorothy Mills |


Du magst „Das Omen“, den „Exorzisten“ und findest die grünen, erzkatholischen Weiten des irischen Landes ziemlich knorke? Du stehst dazu noch auf Persönlichkeitsspaltungen, überzeichnete Charaktere, doofe Plotentwicklungen und hältst den „Village Of The Damned"-Look für den dernier cri? Dann hereinspaziert, Dorothy Mills wartet.

Das albinohafte Mädchen Dorothy Mills soll angeblich während einer Babysitting-Stunde ein Baby ins Grab gebracht haben. Die eine Hälfte des kleinen irischen Dorfes ist davon überzeugt, den Teufel in Kindsperson vor sich zu haben, wohingegen die andere Hälfte das kleine weißhaarige Mädchen aus rätselhaften Gründen schützt. Eine Psychiaterin soll der Geschichte auf den Grund gehen und verliert sich natürlich a) in den Intrigen der Dorfgemeinschaft, b) im Dunkel, das über Dorothy Mills schwebt und c) der Vergangenheit.

Das ist bisweilen handwerklich recht ordentlich gemacht, wenn nicht die Herren Dämonen mal wieder das Dämon-Sein als Freibrief für wildes Changieren und Grimassieren missverstanden hätten. Zudem verletzt Dorothy Mills die alte Schizophrenie-in-Filmen-Regel: bis zu drei Persönlichkeiten pro Charakter sind ok, spätestens ab der siebten inneren Persönlichkeit wird's aber Quatsch. (Christian Ihle)

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Downloading Nancy |

Mit „Downloading Nancy“ finden wir einen der umstrittensten Beiträge des letzten Sundance-Festivals auch auf dem Fantasy Filmfest wieder. Im Gegensatz zu den normalerweise „problematischen" FFF-Filmen polarisiert Downloading Nancy keineswegs aufgrund übertriebener Gewaltdarstellungen, sondern wegen der Grundfrage, die hinter allem steht.

Nancy ist ein psychisches Wrack: Als Kind wurde sie missbraucht und lebt nun in einer Ehe, die so kalt und stumm ist, dass ein „Zusammenleben" im Wortsinn nicht mehr existiert. Nancy fügt sich selbst Schmerzen zu, schneidet ihre Beine und Arme auf, um wieder irgendetwas zu spüren. Der Film denkt diese Spirale der Selbstdestruktion konsequent zu Ende. Wenn Rothenburg uns etwas gezeigt hat, dann, dass der Wunsch nach Selbstauflösung jegliche menschliche Vorstellung sprengen kann. Da sich „Downloading Nancy“ aber dem introspektiven US-Indie-Kino verpflichtet fühlt und einen weiten Bogen um spekulativen Gore macht, erspart es uns eine kannibalistische Lösung. Der so klar zu Ende gedachte Wunsch, nicht mehr leben zu wollen, ist bedrückend genug, dass man nicht auch noch Fleischesverzehr benötigen würde.

Auch wenn man die Konsequenz von „Downloading Nancy" bewundert, bleibt in der Mischung aus Sterilität und Pathos, die den Film durchzieht, ein Problem. Nicht jedes Bild, das Regisseur Johan Renck in seinem Debütfilm findet, überzeugt, da der Grat zur übertriebenen Symbolhaftigkeit doch arg schmal bei diesem Thema ist. So bleibt „Downloading Nancy" mehr eine interessante Studie als ein guter Film, der dennoch eine handvoll Szenen bereit hält, die nahe gehen - was besonders der großartigen Maria Bello zu verdanken ist, die eine wahre Tour de Force liefert. (Christian Ihle)

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How To Get Rid Of The Others |


Der schwarze Humor der Skandinavier findet jedes Jahr wieder ein Heim auf dem Fantasy Filmfest. „How To Get Rid Of The Others“ (mit Sören Pilmark aus von Triers „Geister") ist eine bitterböse politische Farce über Sozialismus, den Wohlfahrtsstaat, faschistoide Regierungen und die Überbevölkerung. Dänemark, in naher Zukunft: die Regierung beschließt, den Prozentsatz an Sozialschmarotzern aus der Bevölkerung zu tilgen, der nicht nachweisen kann, etwas für die Gesellschaft zu leisten. Da wird die besoffene Oma genauso exekutiert wie der linke Künstler oder der nihilistische Punk.

Grelle Überzeichnung ist dabei das vorherrschende Stilmittel, wobei wieder einmal einer Produktion aus Lars von Triers Zentropa Studios bescheinigt werden kann, wenigstens den ganzen Weg zu gehen. So exerziert „How To Get Rid Of The Others“ die Grundlage auch tatsächlich bis zum letzten durch. Das Lachen bleibt einem spätestens dann im Halse stecken, wenn sich der Galgenstrick um selbigen legt. (Christian Ihle)

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Mum & Dad |

Eine betonharte Satire über Kindesentführung und Missbrauch Jugendlicher? Diese harte Nuss knackt Regisseur Steven Sheil mit seinem Debütfilm „Mum & Dad" überraschenderweise problemlos.

Die junge Rumänin Lena arbeitet als Toilettenkraft an einem britischen Flughafen und bevor sie sich versieht, wird sie von einer Familie entführt und verschleppt, die offensichtlich die verlorenen britischen Cousins der Leatherface-Kommune aus dem „Texas Chainsaw Massacre“ sind. Papa ist gern blutverschmiert und kann sich schwer zügeln, mal niemandem mit dem Hammer den Kopf einzuschlagen und Mama schneidet gerne mit dem Skalpell Engelsflügel in fremde Mädchenrücken.

„Mum & Dad" geht immer in die Vollen: der Blick wird nie abgewandt, jeder Schnitt, jeder Schlag ist zu sehen und die Grundthemen werden ins absurde überspitzt. Es geht um die Abnabelung vom eigenen Elternhaus, das „solange Du Deine Füße unter meinen Tisch stellst!"-Mantra, Lieblingskind-Eifersüchteleien, Inzest mit dem Herrn Papa, sexuelle Anziehung zwischen Geschwistern, Vernachlässigung elterlicherseits und des Staates (ob nun gegenüber den Immigranten oder den verwahrlosten Kindern), so dass man sich nur noch wundern kann, dass diese Themenfülle vermischt mit Blut und äußerst morbidem Humor funktionieren kann. Aber sie kann - einen harten Magen und eine stabile Psyche vorausgesetzt. (Christian Ihle)

Fotos: Pressefreigaben


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