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Backyard Babies

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Die Backyard Babies, einst skandinavisches Rotzrock-Flagschiff, hissen nach gerade zwei Jahren Abstinenz im Plattenregal bereits wieder ihre Sleaze-Segel - Ziel diesmal: Back to the roots. Ans Steuer stellte das schwedische Quartett dafür symbolischerweise Landsmann Jacob Hellner, die Platte ist schlicht selbstbetitelt und das Cover-Artwork eine Hommage an die weltberühmte, zeitlose Fotografie 'Lunchtime atop a Skyscraper' von 1932. Stoff für einen Klassiker also?
Momentchen Mal. Jener Jacob Hellner, der die Clawfinger 2001 - ebenfalls beim Versuch der Rückbesinnung - souverän in der Belanglosigkeit versenkte? Nicht minder absurd erscheint es, dass sich die vier Babies auf der CD-Front inmitten der New Yorker Skyline auf einem Baugerüst lümmeln. Machte sich im Lager der alteingesessenen Anhänger doch nach der Veröffentlichung des 2006er-Werks mit dem abstrusen Titel 'People like people like people like us' der Vorwurf breit, die ehemaligen Glampunk-Ikonen verkaufen ihre Seele für die Fleischtöpfe im Land der begrenzten Unmöglichkeiten. However, auf welche Baustelle das ins Pathos-Fässchen gefallene Management seine Schützlinge auch verbannt, das Endprodukt muss den Fans den Scheitel glatt ziehen. Gegenüber der Presse sieht Gitarrist Degen Produzent Hellner und seine Band noch ganz verliebt als Äquivalent zu "Nitro and Glycerine", die Platte selbst soll alte Stärken bündeln und klingt "clearer, cockier, fresher", lässt der Mitbegründer der "Hellacopters" verlauten. Ob sich der Vierer allerdings vor zehn Jahren mit besonders klarem, sauberen Sound in die erste Rock'n'Roll-Liga geschrammelt hat, sei mal so dahingestellt. Eine von skandinavischer Herzlichkeit nur so strotzende Begrüßung wird dem geneigten Publikum immerhin serviert: Der Opener "fuck off and die", gleichzeitig erste Single-Auskopplung, lässt ordentlich die Socken qualmen und bestätigt die Marschroute via unbestreitbarer KISS-Anleihen. Ohnehin hält sich die gesamte Tracklist hindurch der Eindruck, dass man authentische, nicht im Zuchthaus generierte Riffs auf die Ohren bekommt. Dabei bleibt der treibende Motown-Beat bei durchaus tanzbaren Songs wie "Drool" oder dem mit eingängigen Licks garnierten "Idiots" besonders im Gehörgang kleben. Bullet LaVolta lässt grüßen. Griffige Intros explodieren zügig und kompromisslos und transportieren so ein Stück weit den unverwechselbaren Livecharakter der Babies. So druckvoll und catchy wie die Scheibe beginnt, so steil senkt sich in der Folge jedoch der Adrenalinpegel: "The Ship" geht, mitsamt dem Geist der Guns'n'Roses, rhythmisch genauso schnell unter wie die Folgetitel. Funpunk à la "Where were you" sollte man lieber den Toten Hosen überlassen, "Saved by the Bell" klingt mitunter so, als hätte man Metallica Western-Gitarren in die Hand gedrückt. Aber auch der im Endspurt eingeschaltete Weichspülgang soll den Gesamteindruck nicht trüben: Wie zu guten alten Zeiten wurde dem Grunge demonstrativ der Rücken gekehrt, straighter Rock'n'Roll dominiert deutlicher als auf den Vorgängern. Nitro und Glyzerin versprühen die Backyard Babies aber auch künftig nur auf der Bühne - Wer hätt's gedacht?

Bewertung: 7 von 10 Sternen / Spielzeit: 45:01 / Rock

Author
Jan Kampmann





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