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Fantasy Filmfest 2008 - Teil 4

Nothing To Lose | TAONT | Mad Detective | The Rebel

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Nothing To Lose |


Vorab als Geheimtipp des Festivals angekündigt, löst der holländische Krimi-Thriller „Nothing To Lose“ ein Versprechen überzeugend ein. Die Film ist schlicht inszeniert und könnte auch ein sehr gutgemachter und größer produzierter Tatort sein, trotzdem weiß man bei dieser Geschichte nie, was als nächstes passiert, was einen deshalb mit jeder Minute mehr fesselt. Im Mittelpunkt steht der Mörder Johan - hervorragend gespielt von Theo Maassen - der aus der Psychiatrie ausbricht, um seine Mutter zu finden, die doch nach all den Jahren endlich beweisen soll, dass er seinen Vater, der ihn als Kind vergewaltigt hat, nur aus Notwehr erschlagen hat, um die kleine Schwester zu retten.

Weil sich die Mutter aber zunächst nicht finden lässt, da sie sich nach Belgien abgesetzt hat und ihn die Polizei fast stellen kann, nimmt der cholerische Vorzeigepsychopath die 13-jährige Tessa als Geisel. Die Beziehung der beiden auf der Flucht dominiert fortan das Geschehen. Johan behandelt das Mädchen überraschend gut und auch wenn sich kein Stockholmsyndrom entwickelt, bauen die beiden zumindest ein Vertrauensverhältnis auf. Dann beginnt die Suche nach Johans Unschuld und der Antwort, auf die Frage, was damals wirklich geschehen ist, als Johan den Vater erschlagen hat. Währendessen ist ihnen die Polizei immer dichter auf den Fersen... Mehr zu verraten, wäre ein Verbrechen, deswegen kurz und knapp: Anschauen! (Sebastian Gloser)

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The Art Of Negative Thinking |

Und wieder einmal sorgen die Dänen für den abseitigen Humor. „The Art Of Negative Thinking” setzt da an, wo „Adams Äpfel” im Vorjahr aufgehört hat. Wieder haben wir es mit einem schwierigen Patienten zu tun, der mit Hilfe einer Gruppe von verschiedensten Derangierten aufgefangen werden soll. Nur, dass diesmal kein Neonazi im Zentrum steht, sondern der nach einem Unfall an den Rollstuhl gefesselte Geirr. Das Zusammenleben mit seiner Frau Ingvild kann man eigentlich gar nicht mehr so nennen und weil seit dem Unfall auch kein Sex mehr drin ist, holt sich Geirr seine Kicks woanders: Kriegsfilme, eine Tüte nach der anderen, Johnny Cash-Platten und auch mal Wäscheklammern an den Brustwarzen.

Weil es so nicht weitergehen kann, lädt Ingvild eine Gruppe von Behinderten zu sich nach Hause ein, um Geirr auf andere Gedanken zu bringen. Der hat natürlich keinen Bock auf die „scheiß Behinderten“ und vor allem nicht auf die Gruppenleiterin, die unermüdlich mit ihrem Gutmenschentum (die Figur als nächste große Parallele zu „Adams Äpfel“) versucht Geirr zu integrieren, was nach einem Knock-Out und einigen Pullen Schnaps auch irgendwann klappt.

Während „The Art Of Negative Thinking” zu Beginn äußerst gut gelungen ist, gehen den Machern spätestens ab der Hälfte des Films die Gäule durch und jedes Konzept verloren. Was vorher witzig war, ist jetzt nur noch albern und die melodramatischen, todtraurigen, weil oft so realistischen Momente, wirken eher komisch. Das Treiben der völlig heterogenen Gruppe aus Behinderten und Nichtbehinderten macht zwar bis zum Ende Spaß, aber in Sachen Plot und Gagqualität wäre da deutlich mehr drin gewesen. „Adam’s Äpfel“ geht dagegen den ganzen Weg. Hätte man nach gutem Start locker nach Hause fahren können, so wird der Streifen aber leider gegen die Wand gefahren. (Sebastian Gloser)

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The Rebel |


Die Geschichte von „The Rebel“ ist schnell erzählt: Wir schreiben das Jahr 1922 und der Alltag in Vietnam ist geprägt von den französischen Besatzern. Die Kolonialherren geben sich natürlich auch alle Mühe von der Bevölkerung gehasst und von Widerstandsgruppen bekämpft zu werden. Ausbeutung hier, Unterdrückung da und dass die Guerillabewegung nicht längst schon viel stärker ist, liegt in erster Linie an einer überschaubaren Liga der ganz besonders miesen Gentlemen, die mit den Franzosen kollaborieren und sich gegen die eigenen Landsleute stellen.

Auch Cuong (Johnny Nguyen) ist einer von ihnen. Gutaussehend, kein Kostverächter und dennoch ein knallharter Elitekämpfer, der sich nur dummerweise nach einem von ihm verhinderten Attentat in die hübsche Widerstandskämpferin Thuy (Ngo Thanh Van) verliebt und ab diesem Zeitpunkt beginnt, die Situation seiner Landsleute mit anderen Augen zu sehen. Auch wenn sich diese Erkenntnis im Laufe des Films immer weiter ausbaut, tut uns Regisseur Charlie Nguyen den Gefallen und arbeitet sich nicht an Cuongs Wandel ab, sondern beschäftigt sich direkt mit den Konsequenzen.

Im Folgenden erleben wir Cuong und Thuy auf ihrer Flucht vor den französischen Besatzern, ihren vietnamesischen Handlangern und vor allem Cuongs ehemaligen Mitstreitern. Das ganze ist in tollen Bildern verpackt, es gibt nett choreographierte Martial-Arts-Action und der pathetische Kitsch hält sich in Grenzen. Leider kann einen „The Rebel“ trotzdem nur selten richtig mitreißen und obwohl der Plot stellenweise so furchtbar linear ist und das Tempo hoch gehalten wird, schleichen sich einige Längen ein. Ein okayer Genre-Film bei dem wenig Spektakuläres bei rum kommt, der aber als entschleunigendes, gerade zu entspannendes Moment im Programm des diesjährigen Fantasy Filmfests seinen Zweck voll und ganz erfüllt. (Sebastian Gloser)

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Mad Detective |

Bei „Mad Detective“ ist der Name Programm. Inspektor Bun ist eigentlich längst vom Dienst beurlaubt, weil ihm seine Schizophrenie zwar den Vorteil bringt sich besser in seine Gegner zu versetzen, zuweilen aber auch recht problematische Situationen. Da wird sich schon mal ein Ohr abgeschnitten oder die Ex-Frau immer noch für anwesend gehalten. Weil ihn aber ein junger Kommissar bittet bei einem komplexen Fall mitzuhelfen, müssen die besonderen Fähigkeiten noch einmal herhalten. Es geht um einen seit verschwundenen Polizeibeamten und dessen Dienstwaffe, die seit dem Verschwinden immer wieder Mordwaffe bei diversen Überfällen war. Prompt erzielt Bun auch erste Fahndungserfolge, verzichtet aber auch zunehmend auf seine Therapiesitzungen und die Einnahme seiner Medikamente...

Auch wenn die Handlung etwas arg linear verläuft und Bun ein wenig zu schnell auf entscheidende Spuren stößt, lässt „Mad Detective“ eigentlich keine Wünsche offen. Der chinesische Copthriller ist trotz der schnellen Schnitte und häufigen Wechsel zwischen Realität und schizophrener Einbildung recht übersichtlich geblieben und offenbart eine gesunde Mischung aus Spannung und Humor inklusive brillantem Spiegel-Super-Schizo-Shootout. Muss man nicht unbedingt zweimal sehen, aber einmal taugt „Mad Detective“ durchaus. (Sebastian Gloser)

Fotos: Pressefreigaben


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