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Sybris

Into The Trees

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Koschere Musik? Sollte es diese Marktlücke per Definition jemals gegeben haben, Angela Mullenhour - Sängerin der jüdischen Kapelle Sybris - weiß sie zu füllen. Mit einer Stimme, die die Lücke zwischen Yeah Yeah Yeahs-Frontröhre Karen O. und US-Harfenvirtuosin Joanna Newsom so graziös schließt, dass auch das Label ‚Absolutely Kosher’ ob der eigenen Philosophie nicht anders konnte und den Vierer aus Chicago unter seine Fittiche brachte.
Höchstselbst stecken Sybris ihre Musik in die Indie- und Shoegaze-Schublade, nach den ersten Hörproben tun sich neben den YYY’s zudem Parallelen zu Sonic Youth oder Björk auf. Wie letztere jagt Mullenhour den Hörer durch eine Gefühlsachterbahn mit Vocals, die von zerbrechlich-zart bis rotzig-rau jede Emotion bedienen und dabei stets authentisch klingen. Ins Mikro gehauchte, kindliche Unbefangenheit. Das mag nach One-Woman-Show riechen und abzustreiten ist der existenzielle Wert der phonetischen Kreuzung aus Björk und Karen O. für die Kritikerlieblinge aus Chicago auf keinen Fall. Trotzdem führen auch ihre Kollegen Shawn Podgurski (Bass), Eric Mahle (Drums) und insbesondere Gitarrist Phil Naumann mit bemerkenswerter Sensibilität durch den eigens intonierten Märchenwald. Wer die Augen schließt, das Kopfkino anschmeißt und den Indie-Querdenkern die Hand reicht, wird ob der melodiösen Gewalt alsbald mit glühenden Synapsen belohnt. Oder um es mit Mullenhours Worten zu sagen: Oh Man! Bereits in “Safety City“ erreicht der Trip seinen vorläufigen Höhepunkt, selten lieblich gekrischener Post-Punk. Nach der Power-Nummer streichelt “Got Nothing” die Öhrchen fast misstrauenserweckend sanft, um in einem Tränenmeer energiegeladener Akkorde und harmonischer Arrangements auszulaufen. „Burnout Babies“ verausgabt sich wiederum sprichwörtlich beim Übergang von eingangs dreckigem Low-Fi-Krach zu kristallklarer Akustik, benetzt mit Mullenhours Elfen-Stimmchen. Einmal warmgehört, mag man kaum noch ohne Titel wie „Hurt Hawk“ in den Schlaf gewiegt werden. Da zu jedem Märchen ein krönender Abschluss gehört, wird man von „St. Veronica“ im Midtempo auf seufzenden Gitarren sicher zu Start und Ziel des breit gefächerten sybris’schen Klangkreislaufs getragen: „The Beach Is Where The Ocean Comes To Die“ lässt den Lauschenden wieder behutsam am Kap des koscheren Quartetts stranden. Dort angekommen will man am liebsten einfach liegen bleiben – Tiefenentspannt, bis ein würdiger Nachfolger des ausgereift-abwechslungsreichen ‚Into The Trees’ angespült wird

Bewertung: 8 von 10 Sternen / Spielzeit: 40:20 / Independent

Autor:

Jan Kampmann



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