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MISC - Juni 2008 l #29

So Indie warst du nie...

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Diesmal mit:

The Jessica Fletchers | The Feeling | Neva Dinova | Adem u.a.

Selten war amerikanische Folk-Musik so beliebt, gefragt und putzmunter wie im neuen Jahrtausend. Daran haben nicht nur die ganz großen Songwriter wie Conor Oberst Schuld, die den introspektiven Gitarren-Song wieder zurück auf die Musiklandkarte brachten - sondern auch und vor allem die unzähligen "kleinen" und noch relativ unbekannten Künstler. Neva Dinova alias Jake Bellows ist solch ein Fall. "One Jug of Wine, Two vessels", die Split-EP zusammen mit Bright Eyes aus dem Jahr 2004 war ein Vorbote gewesen. Das erste richtig vertriebene, produzierte Album "You May Already Be Dreaming" (Saddle Creek / Indigo) ist ein versprechen, dass man nach allen Rückschlägen im Leben wieder auf die Füße kommt. Songs wie "A Man and His Dream" und "Love from Below" beweisen das. Da heisst es: "It's so hard / to love your body from the ground". Großartige Musik für den suizidalen Kuschelabend allein. Und das Aufwachen am Morgen danach.

Ein bischen irre wird man bei El Perro Del Mar schon. Hinter dem ziemlich anstrengenden Versuch, "eine persönliche Reflektion über die Idee des Himmels" auf musikalisch tönerne Füße zu stellen steckt die schwedische Songwriterin Sarah Assbring. Deren Stimme klingt auf dem neuen Album "From The Valley To The Stars" (Cooperative / Universal) zwar ziemlich weltfremd, besonders reichhaltig ist sie aber nicht, um die sparsame Instrumentierung zu kompensieren. Immer kippt der Song genau dann um, wenn er anfängt zu gefallen. "How Did We Forget" funktioniert noch ganz gut mit seinen besoffenen Bläser-Sätzen und dem beschwingten Rythmus. Aber diese seltsamen Eso-Ausflüge wie "Inner Island" verstören mehr als das sie wirklich zu gefallen wissen.

Adem wird noch eine ganze Weile ein Songwriter-Geheimtipp bleiben. Denn wer am Anfang seiner Karriere ein Cover-Album aufnimmt, muss sich nicht wundern, wenn Fragen nach dem eigenen Songwriting aufkommen. Bei Adem wird das aber nicht passieren, dessen Interpretation von Bedheads "Bedside Table" auf seinem Cver-Album "Takes" (Domino / Indigo) ist so umwerfend, dass man Adem gern um den Hals fallen möchte. Schon seine Stimme hält den Laden zusammen. Und lässt hoffen, dass bald ein neues Album erscheint. Solange kann man sich erstmal die zeit vertreiben mit Coversongs von PJ Harveys "Oh My Lover" oder "Starla", im Original von den Smashing Pumpkins. Überall scheint Adems eigenes zartes Songwriting durch. Und wer Tortoise' "Gamera" so verwandeln kann, gehört eh in den Folk-Olymp.

In einen wie auch immer gearteten Musikolymp werden The Feeling wohl nie aufsteigen. Zu dürftig, flachbrüstig und kraftlos ist ihr 80s Stadion-Wave, als dass man ihnen auch nur eine Träne hinterher weinen würde. Aber so ist es eben doch immer mit erfolgreichen Debüt-Album, die auf einem Riff und einem Synthie-Effekt basieren - irgendwer will immer mehr. Und Bands wie The Feeling gehen dann ins Studio, um ein Zweitwerk aufzunehmen. Nach Welttournee und endlosem Radio-Airplay des Debüts "Twelve Stops And Home" ist auch "Join With Us" (Island / Universal) das gleiche Schicksal vorprogrammiert worden. Anders lässt es sich jedenfalls nicht erklären, warum Rocknummern wie "I Thought It Was Over" und "Turn It Up" so zugekleistert wurden. Das ist auf Massentauglichkeit gebürstet. Und hinterlässt nur ein müdes Gähnen. Daran hätten auch Elton John und Freddie Mercury nix mehr retten können.

Im besten Fall hätten die Jessica Fletchers zu Power-Pop Ikonen werden können. Aber die Welt ist eben manchmal ungerecht. Und in einer ungerechten Welt wird ein veritabler Hit wie "Summer Holiday & Me" aus dem Jahr 2005 eher weniger beachtet. Und dann kommt ein Pete Doherty und klaut auch noch das Anfangsriff. Schweinerei! Nur gut, dass sich die Norweger aus solchen Geschichten nichts machen und weiter die Club Europas abklappern. Erfolg ist eben eine sensitive Erfahrung, nicht planbar. Auch das sechste Album "You Spider" (Schönwetter / Broken Silence) hat alle Zutaten, wirklich erfolgreich zu werden. Nur die eigene Note, die geht den Nowegern immer mehr flöten. Vieles klingt inzwischen nur noch wie eine Variation des eigenen Rock-Orgel-Songs. Schade eigentlich. Irgendwie waren, sind und werden die Jessica Fletchers immer sehr sympathisch bleiben. Nur so richtig packen, das können sie nicht mehr.

Das mit dem verdienten Erfolg müssen die Menschen und die Woog Riots auch nochmal lernen. Deren Debüt "Strangelove" war schon vollkommen unbeachtet an den Augen der deutschen Öffentlichkeit vorbeigezogen. Vielleicht liegt es an der rotzigen AgitPop Atmosphere des Zweitwerks "PASP" (What's so funny about / Indigo), dass es auch diesmal nix wird mit der Musikwelt und den Woog Riots. Der Folk ist nahezu verschwunden, inzwischen regieren Synthies und Beats die Anti-Folk-Welt der Woogs. In England ist man damit schon recht erfolgreich getourt. Nur die gewollte Bräsigkeit und der aufgesetzt-gelangweilte Gesang bei Songs wie "Paul McCartney" oder "Wild Baboons" nervt leicht. Und der Versuch, mit einem Konzeptalbum subversive Kritik zu üben, wirkt auch leicht antiquiert. Nur die Melodien, die bleiben wie immer eigenartig-schön. Und machen die Woog Riots weiterhin interessant. Auch eine Form der Subversion...

Wenn sich zwei gerade der Adoleszenz entsprungene Jünglinge - der eine House-Produzent, der andere Orchestermusiker - zusammenfinden und ein Pop-Projekt starten, muss das ganze ja interessant werden. und wenn die dann auch noch aus Schweden kommen und auf unser aller Lieblings-Label Labrador veröffentlich, macht das doch den Sack entgültig zu, oder? Richtig. Schief gelaufen ist bei The Sound of Arrows und ihrer EP "Danger!" (Labrador / Broken Silence) auch überhaupt nix. Schöner die Indie-Pop-Glocken nie klingen! Gut, für das Debüt-Album kann man noch ein wenig am Songwriting arbeiten, um sich stilistisch von etwa Jens Lekman zu entfernen und eine eigenere Note zu finden. Ansonsten ist der sphärische Twee-Electro-Pop aber 1-A. Und schürt Vorfreude.

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